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Wie weiter nach der Großdemo? Bündnis wünscht mehr Engagement gegen Diskriminierung im Alltag

Nach der erfolgreichen Demonstration "Laut gegen Rechts" ziehen die Organisatoren Bilanz und blicken in die Zukunft. Wird es weitere Aktionen geben und wie geht es für die Aktivisten weiter?
22.01.2024, 19:00 Uhr
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Bündnis wünscht mehr Engagement gegen Diskriminierung im Alltag
Von Timo Thalmann

Weitere Groß-Demonstrationen wird es erst einmal nicht geben. „Jedenfalls nicht von unserem Adhoc-Bündnis“, sagt Nuria Fischer. Sie ist eine der Verantwortlichen für die Organisation der Demo „Laut gegen Rechts“, die am Sonntag rund 40.000 Teilnehmer auf dem Domshof und den angrenzenden Straßen und Plätzen versammelte. Susanne Jahnke und Lukas Röber hatten nur eine Woche zuvor mit ihrem Aufruf dazu den Anstoß gegeben. Beide waren als politische Aktivisten bislang nicht in Erscheinung getreten, auch wenn Röber Mitglied der SPD ist. Als Privatpersonen haben sie die Demo nach eigenem Bekunden "aus einem spontanen Impuls heraus" angemeldet

Einen Tag nach der Versammlung ziehen Macher und Macherinnen, die sich anlässlich der Demo zusammengefunden hatten, Bilanz und schauen nach vorne. Das sind neben Röber und Jahnke in gewisser Weise knapp ein Dutzend Politprofis. In ihrer Selbstbeschreibung sehen sie sich als Vertreter von Gruppen und Organisationen, die sich „seit langer Zeit mit den Themen Ableismus (Behindertenfeindlichkeit), Rassismus, Trans- und Queerfeindlichkeit, Antisemitismus und Altersdiskriminierung“ befassen. Es sind diejenigen, die unmittelbar von Ausgrenzungen und Anfeindungen nicht nur Rechtsextremer betroffen sind.

Feine Sensorik für Alltagsdiskriminierung

Sie haben aufgrund ihrer Erfahrungen empfindliche Sensoren für Diskriminierung im Alltag entwickelt. „Das sind unbeschreiblich viele Kleinigkeiten, die jemand mit weißer Hautfarbe gar nicht bemerkt“, sagt Ela Fischer. Sie war bei der Demo am Sonntag eine der Sprecherinnen auf der Bühne, denn das war ein Konzept der Veranstaltung: denjenigen eine Stimme zu geben, die sonst keine Bühne haben.

Darum gab es auch keine Ansprachen mehr oder weniger bekannter Berufspolitiker aus Bremen, aus deren Reihen es sehr wohl Interesse gab, eine Rede auch auf diesem Podium zu halten, wie Jahnke durchblicken ließ. „Wir sind jedoch übereinstimmend der Meinung gewesen, dass diese Gruppe zahlreiche Gelegenheiten und Rednerpulte hat, um sich zu positionieren“, sagt Gülcan Yoksulabakan-Üstüay, die die Veranstaltung am Sonntag moderiert hatte. Zugleich wolle man nicht falsch verstanden werden. Man schätze jede Stimme gegen den Faschismus aus der Berufspolitik.

Gleichgültigkeit als Gefahr

Der ehemalige Bremer Behindertenbeauftragte Joachim Steinbrück weitete diese Wertschätzung auch auf die Teilnehmer aus. „Es ist gut, wenn jetzt viele eher bürgerliche Menschen, die womöglich noch nie zuvor auf einer Demonstration waren, endlich Flagge gegen Rechtsextremismus zeigen.“ Die Zivilgesellschaft müsse sich klar positionieren. Gleichgültigkeit sei eine große Gefahr.

Gleichwohl zeigt sich Ela Fischer etwas enttäuscht, dass immer erst etwas passieren müsse, bevor die Gesellschaft auch in ihrer Breite in Bewegung kommt. In diesem Fall war es das vom Recherchezentrum „Correctiv“ enthüllte Treffen von Rechtsextremisten in Potsdam. Bei dem Treffen, an dem unter anderem AfD-Politiker teilgenommen hatten, waren Pläne für eine mögliche „Remigration“ diskutiert worden, also die Ausweisung Menschen ausländischer Herkunft. „Niemand von uns war davon überrascht“, sagt Fischer. Steinbrück bewertet das Treffen aus Sicht des politischen Aktivisten indes als den Tropfen, der das Fass für viele offenbar zum Überlaufen brachte, sodass sie nun erstmals auf die Straße gehen.

Offen ist, wie es nach der Demo für die Macher und Macherinnen weitergeht. Sie soll kein einmaliges Strohfeuer gewesen sein, doch zugleich will etwa Lukas Röber die Erfahrungen der vergangenen Tage „erst mal sacken lassen.“ Yoksulabakan-Üstüay wünscht sich, dass mehr Menschen auch im Alltag Diskriminierung bemerken und dagegen laut werden. „Das ist unbequem und vielleicht auch unangenehmer, als auf eine Demonstration zu gehen, aber es ist ein wichtiger Teil des Engagements gegen rechts.“ Alltägliche Diskriminierung sei die Leiter, die zum Faschismus führe. In dieser Hinsicht machten ihr die mehr als 40.000 Teilnehmer in Bremen und mehrerer Hunderttausend bundesweit Mut. „Wenn man bedenkt, wie viele Einwohner Bremen hat, dann sind es immer noch nicht viele, wenn man aber bedenkt, was 40.000 Wählerstimmen in Bremen bewegen können, dann waren es am Sonntag sehr viele Menschen.“

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