Nach dem gerichtlich verfügten Baustopp für den geplanten Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB) schwindet in der rot-grünen Regierungskoalition die Unterstützung für das 180-Millionen-Projekt.
Die Grünen-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft stellte den Bau am Donnerstag infrage. „Angesichts der drohenden Veränderungen muss jetzt analysiert werden, ob der OTB weiterhin Chancen auf eine erfolgreiche Entwicklung hat“, sagte Fraktionschefin Maike Schaefer.
Auch in der SPD-Fraktion der Bürgerschaft gibt es offenbar immer weniger Rückhalt für das Vorhaben, an der Wesermündung einen Schwerlasthafen zur Verschiffung von Windkraftanlagen auf hoher See zu errichten. „Nur die Kollegen aus Bremerhaven halten daran fest“, sagte ein Parlamentarier dem WESER-KURIER. „Da wird ein toter Gaul geritten, von dem man endlich runter muss.“
Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) bezeichnete den geplanten Schwerlasthafen zur Verschiffung von Windkraftanlagen auf hoher See dagegen als „ganz wichtiges energie- und wirtschaftspolitisches Projekt“. Wichtig sei jetzt, den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen genau zu prüfen. „Dann werden wir im Senat über die weiteren Schritte beraten.“
Das Gericht hatte am Mittwoch nicht nur einen Baustopp angeordnet, sondern auch auf gravierende Mängel bei der Planung verwiesen. Damit gab es einem Eilantrag des Umweltverbands BUND statt, der den OTB für überflüssig hält und in ihm einen zu großen Eingriff in die Natur sieht.
Nach Einschätzung der Richter wäre der Bund für den Planfeststellungsbeschluss zuständig gewesen – und nicht das Land Bremen. Das Wirtschaftsressort der Hansestadt argumentiert nun, bereits zu Beginn des Verfahrens sei die Frage mit der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes geklärt worden. Tatsächlich hatte die Behörde in einem Schreiben vom Juni 2010 mitgeteilt, dass eine Zuständigkeit des Bundes „nicht begründet werden“ könne. Der Brief der Wasser und Schiffahrtsdirektion Nordwest liegt dem WESER-KURIER vor. Sollte sich nun im weiteren Verfahren bestätigen, dass die Planung des OTB komplett neu aufgerollt werden muss, dürfte das Hafenprojekt nicht mehr zu retten sein.
Nach wie vor hat sich das Wirtschaftsressort nicht festgelegt, ob Senator Martin Günthner (SPD) Beschwerde gegen den Gerichtsbeschluss einlegt. Sollte er dies tun, würde sich das Oberverwaltungsgericht mit dem Eilantrag befassen. Zu einer Entscheidung im Hauptverfahren könne es „möglicherweise noch in diesem Jahr“ kommen, sagte eine Gerichtssprecherin.
Günthner selbst hat sich bislang noch nicht zu der juristischen Niederlage geäußert. Der Bremerhavener hatte sich von Beginn an für den OTB stark gemacht. Ein Scheitern des Projekts wäre für ihn ein komplettes politisches Fiasko.
CDU-Landeschef Jörg Kastendiek kritisierte, die früheren Absprachen des Senators mit dem BUND seien „grandios gescheitert“. Er forderte den Senat dazu auf, unverzüglich mit einer Beschwerde gegen den Gerichtsbeschluss vorzugehen. Es müsse alles daran gesetzt werden, den Schwerlasthafen „zeitnah zu realisieren“, so Kastendiek. „Auch wenn es vielleicht einige in den Regierungsreihen geben mag, die den OTB nun schnell in der Schublade verschwinden lassen wollen.“
Auch die Liberalen übten scharfe Kritik. Mit dem Baustopp habe das „das Versagen des Senats bei der Realisierung OTB einen traurigen Höhepunkt“ erreicht, sagte der hafenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Hauke Hilz. Die Handelskammer sprach von einem „herben Schlag“ für den Offshore-Standort Bremerhaven. Vom Logistikkonzern BLG hieß es, das Unternehmen hoffe sehr, dass mit der Gerichtsentscheidung „nicht ein ebenso langwieriger Instanzenprozess begonnen wurde wie dies bei den Entscheidungen zur Weser- und Elbvertiefung der Fall ist“.