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Bremer 100-Millionen-Projekt Campus für den Klimaschutz

Für die Klimawende braucht es Fachkräfte. Doch angesichts des Personalmangels in Schlüsselbranchen muss mehr für Aus- und Weiterbildung getan werden. Bremen will rund 100 Millionen Euro in ein Projekt stecken.
04.02.2023, 05:00 Uhr
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Campus für den Klimaschutz
Von Jürgen Theiner

Bremen hat sich für die nächsten Jahre ehrgeizige Ziele beim Klimaschutz gesetzt. Der Gebäudebestand soll saniert, die Nah- und Fernwärme ausgebaut, der Energieverbrauch der Industrie gesenkt werden. Diese Umstellungsprozesse kosten nicht nur viel Geld. Man braucht vor allem qualifizierte Kräfte, die dieses Mammutprogramm abarbeiten. Ohne Fachkräfte keine Energiewende – so einfach ist das. Doch genau da droht der Engpass.

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Damit der Klimaschutz nicht an der Verfügbarkeit qualifizierten Personals  scheitert, hat der Senat vor wenigen Tagen eine Fachkräftestrategie vorgelegt (wir berichteten). Kernstück soll ein Campus für Aus- und Weiterbildung werden, der von Berufsschulen, Handwerk und Industrie sowie überbetrieblichen Bildungsträgern gemeinsam genutzt wird. Inzwischen gibt es erste konzeptionelle Überlegungen zu dem Projekt, auch Vorstellungen zum Realisierungszeitraum. Die Kosten für das Zentrum werden überschlägig auf rund 100 Millionen Euro geschätzt.

26 Schlüsselberufe

Wie massiv sich der Fachkräftemangel mittelfristig bemerkbar machen kann, wenn politisch nicht gegengesteuert wird, hatte eine Studie des Prognos-Instituts im Auftrag der Bremer Arbeitnehmerkammer bereits vor zwei Jahren aufgezeigt. Die Forscher identifizierten 26 Schlüsselberufe, die bei der Umsetzung der Klimaschutzziele besonders gefragt sind. Darunter beispielsweise Metallbau und -bearbeitung, Mechatronik und Automatisierungstechnik, Heizungs- und Gebäudetechnik sowie Software-Entwicklung und Programmierung. Bei vielen dieser Berufsfelder ergaben die Hochrechnungen von Prognos, dass es ohne aktivierende Impulse schon 2030 eine erhebliche Unterdeckung des Fachkräftebedarfs geben wird. Das gilt etwa für Maschinenbau/Betriebstechnik, Bauplanung und -überwachung sowie Gebäudetechnik.

Schulungskapazitäten auf modernstem Niveau

Für Kai Stührenberg, Staatsrat im Bremer Arbeitsressort, ist Fachkräftemangel längst nichts mehr, was erst in der Zukunft droht. „Schon jetzt hindert die geringe Verfügbarkeit qualifizierten Personals manche Betriebe daran zu expandieren“, weiß Stührenberg aus seinem ständigen Dialog mit örtlichen Unternehmen. Unter den Bedingungen eines ambitionierten Klimaschutzprogramms werde sich der Engpass noch rasch verschärfen. Darauf müssten Politik und Wirtschaft mit einer Ausbildungsoffensive antworten. Eine zentrale Rolle ist dabei dem Aus- und Weiterbildungscampus zugedacht. Er soll Schulungskapazitäten für klimaschutzrelevante Berufe auf modernstem Niveau bündeln, beispielsweise in der Wasserstoff- und der Wärmepumpentechnik, und sie der Privatwirtschaft zur Verfügung stellen. Denn längst nicht alle Betriebe könnten solch technologisch anspruchsvolle Infrastruktur im eigenen Haus für Ausbildungszwecke bereitstellen. Das geplante Zentrum werde sicherlich gut ausgelastet sein, ist der Staatsrat überzeugt: „Morgens könnten dort Berufsschulen die Kapazitäten nutzen, mittags Betriebe und später dann freie Bildungsträger.“

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Wo die 100-Millionen-Euro-Investition umgesetzt werden soll, ist noch nicht geklärt. Es gibt aber Stimmen aus der Wirtschaft, die das Tabakquartier in Woltmershausen favorisieren. Für Stührenberg ist das eine denkbare Option. Zunächst soll für Planung und Begleitung des Aufbauprozesses ein fachlich versierter Dienstleister gewonnen werden. Eine entsprechende Ausschreibung wird gerade vorbereitet. Das Wirtschaftsressort hofft, dass bis Anfang nächsten Jahres eine Konzeption für den Campus vorliegt. „In Betrieb gehen könnte er wohl frühestens 2027“, schätzt Kai Stührenberg. Gegenwärtig werden nach seinen Worten viele vorbereitende Gespräche mit den Kammern und Unternehmen sowie der Bildungsbehörde geführt, die bei dem Vorhaben eng eingebunden ist.

Finanzierung gesichert

Die Finanzierung des Zentrums ist gesichert. Die Mittel sollen aus dem 2,5 Milliarden Euro umfassenden Klimapaket kommen, das der Senat Ende vergangenen Jahres geschnürt hatte und voraussichtlich im März endgültig von der Bürgerschaft beschlossen werden wird. Dieses Programm sieht eine sogenannte „Fastlane“, also Schnellspur für solche Klimaschutzprojekte vor, die eine besonders starke CO2-Einsparung versprechen, und zwar auf den Themenfeldern klimaschonende Wärmeversorgung, Ausbau CO2-freier Mobilität, energetische Sanierung öffentlicher Gebäude sowie Verzicht auf Kohle, Öl und Gas bei Stahlproduktion und Energieerzeugung. Das Aus- und Weiterbildungszentrum kommt mit auf die „Fastlane“.

Für Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) ist der geplante Campus ein zentrales Instrument, „um gute Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten und Bremen als Wirtschafts- und Industriestandort zukunftssicher weiterzuentwickeln“. Er verbessere die Rahmenbedingungen für örtliche Betriebe und liefere ansiedlungswilligen Unternehmen „ein starkes Argument für den Standort Bremen“, so Vogt.

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