Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Özlem Ünsal im Interview Bremer Verkehrssenatorin: Intakte Straßen und Brücken haben Vorrang

Bremens neue Verkehrssenatorin Özlem Ünsal (SPD) setzt sich vom Kurs ihrer grünen Vorgängerin ab: Intakte Straßen und Brücken haben Vorrang vor neuen Fahrrad-Premiumrouten.
17.02.2024, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Bremer Verkehrssenatorin: Intakte Straßen und Brücken haben Vorrang
Von Joerg Helge Wagner

Frau Ünsal, die Weserbrücken sind marode, die Straßenbahn AG ist eigentlich pleite – was bleibt von der Verkehrswende?

Özlem Ünsal: Erst einmal die Aufgabe einer Priorisierung mit dem Ziel, die Infrastruktur zu erhalten, und zwar als Voraussetzung für die Verkehrswende. Ich bin sehr froh, dass darüber in der Deputation Einigkeit erzielt werden konnte. Wir werden eine Verkehrswende ohne intakte Brücken nicht hinbekommen.

Konkret: Drei neue Fahrradbrücken, die Ihre Vorgängerin angekündigt hat, werden die Bremer in dieser Legislaturperiode noch nicht sehen?

So würde ich es nicht formulieren. Wir haben vier Punkte in der Vorlage genannt, und an erster Stelle die großen bestehenden Brücken. Ich nenne es die drei "E": erhalten, ertüchtigen und erneuern. Im Rahmen unserer verfügbaren Möglichkeiten natürlich auch Fußwege, Radwege und Fahrradbrücken mitdenken und auch ausgestalten. Wir werden die Fahrradbrücken nicht aufgeben.

Dafür, dass Sie der Brückensanierung Priorität einräumen, gibt es sogar Zustimmung von Opposition und Handelskammer. Aber reichen die vorgesehenen 9,3 Millionen Euro überhaupt aus? Und wie sieht der Zeitplan aus?

Wir gehen davon aus, dass wir die drei E mit diesen Mitteln bei der Bürgermeister-Smidt-Brücke und bei der Wilhelm-Kaisen-Brücke auch in angemessener Zeit realisieren werden. Unsere größte Herausforderung, quasi der Flaschenhals wird die Ressource Fachkräfte sein. Brückeningenieure und -planer sind rar auf dem Markt, da konkurrieren wir mit vielen anderen Bundesländern. Aber wir haben alle Vorbereitungen getroffen. 

Lesen Sie auch

Statt Infrastruktur zu erhalten, wurde viel Geld für „Transformartini“ in die Hand genommen oder für Fahrradpremiumrouten, die zum Teil neben bereits existierenden Fahrradspuren eingerichtet wurden, etwa am Wall. Beenden Sie jetzt die bisherige Fahrrad-First- und Anti-Auto-Politik?

Es ist ein ganz klarer Strategiewechsel. Wir justieren als sozialdemokratische Hausspitze seit einem halben Jahr neu. Wir sehen die dringende Notwendigkeit, hier, jetzt und sofort auf Erhalt der Infrastruktur zu setzen. Alles andere hängt elementar davon ab.

Was steht noch oben auf der Liste? Es sind ja nicht nur die Brücken.

Wir haben gerade eine Hochwasserlage hinter uns. Da müssen wir natürlich auch schauen, welche Auswirkungen die auf Fuß- und Radwege sowie Straßen hatte. Da sind wir noch mitten drin. Für reine Anpassungs- und Erhaltungsmaßnahmen haben wir bei den Straßen die Ansätze für 2024 und 2025 um rund 1,5 und 3,1 Millionen Euro auf insgesamt rund 23,4 und 25,1 Millionen Euro gegenüber 2023 erhöht. Die Straßen werden also nicht zu kurz kommen.

Wer manche Nebenstraßen befährt – durchaus auch in sogenannten besseren Vierteln – riskiert Schäden am Auto, sofern es kein SUV ist. Hier hat man backsteingepflasterte Wellenpisten entstehen lassen. Besteht Aussicht auf Besserung?

Wir stellen den Bedarf dort natürlich auch fest. Wir versuchen, alle Ressourcen zielgerichtet zusammenzuziehen. Gleiches gilt für die Unterführungen, etwa den Gustav-Deetjen-Tunnel. Dort haben wir bereits eine deutliche Verbesserung der Beleuchtung in der Planung, die Bundesfördermittel werden bereitstehen und von uns flankiert. Wir gehen davon aus, dass wir diesen Tunnel bereits im Herbst mit modernen LED-Leuchten ausstatten können. Das Konzept gleicht dem Findorff-Tunnel: Wenn es im Sommer ganz hell ist, wird es im Tunnel auch ganz hell, um den Blendeffekt zu vermeiden.

Lesen Sie auch

Bei den Straßenbaustellen hat man öfter den Eindruck, dass sie in kurzen Abständen immer wieder eingerichtet werden. Mangelt es an Koordination mit Hansewasser und Telekommunikationsdiensten?

An den Baustellen sind viele Akteure beteiligt. Um das Baustellenmanagement zu optimieren, sind wir bereits in intensiven Gesprächen, um alle Beteiligten stärker in kluges Baustellenmanagement einzubinden.

Die BSAG mit ihrem 150-Millionen-Defizit erweist sich als gewaltige Investitionsbremse – und durch das von Bremen mitfinanzierte Deutschlandticket wird sie weitere Stammkunden verlieren. Wie befreien Sie sich aus diesem Dilemma?

Eine Verkehrswende wird ohne ein starke und zukunftsfähige BSAG nicht stattfinden, also braucht sie ein Stabilisierungsprogramm. Ein Ausgleich des BSAG-Defizits ist im Haushaltsvorentwurf der Teil vor der Klammer. Und der braucht noch eine tragfähige Klärung, eine gemeinsame Lösung durch den Senat. Das gilt für die Gesundheit Nord (Geno) genau so. Das Deutschlandticket ist ein Erfolgsmodell, für das ich im Bund sehr erfolgreich gekämpft habe und zwar zum gleichen Preis. Den Länderanteil wollen wir ebenfalls sicherstellen. Ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingen wird.

Zudem fehlt es auch noch an Personal, das sich offenbar nur bei besserer Bezahlung halten oder gar anwerben lässt.

Das betrifft nicht nur die BSAG, sondern viele Bereiche. Es ist auch kein ressortspezifisches Problem unseres Hauses. Wir brauchen ganz dringend für ganz Bremen eine Idee davon, wie wir Fachkräfte generieren. Hier konkurrieren wir national. Es geht um Attraktivitätssteigerung, die Erschließung neuer Zielgruppen und einer klugen Gesamtstrategie, der wir uns ressortübergreifend annehmen müssen.

Ihre Bildungskollegin Sascha Aulepp hat mit "Back to school" ein Programm aufgelegt, dass gezielt um Quereinsteiger wirbt.

Ich denke über ganz viele unterschiedliche Modelle nach, auch über neue und innovative - selbstverständlich, ohne an der Qualität oder Sicherheit Abstriche zu machen. Eine große gemeinsame Aufgabe.

Lesen Sie auch

Die CDU sagt, für 2024 und 2025 fehlten Ihnen mindestens 130 Millionen Euro. Wie viel ist es denn nach Ihren Berechnungen?

Die Opposition zielt in erster Linie auf den BSAG-Defizitausgleich ab, den wir nicht über die Eckwerte des Ressorts abbilden können. Hier arbeiten wir senatsseitig an einer Lösung, ergänzend zum Stabilisierungsprogramm. Zudem schauen wir - anders als in der letzten Legislaturperiode - nicht mehr fast ausschließlich auf den Innenstadtbereich. Unsere Innenstadt bleibt unsere Visitenkarte, aber mein Bild für Bremen ist das Land der starken Quartiere. Der soziale Frieden wird sich auch an guten Straßen, Fuß- und Radwegen in Zentrumsferne zeigen. Auch das findet sich in unserer Haushaltsvorlage wieder.

Neben Verkehr und Mobilität fällt auch das Bauen in Ihre Zuständigkeit. Wie sehen hier die Ziele aus?

Wir bauen Bremen auch in der Krise. Dazu haben wir die Wohnraumförderung neu aufgestellt. Im Vergleich zu 2023 werden die Mittel 2024 um 15 Millionen Euro erhöht. Zudem haben wir die Kofinanzierung der Städtebauförderung abgesichert, das war kein Selbstgänger. In den Quartieren gibt es zusätzliche Mittel u.a. für Kattenturm, Lüssum, das Schweizer Viertel sowie im Bremer Westen. Zudem habe ich noch eine weitere News zu verkünden . . .

Wir sind gespannt!

Wir haben den bundesweiten Tag des Städtebaus nach Bremen geholt. Den werden wir am 4. Mai hier ausrichten. Die bundesweite zentrale Veranstaltung findet dann in Huckelriede gemeinsam mit der Bundesbauministerin und den Bürgerinnen und Bürgern dort statt.

Das ist in der Tat dezentral. Trotzdem noch eine Frage aus der Stadtmitte: Bleibt es dabei, dass der neue Fernbusbahnhof in den nächsten zwei Wochen eröffnet wird?

Ich bin guter Dinge, dass wir unsere Zeitplanung halten und in Kürze die Eröffnung einläuten.

Das Gespräch führte Joerg Helge Wagner.

Zur Person

Özlem Ünsal (49)

ist seit dem vorigen Juli Senatorin für Bau, Mobilität und Stadtentwicklung. Die SPD-Politikerin wurde im türkischen Kirikkale geboren und wuchs in Lübeck auf. Nach dem Studium der Politikwissenschaften, Soziologie und Psychologie in Kiel arbeitete sie dort zuletzt als Grundsatzreferentin im Sozialministerium Schleswig-Holsteins.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)