Geht Bremen beim 49-Euro-Ticket einen eigenen Weg? Die SPD-Bürgerschaftsfraktion sieht Geringverdiener und andere Menschen mit wenig Geld in dem beschlossenen Modell nicht ausreichend berücksichtigt. Der Senat soll deshalb prüfen, ob das Land eine verbilligte Variante für bestimmte Gruppen bezuschussen könnte – und welche Kosten dadurch anfielen. In einem solchen Szenario würde Bremen die benötigte Zahl der Deutschlandtickets ankaufen und anschließend günstiger an die Berechtigten abgeben. Die Anfrage der SPD-Abgeordneten Anja Schiemann und Falk Wagner liegt dem WESER-KURIER vor. Sie dreht sich unter anderem um die Frage, inwieweit das verbilligte Deutschlandticket bestehende städtische Angebote ersetzt.
Bestehende Angebote sind günstiger
Einige Bremer und Bremerinnen fahren bereits jetzt für weniger als 49 Euro monatlich mit dem ÖPNV: Das Jugendticket TIM ("Täglich immer Mobil"), im September vergangenen Jahres eingeführt, kostet 30 Euro und gilt im gesamten Gebiet des Verkehrsverbundes Bremen/Niedersachsen (VBN). Das Bremer Stadtticket, auf das zum Beispiel Sozialhilfeempfänger Anspruch haben, kostet 25 Euro. "Der Bezug des Deutschlandtickets würde in diesen Fällen eine empfindliche Preiserhöhung bedeuten, die trotz des Mehrwerts der bundesweiten Gültigkeit für sie im Monatsbudget oft schlicht nicht leistbar ist", argumentiert die Fraktion in ihrer Anfrage. Tatsächlich wäre der Kauf des Deutschlandtickets für 49 Euro keine Verpflichtung – vergünstigte Sozialtarife auf Landes- oder Stadtebene wird es in dieser Konstellation auch weiterhin geben.
Unfair sei es dennoch, dass ärmere Menschen nicht von dem 49-Euro-Ticket profitierten, sagt Wagner. Mobilität müsse allen Bürgern und Bürgerinnen gleichermaßen ermöglicht werden. Mit dem Wunsch nach einem Sozialtarif innerhalb des Deutschlandtickets steht die Bremer SPD nicht alleine da: Der Bundesverband der Verbraucherzentralen fordert ein solches Angebot zum Preis von monatlich 19 Euro. Für ein generell günstigeres Deutschlandticket zum Preis von 365 Euro jährlich hatte sich unter anderem der Deutsche Sozialverband ausgesprochen. Sollte Bremen einen eigenen Sozialtarif für ein bundesweit gültiges Ticket beschließen, wäre das auf Länderebene ein Sonderfall, aber auch nicht gänzlich neu: Im Saarland erhalten Schüler und Auszubildende das Deutschlandticket zukünftig für monatlich rund 30 Euro – die Mehrkosten zahlt das Land.
Die SPD will den Senat rechnen lassen: Was würde es Bremen kosten, bestehende Tarife durch ein Deutschlandticket zu ersetzen, das den Berechtigten für 29 Euro angeboten wird? Die Rechnung ist komplizierter, als sie auf den ersten Blick scheinen mag. Geklärt werden muss zum einen, mit wie viel Geld Bremen derzeit das TIM-Ticket und das Stadtticket bezuschusst. Wagner nennt einen Gesamtbetrag von rund 17,5 Millionen Euro. Er verweist aber darauf, dass die Zahl möglicherweise nicht ganz aktuell sei. Für einen Kostenvergleich ebenfalls wichtig: Wie wird sich die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer entwickeln? Nicht alle Berechtigten nehmen die bestehenden Angebote in Anspruch. Es ist möglich, dass ein Deutschlandticket für 29 Euro mehr Käufer findet als ein Stadtticket für 25 Euro – dementsprechend würden auch die benötigten Zuschüsse steigen.
Auf der anderen Seite ist ein Rabatt denkbar, wenn Bremen den Vertriebsstellen des Deutschlandtickets eine bestimmte Abnahmemenge garantiert. Wie hoch der ausfallen könnte und wie viele Tickets dafür angekauft werden müssten, will die SPD mit ihrer Anfrage in Erfahrung bringen.
Das Verkehrsressort reagierte am Dienstag zurückhaltend auf den Vorstoß der Sozialdemokraten. Ein Sprecher erklärte, dass man die Anfrage prüfen werde. Er verwies außerdem darauf, dass sich Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) während der Verhandlungen mit dem Bund mehrmals für einen Sozialtarif innerhalb des Deutschlandtickets ausgesprochen habe. Der Bund habe eine Finanzierung jedoch abgelehnt.
Grundsätzlich sei das geplante Angebot „ein großer Erfolg“, stellt die SPD klar. „Neben der Überwindung des Tarifdschungels vergünstigt sich der Zugang zum Nah- und Regionalverkehr für viele Menschen drastisch“, schreiben Schiemann und Wagner. Beispielsweise ist die MIA-Karte im Jahresabonnement auf der Strecke Bremen-Bremerhaven monatlich rund 170 Euro teurer als das 49-Euro-Ticket. Auch innerhalb der Stadt sparen viele Bremer ÖPNV-Nutzer zukünftig Geld.
Ein Startdatum für den neuen Deutschlandtarif gibt es nach wie vor nicht – Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) nannte jüngst den 1. Mai als spätesten Termin.