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Offene Jugendarbeit Bremer "Freizis" sollen mehr Geld erhalten

Bremens Sozialsenatorin Claudia Schilling (SPD) reagiert auf Proteste und stellt mehr Geld für offene Jugendarbeit in Aussicht. Den Trägern reicht das nicht. Sie sehen die Arbeit in den Stadtteilen gefährdet.
10.02.2024, 05:00 Uhr
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Bremer
Von Jürgen Theiner

Gekürzte Öffnungszeiten in Jugendhäusern, gestrichene Projekte, drohender oder sogar schon vollzogener Personalabbau bei Sozialpädagogen und Unterstützungskräften: Die schlechten Meldungen aus der offenen Jugendarbeit (OJA) in den Stadtteilen rissen in den vergangenen Wochen nicht ab. Zuletzt hatte unter anderem das "Freizi" in der Parkallee seine Angebote reduziert. Auch die Kinder- und Jugendfarm Habenhausen sieht sich in ihrer Existenz bedroht.

Hintergrund ist die angespannte Haushaltslage. Ganz allgemein gilt: Bremen kann in diesem Jahr insgesamt zwar etwas mehr Geld ausgeben als 2023, die geringen Zuwächse werden durch Inflation und hohe Lohnkostensteigerungen aber mehr als aufgezehrt. Faktisch gibt es ein Minus. Zudem existiert für 2024 noch kein vom Parlament beschlossener Haushalt. Das wird sich voraussichtlich erst im Sommer ändern. Bis es so weit ist, müssen sich Organisationen wie das DRK oder Petri und Eichen, die Jugendfreizeitheime und andere Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe betreiben, mit Abschlagszahlungen auf dem Niveau von 2023 begnügen. Letztlich sogar mit weniger, denn pro Monat gibt es bis auf Weiteres nur ein Vierzehntel des Vorjahresbudgets – nur auf besonderen Antrag ein Zwölftel.

Aus Sicht der Jugendhilfeträger ist das keine ausreichende Basis für eine uneingeschränkte Fortsetzung der bisherigen Aktivitäten. Deshalb der Abbau von Personal, deshalb auch die zurückgefahrenen Öffnungszeiten. In den vergangenen Wochen haben die betroffenen Organisationen in der Öffentlichkeit massiv mobilisiert. Dieser Druck auf die Politik hat nun zu einem Teilerfolg geführt. Die Sozialbehörde von Senatorin Claudia Schilling (SPD) hat im Zuge der senatsinternen Haushaltsvorbereitungen für 2024 zusätzliche 719.000 Euro für die OJA locker gemacht (bisheriger Ansatz: 10,1 Millionen Euro). Darüber hinaus sind auch im regulären Haushalt Mehrausgaben von rund 134.000 Euro für laufende Ausgaben eingeplant. Aufgestockt werden zudem die Investitionsmittel (eine Million statt zunächst 735.000 Euro). Senatorin Schilling sah darin am Donnerstag in der Sozialdeputation einen Erfolg. Mit den zusätzlichen Geldern sei es möglich, "Kostensteigerungen in der Kinder- und Jugendarbeit abzufedern", zeigte sich Schilling überzeugt.

Fachkräfte könnten verloren gehen

Ist das die erlösende Nachricht, auf die die Jugendhilfeträger gehofft hatten? Nicht wirklich, hört man von dort. Akteure wie Sara Dahnken, Leiterin des Bereichs Jugendförderung beim DRK, würdigt zwar grundsätzlich, dass sich Claudia Schilling bewegt hat. "Für jeden der betroffenen Stadtteile sind das aber nur knapp 38.000 Euro jährlich. Und mancherorts fehlen jetzt schon 200.000 bis 300.000 Euro, um bei der Jugendarbeit den Status quo zu halten", macht Dahnken geltend.

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Zu den Stadtteilen, die aufgrund ihrer Bevölkerungsstruktur einen hohen Bedarf an Jugendbetreuung haben, zählt Huchting. Dort gibt es eine ganze Reihe von  Einrichtungen, die anerkannt gute Arbeit leisten. Neben dem "Freizi" an der Obervielander Straße sind das unter anderem der Mädchentreff in der Amersfoorter Straße, die Stadtteilfarm und die Jungengruppen des Trägers Petri und Eichen. Ortsamtsleiter Christian Schlesselmann befürchtet: "Hier im Stadtteil werden die Träger ihre Angebote im bisherigen Umfang nicht aufrechterhalten können." Dazu reiche das jetzt in Aussicht gestellt Plus einfach nicht. Dabei sei der Bedarf an einschlägigen Angeboten "wahnsinnig hoch". Schlesselmann warnt: "Wenn jetzt Fachkräfte nicht weiterbeschäftigt werden können, wird man die später nicht mal eben zurückholen können." Die Jugendarbeit im Stadtteil werde dauerhaft beschädigt.

Petri und Eichen zumindest will das Engagement in Huchting vorerst nicht zurückfahren – auch wenn die zusätzlichen Gelder das Loch nicht stopfen. Geschäftsbereichsleiter Faro Tuncel sagt, man gehe ins Risiko, um die Arbeit aufrechtzuerhalten. Wie andere Jugendhilfeträger auch hoffe Petri und Eichen, dass die Sozialbehörde einwilligt, für 2024 eingeplante investive Mittel für die Jugendhäuser in Personalausgaben umzuschichten. Das fordert auch Sara Dahnken, wenn sie sagt: "Wir brauchen gerade keine neue Couch, wir brauchen Personal."

Verlässliches Budget gefordert

CDU-Jugendpolitikerin Hetav Tek sieht die Nachbesserung des Budgets durch die Sozialbehörde im Grundsatz positiv. "Der Wille ist da", bescheinigt sie Schilling.  "Ich begrüße es, dass sich das Ressort die Proteste zu Herzen genommen hat." Gut sei auch, dass nun das gesamte System der Jugendförderung auf den Prüfstand gestellt werden soll. Gebraucht wird aus Teks Sicht ein verlässliches Wachstum der Ausgaben, damit die Jugendhilfeträger Planungssicherheit über längere Zeiträume haben.

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Dass der Bedarf an niedrigschwelligen Angeboten für Jugendliche weiter zunimmt, darüber herrscht parteiübergreifend Einigkeit. Das hat auch mit der ungebrochenen Zuwanderung zu tun. "Ohne unser Freizi hätten wir die Situation 2016, als plötzlich in größerer Zahl jugendliche Flüchtlinge hierher kamen, nicht gemeistert", sagt der Sprecher des Jugendausschusses im Borgfelder Beirat, Alexander Keil (SPD). Mit der absehbaren Eröffnung einer neuen Flüchtlingsunterkunft im früheren "Borgfelder Landhaus" müssten die Anstrengungen gesteigert werden. Das Gegenteil sei aktuell der Fall. Das örtliche "Freizi" habe seine Öffnungszeiten auf drei Nachmittage pro Woche herunterfahren müssen. Keil: "Aus meiner Sicht ist das eine Katastrophe."

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