Droht den Nordbremer Sozialdemokraten eine "feindliche Übernahme"? Bewusst provokant haben die Senioren des SPD-Unterbezirks Bremen-Nord in einem Papier formuliert, was ihrer traditionsreichen Parteigliederung bevorsteht. Sie wird wahrscheinlich im kommenden Frühjahr mit dem deutlich größeren Unterbezirk (UB) Bremen-Stadt verschmolzen und dann aufhören zu existieren. So will es jedenfalls der Landesvorstand der Partei. Am 18. November werden Unterbezirksparteitage in der Stadt und in Bremen-Nord über die Fusion beraten. Bindend ist ihr Votum nicht. Die Entscheidungshoheit hat der Landesvorstand, und der vertritt eine klare Linie.
Aktuell drei Unterbezirke
Der Reformbedarf liegt für die Parteispitze auf der Hand. Aktuell besteht der Landesverband aus drei Unterbezirken: Bremen-Stadt, Bremen-Nord und Bremerhaven. Alle drei sind von Mitgliederschwund betroffen, doch besonders prekär stellt sich die Lage in Bremen-Nord dar. Noch etwa 430 Parteibuchinhaber gibt es dort, Tendenz weiter fallend. Aus Sicht des Landesvorstandes ist eine Gliederung von dieser Größe kaum mehr kampagnenfähig und finanziell instabil. Diese ziemlich schonungslose Analyse findet sich in einem Beschluss des SPD-Landesvorstandes von Ende September. Er empfiehlt die Vereinigung der UB Bremen-Stadt und Bremen zu einem neuen Unterbezirk Stadt Bremen, der dann etwa 3400 Mitglieder hätte. Wirksam werden soll die Fusion Ende März.
Nördlich der Lesum hält man von diesen Plänen wenig. Unterbezirkschefin Ute Reimers-Bruns macht sich zwar die Formulierung "feindliche Übernahme" nicht zu eigen, lehnt den von der Parteispitze forcierten Zusammenschluss jedoch ab. Dabei weiß sie sämtliche SPD-Ortsvereine und Arbeitsgemeinschaften, die es zwischen Farge und Burglesum gibt, hinter sich. Im Gespräch mit dem WESER-KURIER tritt sie der Darstellung entgegen, der UB Nord sei klamm und nicht mehr handlungsfähig. "Das stimmt so einfach nicht", sagt Reimers-Bruns. Finanziell sei man bis mindestens 2027 abgesichert.
Auch sonst gebe es positive Ansätze. So gelinge es den Nord-Genossen zunehmend, jüngere Funktionsträger aufzubauen, was sich beispielsweise in der Zusammensetzung der SPD-Beiratsfraktionen in Blumenthal und Burglesum zeige. Es gelte nun, weitere neue Mitglieder zu gewinnen und vorhandene zu mehr Aktivität anzuregen. "Wir sind zuversichtlich, dass das gelingt. Deshalb ist es jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um über eine Fusion zu reden", findet Reimers-Bruns. Sie weist zudem darauf hin, dass auch CDU, Grüne und FDP Nordbremer Kreisverbände unterhalten. Was für ein Bild gäbe es ab, so fragt sie, wenn sich ausgerechnet die SPD als stärkste politische Kraft keine eigene Parteigliederung in Bremen-Nord mehr leisten wollte?
Eigenständigkeit mit Privilegien
Die bisherige Eigenständigkeit des UB Nord bedeutet auf Landesebene auch institutionalisierten Einfluss. Nicht zuletzt im Parlament. Bei Bürgerschaftswahlen ist im Wahlbereich Bremen jeder siebte Platz auf der Kandidatenliste für Nord-Genossen reserviert. Ginge Nord in einem neuen Unterbezirk Stadt Bremen auf, wären solche Privilegien futsch. Das ist zumindest die Befürchtung. Landeschef Reinhold Wetjen wird sich der Debatte stellen, wenn die Nord-Genossen am 18. November im Vereinsheim der SG Marßel zusammenkommen, um über die Aufgabe ihrer Selbstständigkeit zu debattieren. Von einer feindlichen Übernahme könne jedenfalls keine Rede sein, wehrt Wetjen ab. Der Parteichef hält den jetzigen Zeitpunkt für genau den richtigen, um die Organisationsstrukturen der Bremer Sozialdemokraten zu straffen. Ab 2024 müsse sich die Partei schon wieder auf die kommende Bundestagswahl konzentrieren, danach auf die nächste Bürgerschaftswahl. "Da hat man nicht die Ruhe, um interne Reformen auf den Weg zu bringen", mahnt Wetjen.
Die aktuelle Debatte hat eine interessante Pointe. Es ist nämlich noch nicht lange her, dass innerhalb des UB Nord eine ganz ähnliche Debatte tobte. Es ging um Fusionen auf Ortsvereinsebene, also eine Ebene niedriger. Der Unterbezirksvorstand betrieb die Reduzierung von zuvor sieben auf nur noch drei Ortsvereine – letztlich mit den gleichen Argumenten, die jetzt der Landesvorstand für die Vereinigung der beiden Bremer Unterbezirke ins Feld führt: Bündelung von Ressourcen und schlagkräftigere Aufstellung. Der kleine Blumenthaler Ortsverein Rönnebeck zog damals bis vor das Bundesschiedsgericht der SPD und bekam dort Recht. Er ist bis heute eigenständig.