Beinahe jedes zweite Bremer Schulkind konnte in der dritten Klasse nicht die Basis-Aufgaben in Mathematik bewältigen. 48 Prozent der Drittklässler verfehlte im Rahmen einer Testreihe die Mindeststandards. Ähnlich ist der Befund bei der Lesekompetenz im Fach Deutsch: Hier verfehlten 42 Prozent der getesteten Grundschüler die Mindeststandards. Das zeigen neue Ergebnisse der Testreihe Vera 3, für die flächendeckend Drittklässler der öffentlichen Schulen im Land Bremen getestet wurden.
Im Bereich Mathematik brechen die Leistungen im Vergleich zum Vorjahr deutlich ein: Vera 3 wurde auch im Jahr zuvor durchgeführt, im August 2021. Zu diesem Zeitpunkt erreichten 39 Prozent der Drittklässler die Mindeststandards nicht. Im Jahr 2022 lag dieser Anteil neun Prozentpunkte höher. Gleichzeitig schmolz 2022 die Gruppe der Kinder, die in Mathe besonders gute Leistungen erzielte: Während 24 Prozent der Kinder 2021 über dem Regelstandard lag, galt dies 2022 für 15 Prozent. Im Fach Deutsch blieb das Niveau etwa gleich, aber auch hier verfehlen sehr viele Kinder das Basislevel. Beim Lesen erreichten 2022 insgesamt 42 Prozent der Kinder nicht die Mindeststandards, 2021 lag der Wert bei 40 Prozent. Große Lücken gab es auch in der Rechtschreibung: Hier verfehlten 2022 rund 53 Prozent die Mindeststandards.
Die Vera-3-Tests sollen nach dem Willen der Kultusministerkonferenz in allen Bundesländern durchgeführt werden. In Bremen ist die Teilnahme für die öffentlichen Schulen verpflichtend. Getestet wurde im April und im Mai 2022. Organisiert und ausgewertet werden die Tests vom Bremer Qualitätsinstitut IQHB, durchgeführt von den Lehrkräften. Die Daten von Vera 3 sind für die Schulen gedacht, sie sollen auch als eine Art Frühwarnsystem dienen, damit Schulen gegensteuern können.
Die Testaufgaben sind anwendungsorientiert: Im Fach Deutsch müssen Kinder zum Beispiel anhand eines Stadtplans und eines Busfahrplans prüfen, ob es sich für eine festgelegte Strecke lohnt, den Bus zu nehmen. Sie sollen ihre Antwort schriftlich begründen. In Mathematik gilt es für das Erfüllen der Mindeststandards zum Beispiel, folgende Aufgabe zu lösen: „Es wurden 50 Würstchen für 38 Kinder gekocht. Jedes Kind isst ein Würstchen. Wie viele Kinder können noch ein zweites Würstchen bekommen?“ Mathe-Aufgaben wie diese konnten in Bremen 48 Prozent der Drittklässler nicht lösen.
Dabei klaffen die Ergebnisse in Bremen je nach Stadtteil weit auseinander: In Gebieten der sogenannten Sozialstufe 5, die zum Beispiel in Gröpelingen, Blumenthal oder Tenever liegen, verfehlten im Schnitt 71 Prozent der Kinder die Mathematik-Mindeststandards. In Gebieten mit Sozialstufe eins, zum Beispiel in Schwachhausen oder der Östlichen Vorstadt, galt dies für 19 Prozent der Kinder. Allerdings ziehen sich die fehlenden Kenntnisse diesmal bis weit in die bürgerlichen Gebiete hinein. Auch in relativ gut situierten Stadtteilen mit Sozialstufe 2 schafften 42 Prozent der Kinder die Mathematik-Grundlagen nicht. Dahinter verbergen sich zum Beispiel Gebiete in Findorff oder in der Neustadt.
Bei den Kindern, die schon in ihrem ersten Schuljahr mit Unterrichtsausfall zu kämpfen hatten, zeigen sich erhebliche Lernrückstände, sagt Linken-Bildungspolitikerin Miriam Strunge. Sie forderte eine Ausweitung des Förderprogramms „Mathe sicher können“. Das Programm, bei dem Kinder in Kleingruppen mit speziellen Materialien Mathe üben, gibt es bisher an 17 Oberschulen und neun Grundschulen. Das Programm müsse flächendeckend an alle Oberschulen gebracht werden, forderte Strunge. Dies ist auch Ziel der Bildungsbehörde, betonte Torsten Klieme, Staatsrat im Bildungsressort. Der Plan wurde auch von CDU und Grünen unterstützt.
Zudem forderte Strunge zusätzliche Mathe- und Deutschstunden an den Grundschulen: „Im Bundesvergleich liegt die Unterrichtszeit an den Bremer Grundschulen unter dem Schnitt der anderen Länder.“
Die Bildungsbehörde strebt zudem an, dass angehende Lehrerinnen und Lehrer für alle Fächer in ihrem Studium verpflichtend Module zu Deutsch als Zweitsprache belegen müssen. Bildungspolitiker aus Opposition und Regierung setzten sich ebenfalls für dieses Ziel ein: Dies sei sehr wichtig, um die Bremer Kinder mit anderer Herkunftssprache im Unterricht gut zu erreichen. Auch bereits unterrichtende Lehrkräfte müssten zu diesem Thema nachgeschult werden, forderten Vertreter von SPD und Grünen.