Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Ärzte fordern Restriktionen Mehr Schwerverletzte bei Unfällen mit E-Scootern in Bremen

Unfallchirurgen haben ein klares Muster bei E-Scooter-Unfällen festgestellt: Wer sich am häufigsten schwer verletzt, aus welchen Gründen, mit welchen Folgen – und wie E-Rollerfahren sicherer werden könnte.
02.06.2025, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Mehr Schwerverletzte bei Unfällen mit E-Scootern in Bremen
Von Sabine Doll
Inhaltsverzeichnis

E-Scooter sind praktisch und beliebt. Fast eine Million sind auf deutschen Straßen unterwegs, mehr als 200.000 als elektrische Leihroller. Aber sie sind nicht ungefährlich: Immer wieder gibt es Unfälle mit schweren Verletzungen. Eine aktuelle Studie der Technischen Universität München (TUM) zeigt, dass diese Unfälle deutschlandweit „klare Muster“ aufweisen. Auch Daten aus Bremer Kliniken fließen darin ein.

Welche Auffälligkeiten zeigt die Studie zu den Unfallopfern und den Umständen?

Seit 2020 werden E-Scooter-Unfälle mit Schwerverletzten im Traumaregister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie erfasst. In den ersten drei Jahren wurden laut TMU-Mitteilung 538 Menschen schwer verletzt, 26 Elektroroller-Fahrer kamen ums Leben. Hoher Männeranteil und häufig ist Alkohol im Spiel – dieses Risikoprofil der Schwerverletzten zeigt die Auswertung. Konkret waren 78 Prozent der Unfallopfer Männer, 62 Prozent hatten Alkohol im Blut, bei gut jedem Dritten (35 Prozent) lag der Blutalkoholspiegel über dem gesetzlichen Grenzwert von 0,5 Promille. Weitere Auffälligkeit: 54 Prozent der Unfälle mit Schwerverletzten ereigneten sich nachts, die Hälfte am Wochenende. Das Durchschnittsalter lag bei 44,3 Jahren. „Jüngere Männer sind deutlich häufiger betroffen, wenn man die Daten mit Informationen zu Unfällen mit Fahrrädern, Autos oder zu Fuß vergleicht“, sagte Michael Zyskowski, Mitautor der Studie und Unfallchirurgie-Oberarzt an der TUM. Bei schweren Unfällen mit Fahrrädern liege der Schnitt bei 54,5 Jahren.

Wie schwer sind die Verletzungen?

83 Prozent der Unfallopfer hatten laut Studie schwere Kopf- und Gesichtsverletzungen. Am häufigsten waren Blutungen im Gehirn, Schädelbasisfrakturen und Rippenbrüche. Mehr als 80 Prozent mussten auf der Intensivstation behandelt werden.

Lesen Sie auch

Welche Erfahrungen werden in Bremen gemacht?

Knut Müller-Stahl, Chefarzt der Unfall­chirurgie und Orthopädie im Klinikum Bremen-Mitte, kann die „klaren Muster“ bestätigen: „Wir sehen recht viele Scooter-Unfälle.“ Sehr häufig seien Frakturen im Gesicht, etwa der Augenhöhle und Nase, Rippen- und Armbrüche, relativ häufig auch im Kniegelenk- und Schienbeinkopfbereich, Kopfplatzwunden – und Schädelbasisbrüche mit Gehirnblutungen. „Man muss klar sagen: Über 60 Prozent haben eine Kopfverletzung, von leicht bis schwer. Der Kopf ist besonders gefährdet.“

Welches Problem sehen Mediziner als besonders gravierend?

Vor allem Alkoholeinfluss sei riskant, so TUM-Unfallchirurg Zyskowski in der „Süddeutschen Zeitung“. „Betrunkene stürzen in der Regel ohne Schutzreflexe, also ohne sich abzufangen, mit Körper und Gesicht auf den Boden – wie ein Baum“, sagt Zyskowski. „Meistens ist ein kleines Hindernis im Weg, da reicht schon ein niedriger Randstein von zwei oder drei Zentimetern, an dem man hängen bleibt, sodass man kopfüber nach vorne fällt.“

Wie viele Schwerverletzte gibt es in Bremen?

Die Zahl der Verkehrsunfälle mit E-Scootern ist 2024 landesweit um 48 auf 212 gestiegen – der höchste Wert seit ihrer Erfassung im Jahr 2020, zeigt die Statistik. „Auch die Zahl der Verunglückten ist deutlich gestiegen“, teilte der Senat mit: im Land Bremen von 98 auf 146, in der Stadt von 64 auf 102. In Bremerhaven ist sie bei 49 geblieben. Ein deutliches Plus gibt es auch bei den Schwerverletzten: landesweit von fünf auf 14, in Bremen von vier auf zwölf, in Bremerhaven von einem auf zwei Fälle.

Lesen Sie auch

Wie können Unfälle mit schweren Verletzungen verringert werden?

„Die Zahl müsste nicht so hoch sein“, ist Müller-Stahl überzeugt. „Man kann nicht jede Verletzung verhindern. Dass Menschen aber ihren Kopf nicht mit einem Helm schützen wollen, ist unverständlich. Der Kopf ist das Kapital.“ Unfallforscher Zyskowski wirbt für eine Helmpflicht wie in Italien oder Australien, die Leihfirmen müssen sie an den Rollern zur Verfügung stellen. Leih-Scooter seien für Schutzmaßnahmen gut geeignet, weil sie digital verwaltet würden: Die Verfügbarkeit könnte nachts und an Unfallhotspots reduziert, die Geschwindigkeit gedrosselt werden. In Oslo gilt für Mietroller zwischen 23 und 5 Uhr ein Fahrverbot, in Helsinki ist die Höchstgeschwindigkeit am Wochenende auf 15 Kilometer pro Stunde gedrosselt.

Wie kontrolliert die Bremer Polizei E-Scooter-Fahrer?

Neben gezielten Maßnahmen würden E-Scooter regelmäßig bei stationären Verkehrskontrollen mit dem Schwerpunkt „Alkohol und Drogen im Straßenverkehr“ kontrolliert, so Polizeisprecherin Franka Haedke. Immer wieder würden Auffälligkeiten festgestellt. „Überwiegend handelt es sich dabei nicht um Alkohol-, sondern um Betäubungsmittelkonsum.“ Auch bei Kontrollen insbesondere in den Abendstunden und im Bereich der Discomeile „werden immer wieder fahruntüchtige E-Scooter-Nutzer festgestellt“.

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)