Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Offshore-Terminal Bremerhaven OTB: Rückhalt für Günthner schwindet

Der Offshore-Terminal Bremerhaven steht auf der Kippe, und das nicht erst seit der Entscheidung des Bremer Verwaltungsgerichts vom Mittwoch. Auch politisch gerät das Projekt nun in die Bredouille.
20.05.2016, 00:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
OTB: Rückhalt für Günthner schwindet
Von Jürgen Hinrichs

Der Offshore-Terminal Bremerhaven steht auf der Kippe, und das nicht erst seit der Entscheidung des Bremer Verwaltungsgerichts vom Mittwoch. Auch politisch gerät das Projekt nun in die Bredouille.

Es war vor sechs Jahren, ein Frühsommertag in Bremerhaven, der Wind wehte, die Sonne schien. Auf dem Deich am Blexer Bogen stand ein gut gelaunter Martin Günthner, der damals erst wenige Monate im Amt war, aber schon ein großes Projekt stemmen wollte: Den Bau eines neuen Hafens, und zwar genau hier, an dieser Stelle, wo Günthner sich zu einem Pressegespräch verabredet hatte. 250 Millionen Euro, sagte er, wird der Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB) kosten. Das Geld komme von privater Seite, und ein Privater werde es auch sein, der den Hafen betreibt. So war das, das war der Plan.

Und heute?

Mittlerweile ist es das Land Bremen selbst, das mit dem OTB ins Risiko geht. Ein privater Investor ließ sich partout nicht finden. Als Ausgleich dafür senkte man auf wundersame Weise die Kosten: Keine 250 Millionen Euro mehr, sondern nur noch 180 Millionen Euro. Weil sich auch für den Betrieb niemand interessierte, soll diesen Part jetzt das bremische Logistikunternehmen BLG übernehmen. Kurzum: Aus einem privaten Projekt wurde ein staatliches.

Wichtiges wirtschaftspolitisches Projekt

Wie es scheint, hilft das aber auch nicht. Der OTB steht auf der Kippe, und das nicht erst und nicht allein wegen der Entscheidung des Bremer Verwaltungsgerichts vom Mittwoch. Die Richter gaben den Umweltschützern recht und verhängten einen Baustopp.

Hört man in die rot-grüne Koalition hinein, ist der Wille nicht mehr besonders stark, am OTB festzuhalten. Gegner des Projekts gab es in den beiden Fraktionen von Anfang an. Es waren gar nicht mal wenige, nur trauten sie sich nicht, mit breiter Brust und guten Argumenten in der Öffentlichkeit aufzutreten und das wichtigste wirtschaftspolitische Projekt der vergangenen Jahre infrage zu stellen.

Fraktionszwang, Koalitionsräson, die Befindlichkeiten von Bremerhaven, und ein Wirtschaftssenator aus ebendieser Stadt, der politisch ohnehin bereits angeschlagen ist – eine Gemengelage, die Mut erfordert, sich klar zu positionieren, auch wenn die Abgeordneten eigentlich jede Freiheit haben, das zu tun.

Bundesregierung deckelt Offshore-Windenergie

Doch nun brechen offenbar die Dämme. Noch nicht in der Öffentlichkeit, aber im Vertrauen wird klar gesagt, dass Schluss sein muss mit dem OTB. „Nicht sofort, aber Schritt für Schritt“, wie es jemand aus dem Grünen-Lager formuliert. Offiziell teilt die Partei mit, dass jetzt analysiert werden müsse, ob der geplante Schwerlasthafen weiterhin Chancen auf eine erfolgreiche Entwicklung hat.

„Die Entscheidung des Gerichts könnte zu einer Verzögerung führen und Bremerhaven im Wettbewerb mit anderen Offshore-Standorten weiter zurückwerfen “, erklärt Grünen-Fraktionsvorsitzende Maike Schaefer. Hinzu komme, dass die Bundesregierung den Ausbau der Offshore-Windenergie weiterhin deckeln wolle.

Lesen Sie auch

Schwierig, bei solchen Rahmenbedingungen die ursprünglichen Pläne aufrechtzuerhalten. Schaefer: „Schließlich ist eine Investition von 180 Millionen Euro für ein Haushaltsnotlageland sehr viel Geld.“ Das ist noch ein wenig verblümt, im Grunde aber doch schon eine Absage.

In der SPD ist es dem Vernehmen nach so, dass kaum jemand aus der Schar der Abgeordneten aus Bremen noch an den OTB glaubt. „Nur die Kollegen aus Bremerhaven halten daran fest“, sagt einer der Parlamentarier. Er wolle demnächst mit anderen aus seiner Fraktion aus der Deckung gehen, kündigt der SPD-Mann an. „Da wird ein toter Gaul geritten, von dem man endlich runter muss.“ Dass damit möglicherweise der Wirtschaftssenator beschädigt wird, immerhin ein Mann aus der eigenen Partei, lässt ihn erkennbar ungerührt.

Gelände vom Flugplatz Luneort

Auffällig, dass die SPD keine öffentliche Stellungnahme abgibt. Der Umwelt- und Bausenator trotz Anfrage übrigens auch nicht. Joachim Lohse (Grüne) hatte sich in seiner Partei vehement für den OTB eingesetzt. „Wir überlassen die Kommentierung dem Wirtschaftssenator“, hieß es am Donnerstag aus dem Lohse-Ressort. Unterstützung für Günthner und sein OTB-Projekt sieht anders aus.

Der Bürgermeister allerdings war für ein paar Sätze zu gewinnen: „Der OTB und die gewerbliche Entwicklung des dahinter liegenden Gebietes ist ein ganz wichtiges energie- und wirtschaftspolitisches Projekt für unser Land“, sagt Carsten Sieling (SPD). Es gehe nicht nur um viele hundert Arbeitsplätze. Der OTB sei auch ein wichtiges Klima-Projekt. „Wichtig ist jetzt, den Beschluss des Verwaltungsgerichts genau zu prüfen. Dann werden wir im Senat über die weiteren Schritte beraten.“

Lesen Sie auch

Die CDU-Fraktion hat in der Bürgerschaft eine Aktuelle Stunde zu dem Thema beantragt. Sie hielt in den vergangenen Monaten weitgehend still, obwohl dem Wirtschaftssenator zum Beispiel bei der Frage der Schließung des Flugplatzes Luneort, dessen Gelände für den OTB benötigt wird, schwere Fehler unterlaufen waren. Die CDU ist mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Thomas Röwekamp an der Spitze ein Verfechter des Schwerlasthafens. Röwekamp kommt wie Günthner aus Bremerhaven, was eine Rolle spielen dürfte.

"Politische Verantwortung des Senats"

Sollte die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Bestand haben, müsste das gesamte Verfahren neu aufgerollt werden. Die Richter meinen, dass der Bund den Planfeststellungsbeschluss hätte herbeiführen müssen und nicht, wie geschehen, das Land. Unter solchen Umständen, so die Einschätzung der CDU, wäre das Projekt nicht mehr realisierbar.

„Spätestens dann stellt sich die Frage nach der politischen Verantwortung des Senats für das Scheitern dieses wirtschaftspolitisch so wichtigen Infrastrukturprojekts“, erklärt Jörg Kastendiek, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion und Vorsitzender seiner Partei. So oder so sei der Wirtschaftssenator bereits „grandios gescheitert“ – in dem Bemühen nämlich, mit der Umweltorganisation BUND eine Kompromisslinie zu fahren. Auf der Klage des BUND beruht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

Die Linken-Fraktion in der Bürgerschaft findet den Baustopp folgerichtig, wie es in einer Mitteilung heißt. „Der OTB wurde von der wirtschaftlichen Entwicklung und den energiepolitischen Entscheidungen längst überholt“, sagt Nelson Janßen, Abgeordneter aus Bremerhaven und umweltpolitischer Sprecher seiner Fraktion.

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)