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Landgericht Bremen Pflegehelfer wegen Mordverdacht an zwei Patienten vor Gericht

Ein 43-jähriger Altenpfleger steht vor Gericht, weil er in einem Bremer Pflegeheim zwei Patienten mit einer Überdosis Medikamente getötet haben soll. Ein zweiter Prozess wegen zwölf weiterer Taten soll folgen.
01.11.2023, 18:16 Uhr
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Pflegehelfer wegen Mordverdacht an zwei Patienten vor Gericht
Von Sara Sundermann

Er soll zwei Patienten durch eine Überdosis Medikamente getötet haben, in einem Pflegeheim in der Bahnhofsvorstadt. Die Anklage lautet auf Mord in zwei Fällen. Deshalb steht der Bremer Pflegehelfer Manuel W. vor Gericht. Die Hauptverhandlung hat an diesem Mittwoch am Landgericht begonnen.

Im Februar und April 2019 soll der 43-jährige Angeklagte zwei Pflegeheim-Bewohner getötet haben und dabei ihre Wehrlosigkeit ausgenutzt haben. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass es sein Motiv war, bewusst Notfälle zu erzeugen, um dann als Erster vor Ort zu sein und sich als Retter zu gerieren. Er soll beiden Heimbewohnern Medikamente verabreicht haben, im Fall des einen Bewohners eine Überdosis Insulin, in Fall des anderen unter anderem das Herz-Medikament Metoprolol.

Insulinspritze auf dem Nachttisch

Zum Prozessauftakt wurde auch der erste Zeuge vorgeladen: Der damalige Leiter des Pflegeheims in der Bahnhofsvorstadt, in dem die zwei Patienten ums Leben kamen. Er schilderte, dass es an einem Wochenende, an dem auch Manuel W. im Einsatz war, die Lage eines Bewohners so kritisch wurde, dass eine Wiederbelebung nötig wurde. Der Angeklagte habe bei der Reanimation unterstützt. Später habe eine Kollegin eine Insulinspritze auf dem Nachttisch gefunden. "Das fiel auf, weil der Bewohner nicht insulinpflichtig war", so der Einrichtungsleiter. Nach diesem Vorfall rückte aber offenbar nicht Manuel W., sondern eine ausgebildete Pflegekraft in den Fokus der Kritik, weil sie zum Zeitpunkt der Reanimation im Dienst, aber nicht auffindbar war. Dieser Fachkraft sei deshalb letztlich gekündigt worden, schilderte der Heimleiter.

Seine Zeugenaussage trug ansonsten wenig Konkretes zum Verhalten des Angeklagten bei, zumal der Einrichtungsleiter nach eigener Aussage wenig Kontakt zu Manuel W. hatte. Seine Schilderungen der Abläufe im Heim warfen aber ein Schlaglicht auf den Alltag in der Pflege.

Ein Pflegeheim, fünf Leiharbeitsfirmen

So beschrieb der Heimleiter den Personalmangel in der Einrichtung, und dass es darüber hinaus eine sehr große Personal-Fluktuation gegeben habe. Viele Pflegehelfer arbeiteten dort, also Beschäftigte, die keine examinierten Altenpfleger sind und eigentlich nur einfachere Aufgaben wie Waschen und Anziehen übernehmen sollen. „Es war immer schon eine Herausforderung, einen Anteil von 45 oder 46 Prozent Fachkräfte zu haben“, so der Leiter. Seine damalige Einrichtung habe ständig Personal gesucht und dafür mit fünf verschiedenen Leiharbeitsfirmen zusammen gearbeitet. Die entsandten Mitarbeiter hätten teils nur zwei oder drei Wochen in dem Heim gearbeitet.

Auch Manuel W. war ein Pflegehelfer. Er war bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt und arbeitete im Laufe der Zeit in verschiedenen Bremer Pflegeheimen. Er wurde von der Zeitarbeitsfirma zum Beispiel auch ins Klinikum Bremen-Nord entsandt.

Der Angeklagte steht nicht zum ersten Mal vor Gericht. Er wurde bereits 2020 wegen zwei ähnlicher Fälle verurteilt. Allerdings überlebten die zwei betroffenen Patienten damals, auch wenn eine Bewohnerin zeitweise in Lebensgefahr schwebte. Der Pfleger wurde damals wegen gefährlicher Körperverletzung und schwerer Misshandlung zu fünf Jahren Haft verurteilt und sitzt seitdem im Gefängnis in Oslebshausen.

Prozess wegen weiterer Mordvorwürfe zeichnet sich ab

Und schon jetzt ist klar, dass dies nicht der letzte Prozess gegen Manuel W. sein wird. Es könnte sich um eine Mordserie handeln. Bereits im Juli hatte die Staatsanwaltschaft bestätigt, dass in 27 weiteren Fällen gegen den Pflegehelfer ermittelt werde. Und jetzt sind bei der Staatsanwaltschaft noch zwei weitere Anklageschriften gegen den Mann eingegangen. Das sagt Landgerichtssprecher Jan Stegemann. Darin werde Manuel W. wegen zwölf Taten beschuldigt, darunter drei Mordfälle und neun Fälle, in denen es unter anderem um die Misshandlung Schutzbefohlener geht. Diese Taten soll Manuel W. in den Jahren 2010 und 2011 begangen haben, ebenfalls in einem Bremer Pflegeheim. Diese neuen Anklagen sollen laut Stegemann in einem gesonderten Prozess im kommenden Jahr verhandelt werden.

Der Fall des Manuel W. erinnert an die Morde des Pflegers Niels Högel, der wegen Mordes an mehr als 80 Patienten in Krankenhäusern in Oldenburg und Delmenhorst verurteilt wurde. Dies war die größte Mordserie der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Dokumentiert sind darüber hinaus weltweit und auch in Deutschland weitere Mordserien, bei denen Pflegekräfte in Heimen und Krankenhäusern Patienten töteten. In München gestand in diesem Jahr ein Pfleger vor Gericht, zwei Patienten getötet und es bei weiteren versucht zu haben. Und in Dänemark wurde eine Krankenschwester wegen Mordes an drei Patienten verurteilt.

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