Miriam Rusch kann jetzt Lehrerin werden, ohne komplett neu studieren zu müssen. Die 41-Jährige ist Diplom-Sozialpädagogin. Sie soll künftig Sachunterricht an Bremer Grundschulen unterrichten können. Möglich wird dies durch ein neues Quereinstiegs-Programm namens "Back to School". Mit diesem Programm lässt Bremen jetzt Lehrkräfte mit nur einem Unterrichtsfach zu und bildet sie berufsbegleitend weiter. Bisher musste man zwei Fächer studiert haben, um hier unterrichten zu können.
Miriam Rusch ist eine der ersten Ein-Fach-Lehrkräfte, die nun starten. Seit Mittwoch vergangener Woche belegen die ersten sechs Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger dieser Art einen Kompaktkurs in Pädagogik am Landesinstitut für Schulen. Ab 15. März sollen sie an verschiedenen Schulen der Stadt im Einsatz sein. Das Programm ist Teil eines Maßnahmenpakets gegen den Lehrermangel. Laut Bildungsbehörde sollen bis nach den Sommerferien rund 70 Ein-Fach-Lehrkräfte in Bremen im Einsatz sein. In der kommenden Woche sollen zunächst vier weitere Personen starten, im April etwa 20 weitere.
Auch Hande Akin gehört zu den Quereinsteigerinnen. Die 29-Jährige hat in der Türkei Englisch auf Lehramt studiert und dort an Privatschulen unterrichtet. In der Türkei studieren angehende Lehrer – wie in vielen Ländern – nur ein Fach. Seit vier Jahren lebt Hande Akin in Deutschland und hat in Bremen "Englischsprachige Kulturen" studiert. "Es war mein Wunsch, wieder als Lehrerin zu arbeiten", sagt sie. Nun startet sie Mitte März an einer Grundschule in Tenever.
Im Dezember hatte Bildungs-Staatsrat Torsten Klieme mit einer neuen Task-Force für Personal- und Unterrichtsversorgung (TPU) ein Maßnahmenpaket gegen den Lehrermangel angekündigt. Zu Beginn des Schuljahres konnten in der Stadt Bremen an die 100 Lehrerstellen nicht besetzt werden, in Bremerhaven blieben 70 Stellen unbesetzt. In der Folge brach im Herbst an einigen Bremer Grundschulen der Ganztag streckenweise zusammen. Es folgten Hilferufe aus Schulen in Gröpelingen und Blumenthal.
Weitere Bewerbungen willkommen
Ein zentrales Element des Hilfspakets für die Schulen war das Programm für die Ein-Fach-Lehrkräfte. Für sie wurden 50 Stellen ausgeschrieben. Bisher sind mehr als 200 Bewerbungen beim Bildungsressort eingegangen. Am Ende könnten auch mehr als die bisher gefundenen 70 Personen eingestellt werden. "Ich bin überwältigt, dass wir so viele zusätzliche Menschen gewinnen, die Lust haben, die Kinder in unseren Schulen zu unterrichten, um ihnen die besten Zukunftschancen zu geben", sagt Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD). "Und wir haben noch Platz: Wir freuen uns auf jede weitere Bewerbung!" Die Quereinsteiger würden nicht alleine gelassen, betont die Senatorin: "Sie werden berufsbegleitend weiter qualifiziert, und auch die Schulen werden dabei unterstützt.“
Den Quereinsteigern sollen voll ausgebildete Lehrkräfte als Mentoren zur Seite stehen. Ab 15. März sei zunächst "Tandem-Teaching" angesagt, erzählt Miriam Rusch. Das heißt, die Neuen stehen zusammen mit einer erfahrenen Lehrerin in der Klasse. Die Mentoren müssen dafür zwei Stunden pro Woche weniger unterrichten.
Rusch hat nicht auf Lehramt studiert, aber schon viel Erfahrung an Schulen gesammelt: "In Hamburg habe ich Vorschulklassen geleitet, und ich habe als pädagogische Fachkraft an Bremer Ganztagsschulen gearbeitet", erzählt sie. Sie bereits mehrere Anläufe für einen Quereinstieg hinter sich. "Ich wurde bisher in Bremen immer abgelehnt", sagt sie. "Ich habe auf diesen Tag gehofft, an dem mir ein Unterrichtsfach anerkannt wird." Die Sozialpädagogin beginnt Mitte März ihre Arbeit an einer Grundschule in Blumenthal, an der sie seit September bereits als pädagogische Mitarbeiterin im Einsatz ist. Blumenthal gehört zu den Stadtteilen, in denen viele Schulen zuletzt stark steigende Kinderzahlen verzeichneten. Gleichzeitig haben es Schulen in Randlagen oft besonders schwer bei der Personalgewinnung.
Berufsbegleitende Weiterbildung
Die Teilnahme an dem neuen Quereinstiegs-Programm dauert anderthalb Jahre in Vollzeit oder zwei Jahre in Teilzeit. Die Ein-Fach-Lehrkräfte werden zentral bei der Behörde eingestellt und sollen von Anfang an unterrichten – 25 Unterrichtsstunden pro Woche. Weitere 17 Stunden belegen sie Pädagogik-Seminare am Landesinstitut für Schulen. Voraussetzung ist laut Bildungsressort ein Master-Abschluss, aus dem sich ein Unterrichtsfach ableiten lässt, das an Bremer Schulen gebraucht wird. Ein Masterabschluss in Stadt- und Regionalentwicklung sei zum Beispiel als Basis für das Unterrichten der Fächer Geografie und Politik grundsätzlich geeignet, sagt Behördensprecherin Maike Wiedwald. Kenntnisse aus den Erziehungswissenschaften, die einen wesentlichen Teil des Lehramtsstudiums bilden, sind für Bewerber keine Pflicht.
Die Quereinsteiger werden in der Entgeltgruppe 12 TV-L eingruppiert. Das entspricht bei einer ledigen Person beim Berufseinstieg laut Bildungsressort zum Beispiel einem Gehalt von etwa 3.800 Euro brutto. Nach Ende der anderthalb Jahre im Programm können sich die Teilnehmer in einem zweiten Unterrichtsfach ausbilden lassen, um die volle Lehramtsqualifikation zu erhalten.