Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Geplante Milliardenausgaben Was ein Karlsruher Urteil für die Bremer Klimapolitik bedeutet

Das Bundesverfassungsgericht hat ein Urteil zur Finanzpolitik des Bundes gesprochen. Es könnte erhebliche Rückwirkungen auf Bremen haben, wie der Finanzwissenschaftler André Heinemann im Interview erläutert.
17.11.2023, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Was ein Karlsruher Urteil für die Bremer Klimapolitik bedeutet
Von Jürgen Theiner

Frage: Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Finanzpolitik des Bundes könnte heftige Nebenwirkungen in Bremen entfalten. Karlsruhe hat den zweiten Nachtragshaushalt des Bundes für 2021 für nichtig erklärt. Er war als Topf für Klimaschutzmaßnahmen angelegt. Auch Bremen hat zuletzt einen Nachtragshaushalt als Klimafonds beschlossen. 2,5 Milliarden Euro sollen bis 2027 ausgegeben werden. Wackelt dieses Projekt jetzt?

André Heinemann: Nach Lektüre des Urteils meine ich schon, dass es Anhaltspunkte dafür gibt, dass einzelne Aspekte des Urteils auch auf Bremen anwendbar sein könnten.

Die CDU-Fraktion klagt aktuell vor dem Bremer Staatsgerichtshof gegen den Nachtragshaushalt 2023. Halten Sie es für also denkbar, dass das Gericht den Klimafonds unter Berufung auf das Karlsruher Urteil kippt?

Das ist jedenfalls mit diesem Urteil überhaupt nicht auszuschließen.

Was lässt sich konkret für Bremen aus dem Karlsruher Urteil ableiten? 

Das Karlsruher Urteil hat einige Punkte klargestellt. Betont wird insbesondere die Jährlichkeit eines Haushalts.

Diesen Begriff müssen Sie erklären.

Der Gesetzgeber muss klarmachen, welche Ausgaben die Exekutive tätigen darf, und zwar in einem konkreten Haushaltsjahr. Das ist die Jährlichkeit. Beim zweiten Nachtragshaushalt des Bundes für 2021 verhält es sich aber so, dass Kreditermächtigungen für Ausgaben – in diesem Fall für den Klimaschutz – für einen längeren Zeitraum bewilligt wurden. Das verträgt sich nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht mit dem grundgesetzlichen Gebot der Jährlichkeit.

Dieser Grundsatz scheint auch in Bremen missachtet worden zu sein. Aus dem 2,5-Milliarden-Topf sollen bis 2027 Klimaschutzprojekte bezahlt werden können.

Man muss dazu wissen: Es gab im Bund bis 2009 tatsächlich Möglichkeiten, nicht genutzte Kreditermächtigungen in ein weiteres Haushaltsjahr zu übertragen. Karlsruhe hat jetzt aber deutlich gemacht: Diese Möglichkeit existiert mit der Schuldenbremse nicht mehr. Es soll keine Kreditermächtigungen mehr auf Vorrat geben.

Aus dem Urteil ergibt sich möglicherweise noch eine zweite Übereinstimmung zwischen Bund und Bremen. Karlsruhe verlangt eine "begründete Prognose", wie man mit den Krediten eine festgestellte Notlage – konkret also den Klimanotstand – beseitigen will. Dass ein Bremer Klimafonds den Klimawandel stoppen könnte, wird man kaum behaupten können.

Bei der Pandemie oder bei der Störung der Energieversorgung ließ sich argumentieren, dass man durch kreditfinanzierte Programme gewissermaßen die Kontrolle über das Geschehen zurückerlangen konnte. Und das ist ja genau die Anforderung der Schuldenbremse: Wenn man Kredite aufnehmen will, muss eine außergewöhnliche Notlage eingetreten sein, die sich der Kontrolle des Staates entzieht. Es dürfte aber fraglich sein, ob ein kleines Gemeinwesen wie Bremen überhaupt in Lage ist, wieder die Kontrolle über die Entwicklung des Klimas zu erlangen. Das ist ein Punkt, mit dem sich sicherlich auch der Staatsgerichtshof auseinandersetzen wird.

Wie sähen die praktischen Konsequenzen aus, wenn der Staatsgerichtshof den Bremer Klimafonds – in Anlehnung an das Karlsruher Urteil – für verfassungswidrig erklären sollte?

Mittel, die für 2023 eingeplant waren, könnten weiterhin abfließen. Hier liegt der Fall zunächst anders als beim Nachtragshaushalt des Bundes. Eingeplant waren rund 285 Millionen Euro. Ausgaben, die für die Jahre ab 2024 geplant waren, könnten meiner Meinung nach nicht mehr über Kreditermächtigungen finanziert werden. Zumal ab 2024 keine außerordentliche Notsituation mehr vorliegen soll.

Lesen Sie auch

 

Das Geld müsste dann also aus dem normalen Bremer Haushalt aufgebracht werden.

Was angesichts der geringen Spielräume sehr schwierig wäre.

Gibt es andere Möglichkeiten, Mittel für den Klimaschutz zu mobilisieren?

Es wird im politischen Raum ja schon seit einer Weile über eine Reform der Schuldenbremse an sich diskutiert. Dabei müsste klargestellt werden, dass die Aufnahme von Krediten nur für Investitionen möglich sein sollte, möglicherweise mit einer qualitativen und quantitativen Deckelung sowie mit Anreizen, damit eine zu laxe Handhabung nicht zu Missbrauch führt.

Das Gespräch führte Jürgen Theiner.

Zur Person

André Heinemann

ist seit 2013 Professor für "Bundesstaatliche und regionale Finanzbeziehungen" am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Universität Bremen. Am Institut Arbeit und Wirtschaft leitet er die Abteilung "Regionalentwicklung und Finanzpolitik". Heinemann ist Mitglied der Grünen.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)