Reinhold Wetjen bemühte sich, ein positives Bild der Zukunft zu entwerfen. Der Landesvorsitzende der Bremer SPD malte auf einem Sonderparteitag am Mittwochabend in Huchting aus, wie ein gemeinsamer, großer Unterbezirk Bremen schlagkräftig künftige Wahlen bestreitet und gewinnt. So warb er für den Zusammenschluss der bisherigen Unterbezirke Bremen-Stadt und Bremen-Nord. Ein Vorhaben, das vor allem in Bremen-Nord vehement abgelehnt wird. Aktuell besteht der Landesverband aus den drei Unterbezirken: Bremen-Stadt, Bremen-Nord und Bremerhaven.
Die Nordbremer Unterbezirksvorsitzende Ute Reimers-Bruns widersprach den eher düsteren Befunden Wetjens zur Gegenwart der Bremer SPD, speziell in Bremen-Nord. Dieser kleinste Unterbezirk ist aus Sicht des Landesvorstandes mit noch 415 Mitgliedern kaum mehr arbeitsfähig und überaltert: 62 Prozent der Mitglieder dort seien über 60 Jahre alt, 45 Prozent über 70 Jahre. "Das Potenzial der aktiven Genossen sinkt", sagte Wetjen. Kritik gab es vor allem an der Mitgliederförderung, Schulungen für Mandatsträger, Hilfen und Coaching für Beiratsmitglieder – all das sei Aufgabe des Unterbezirks. "Und das habe ich in Bremen-Nord zuletzt doch vermisst" sagte Wetjen. Auch bei den Finanzen sei der Unterbezirk in einer eher schwierigen Lage, befand er.
Angespannte Debatte
Der Parteichef hält den jetzigen Zeitpunkt für genau richtig, um die Organisationsstrukturen der Bremer Sozialdemokraten zu erneuern. Im kommenden Jahr steht die Europawahl im Kalender, 2025 die Bundestagswahl und 2027 dann die nächsten Bremer Landtags- und Kommunalwahlen. "Veränderungen müssen rechtzeitig angegangen werden, auch wenn es hart ist. Wir müssen auch in Zukunft arbeitsfähig bleiben."
Das sehen die Nordbremer Genossen jedoch völlig anders: Es wurde auf diverse jüngere Funktionsträger hingewiesen, die sich inzwischen in den SPD-Beiratsfraktionen in Blumenthal und Burglesum fänden. Finanziell ist man laut Unterbezirkschefin Reimers-Bruns bis mindestens 2027 abgesichert und keineswegs instabil. Und vielleicht habe man viele ältere und weniger Mitglieder – aber der Anteil der aktiven Genossen sei überdurchschnittlich hoch. "70 ist das neue 50", sagte Reimers-Bruns.
Im Bremer Norden sieht man auch keinen Zeitdruck: Ein langfristiger Prozess der Annäherung und Zusammenarbeit sei allenfalls denkbar. So haben es die Nordbremer Genossen schon im Vorfeld des Sonderparteitags beschlossen. Eine Gruppe, die sich aus allen drei Unterbezirken – Stadt, Bremerhaven, Nord – zusammensetzt, soll sich über Strukturreformen Gedanken machen. Die Vorgehensweise des Landesvorstandes stößt dagegen auf soviel Widerstand, dass man im Ernstfall sogar den Gang vor Gerichte in Aussicht stellte, was wiederum dem Landesvorsitzenden sauer aufstieß.
Teile der Diskussion des von den Nordbremer gewünschten Sonderparteitages kreisten dann auch um die Frage, wer bislang wann welche Gespräche auf oder eben nicht auf Augenhöhe zwischen Unterbezirk und Landesvorstand geführt oder abgelehnt hat. Auf lautstarke Kritik stieß Wetjen, als er ausgebliebene Gespräche schließlich als Begründung dafür anführte, warum er Details zur Fusion der beiden Unterbezirke nicht nennen kann. "Genau darüber wollten wir ja reden", hieß es. "Mit solchen Strukturdebatten gewinnen wir keine Wähler", bemerkte der ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete und frisch gewählte Beiratssprecher von Obervieland Klaus Möhle dazu.
Am Ende folgte der Sonderparteitag mit 54 Ja- zu 35 Nein-Stimmen einem aufgrund der Debatte etwas veränderten Vorschlag des Vorstandes. Der verschiebt seine ursprünglich für den 11. Dezember geplante Entscheidung zur Fusion auf den letztmöglichen Termin vor einem Landesparteitag am 30. Januar. Zuvor soll eine Arbeitsgruppe aus den beiden Unterbezirken und dem Landesvorstand die Details des Zusammenschlusses beraten. Das Votum der Gruppe ist für den Vorstand aber nicht verbindlich. Er entscheidet laut SPD-Satzung stets in alleiniger Verantwortung über den Zuschnitt von Unterbezirken.