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Verkehrsbetriebe Zweifel in Bremen und Niedersachsen an 3G-Kontrollen im Nahverkehr

Das Vorhaben von SPD, Grünen und FDP, die 3G-Regel in Fernzügen, aber auch in Bussen und Straßenbahnen einzuführen, halten Verkehrsunternehmen aus mehreren Gründen für nicht praktikabel.
16.11.2021, 20:31 Uhr
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Zweifel in Bremen und Niedersachsen an 3G-Kontrollen im Nahverkehr
Von Justus Randt

Die mögliche künftige Regierung aus SPD, Grünen und FDP will das Infektionsschutzgesetzes verschärfen. Unabhängig von der Maskenpflicht soll unter anderem die 3G-Regel in Zügen, Bussen und Bahnen eingeführt werden. Verkehrsunternehmen halten flächendeckende Kontrollen an Straßenbahnhaltestellen oder am Abfahrtgleis der Regio-S-Bahn für unmöglich.

Die von SPD, FDP und Grünen geplanten 3G-Zugangsregeln in Verkehrsmitteln sollen einer Vorlage zufolge "stichprobenhaft" überprüft werden. Beförderer sollen dazu verpflichtet werden, dies zu überwachen, heißt es in der Vorlage für die weiteren Beratung. Greifen soll die 3G-Regel im öffentlichen Nahverkehr mit Bussen und Bahnen, im öffentlichen Fernverkehr mit ICE und Intercity sowie für den Luftverkehr. Ausgenommen sein sollen Schülerinnen und Schüler und die Beförderung in Taxis.

„Der Halbstundentakt wäre nicht mehr annähernd zu halten“, sagt Steffen Högemann, der Sprecher der Nordwestbahn. „Wir begrüßen die Diskussion, denn leere Züge wollen wir nicht wieder haben.“ Die ins Gespräch gebrachte Forderung aber sei „für die Nordwestbahn nicht stemmbar“. Wo Personal mitfahre, dauere eine Fahrscheinkontrolle bis zu 20 Sekunden. „Wenn Impfnachweis und Ausweis kontrolliert werden, dauert das schon eine Minute“, schätzt Högemann. „Da brauchten wir vermutlich das Dreifache an Personal: plus 1000 Leute.“ Und die kurzen Nahverkehrsstrecken „mit enorm hohem Fahrgastwechsel“ machten Kontrollen schon zeitlich unmöglich.

Teams des Ordnungsamts werden die Einhaltung einer 3G-Regelung überwachen
Karen Stroink, Innenressort

Dieser Ansicht ist auch Christof Herr. Der Geschäftsführer des Zweckverbandes Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (ZVBN) verweist darauf, dass es bisher keine Erkenntnisse gebe, „dass Busse und Bahnen Pandemietreiber wären“. Ihn beschäftigt die Frage, welche Unterstützung von Polizei und Ordnungsämtern zu erwarten sei – für Kontrollen und Sanktionen.

„Sollte eine 3G-Regelung für den ÖPNV eingeführt werden, werden Teams des Ordnungsamtes die Einhaltung überwachen, ähnlich wie bei der Einführung der Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr“, sagt Karen Stroink, Sprecherin der Innenbehörde. „Wie eng jedoch eine solche Kontrolle ausfallen würde, ist abhängig von den verfügbaren personellen Ressourcen. Möglicherweise werden die steigenden Infektionszahlen zu weiteren Verschärfungen auch in anderen Bereichen führen, die es dann ebenso zu kontrollieren gilt.“

Auch Björn Pamperin, Sprecher der Metronom Eisenbahngesellschaft mbH, zweifelt an der Umsetzbarkeit der 3G-Regeln. Metronom-Züge pendeln unter anderem zwischen Bremen und Hamburg. „Wir haben sieben Wagen mit jeweils zwei Türen hinter der Lok und zwei Fahrgastbetreuer bei 500 bis 800 Fahrgästen. Wir können uns nicht vorstellen, wie die Zugangskontrolle gehen soll“, sagt er. „Man könnte das über die Fahrkartenkontrollen mitmachen, aber dann säßen die Leute ja schon im Zug. Mit Infektionsschutz hätte das ja nicht viel zu tun.“

Eine 3G-Regel in Bus und Bahn ist schwer kontrollierbar
Maike Schaefer, Mobilitätssenatorin

„Eine 3G-Regel in Bus und Bahn ist schwer kontrollierbar“, sagt Bremens Mobilitätssenatorin Maike Schaefer (Grüne). „Viele Menschen sind auf den ÖPNV angewiesen. Bei steigenden Inzidenzzahlen diskutieren wir an erster Stelle, das Tragen von FFP2-Masken im ÖPNV vorzuschreiben und medizinische Masken als Mund-Nasen-Schutz nicht mehr zuzulassen. Wir werden uns darüber hinaus die Vorschläge genau angucken müssen und überprüfen, wie diese umsetzbar sind.“

Bei der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) sieht man der 3G-Entscheidung insofern gelassen entgegen, als „die Überprüfung dem Ordnungsamt und der Polizei obliegt“, sagt Unternehmenssprecher Jens-Christian Meyer. „Wir arbeiten gut zusammen.“ Er hält flächendeckende Kontrollen für unnötig und könnte sich eher vorstellen, stichprobenartig vorzugehen, „wie bei der Beförderungserschleichung“. Das sieht Steffen Högemann von der Nordwestbahn ähnlich: „Stichpunktkontrollen wie im Straßenverkehr reichen“, sagt er. „Mit den Maskenkontrollen, die uns auferlegt wurde, haben wir genug zu tun. Wenn es um persönliche Kontrollen geht, um Impfnachweise und Ausweise, birgt das ein enormes Konfliktpotenzial. Wir sind nicht der verlängerte Arm der Bundespolizei.“

Der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Oliver Wolff, verweist auf die Beförderungspflicht im ÖPNV: „Sofern die künftigen Regierungskoalitionäre sich weitergehende Kontrollen vorstellen, müssen sie die Frage beantworten, wie die öffentliche Mobilität dann aufrechterhalten werden soll und ob beispielsweise die Bundespolizei die Kontrollen dann auch im ÖPNV durchführt.“ Malte Diehl, Vorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn in Niedersachsen und Bremen, hält den Kontrollplan für einen „Versuch, in Salamitaktik die Leute zur Impfung zu drängen“.

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