Weser-Kurier: Herr Hellpap, am 8. März findet in Bremen ein Fachtag Opferschutz statt, Sie selbst sind Landesopferbeauftragter – warum ist Opferschutz so wichtig?
Uwe Hellpap: Unser Rechtssystem ist sehr auf den Täter ausgerichtet. Das soll keine Kritik sein, aber es ist einfach so, dass das Opfer aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden in erster Linie ein "Beweismittel" ist, wie andere Beweismittel auch. Das Opfer soll sagen, was passiert ist. Wie es ihm damit geht oder hinterher damit geht, steht nicht gerade im Mittelpunkt der Strafverfolgung. Insofern verstehe ich Opferschutz als eine gewisse Hinwendung zum Opfer. Die Opfer, also die Betroffenen von Straftaten, mehr in den Fokus nehmen. Was möchte das Opfer gerne, was sind dessen Bedürfnisse?
Es gibt aber schon sogenannte Prozessbegleiter in Bremen?
Ja, davon haben wir inzwischen neun. Die Besonderheit dabei ist aber, dass diese Begleiterinnen mit den Opfern nicht über die Tat sprechen, es geht ihnen nicht um Therapie. Ihr Arbeitsprinzip lautet, die Opfer in den Gerichtssaal zu begleiten. Man geht mit hin, erklärt allgemein, wie ein Strafprozess abläuft, kann vielleicht vorher schon einmal den Gerichtssaal besuchen, um Ängste und Hemmungen abzubauen.
Und was kommt nach dem Prozess?
Da werden Opfer, nachdem sie vor Gericht sozusagen ihre Rolle gespielt haben, so ein wenig alleine gelassen. Zumindest, wenn sie dann nicht selber aktiv werden und sich Hilfe suchen, was aber viele nicht können. Auch dem soll mit dem Opferschutz entgegengewirkt werden.
Wie ist es generell um den Opferschutz in Bremen gestellt?
Ich finde ganz gut. Das ist natürlich auch der Vorteil eines Stadtstaates. Wir haben zahlreiche spezialisierte freie Träger. Bei den Opfern sexualisierter Gewalt ist Bremen in dieser Hinsicht zum Beispiel sehr gut aufgestellt. Es gibt aber immer wieder neue Zielgruppen und entsprechende Projekte.
Zum Beispiel?
Es gibt jetzt ein Projekt, das sich um Obdachlose kümmert, die Opfer von Straftaten wurden. Da geht es um eher niedrigschwellige Hilfsangebote, denn die gehen wahrscheinlich nicht irgendwo hin und ziehen in einer Behörde eine Wartenummer. Auf diese Menschen muss man aktiv zugehen. Genau das ist ja der neue Ansatz hinter den Opferschutzstrukturen in allen Bundesländern. Dass der Staat nicht einfach sagt: Wir haben hier ein Amt, da kann man einen Antrag stellen. Sondern, dass es Menschen gibt, die gut vernetzt sind, die sich auskennen und von sich aus auf die Opfer zugehen. Sie sozusagen an die Hand nehmen und ihnen aufzeigen, welche Hilfe es geben kann.
Wozu in diesem Kontext ein Fachtag Opferschutz?
Wie gesagt, wir haben viele Opfervereine. Und manche kennen sich untereinander. Aber nicht alle. Schön wäre, wenn es durch so einen Fachtag zu einem stärkeren Kennenlernen kommt, zu einer intensiveren Vernetzung. Die Idee dahinter ist, dass die Opfer künftig noch besser dorthin geleitet werden, wo sie gut aufgehoben sind. Auf dem Fachtag soll aber auch Neues vorgestellt werden. Der polizeiliche Opferschutz hat sich zum Beispiel in Bremen gerade neu aufgestellt. Die Hochschule für Öffentliche Verwaltung wird über neue Forschungen berichten, die psychosoziale Prozessbegleitung wird auch dabei sein, der Weiße Ring, das Versorgungsamt, die Unfallkasse ... Wir haben über 80 Teilnehmer und ich erhoffe mir einen fruchtbaren Dialog aller Beteiligten.
Es gibt auch eine politische Diskussionsrunde?
Die bildet den Abschluss der Tagung, besetzt mit den Mitgliedern des Rechtsausschusses. Auch hier wird es hoffentlich zum Dialog kommen, vor allem mit den Vereinen, die in diesem Bereich tätig sind: Was wünschen sich diese Vereine, welche Kritik gibt es, welche Anregungen? Vielleicht auch in Hinblick auf die Frage, wie die Parteien sich dazu stellen, wie es nach der Wahl mit dem Opferschutz in Bremen weitergehen soll.
Sie spielen auf einen besonderen Passus im Opferanlaufstellengesetz an?
Ja, auch das ist ein Punkt. Das Gesetz ist die Grundlage für den Opferbeauftragten, hat aber eine zeitliche Befristung zum 31. Dezember 2023. Wenn nichts passiert, läuft dieses Gesetz aus. Dann wäre Bremen das einzige Bundesland, das den Landesopferbeauftragten wieder abschafft.