Zehn Wochen vor der Bürgerschaftswahl ist völlig offen, wer als Sieger durchs Ziel geht, denn zwischen SPD und CDU zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab. In einer aktuellen Umfrage von infratest dimap im Auftrag des WESER-KURIER kommen die Sozialdemokraten auf 28 Prozent, die CDU auf 27. Die Grünen erreichen 19 Prozent, die Linken acht, die AfD sieben Prozent. Die FDP wäre mit vier Prozent nicht mehr im Landesparlament vertreten. Die aktuelle rot-grün-rote Koalition hätte auf der Basis dieser Zahlen weiter eine Mehrheit. Für Rot-Grün allein würde es allerdings nicht reichen.
Gegenüber der Wahl 2019 würde sich die SPD um gut drei Prozent verbessern, die CDU in etwa stagnieren. Die Grünen würden leicht zulegen (+1,6 Prozent), die Linken deutlich Stimmen abgeben (-3,3 Prozent). Bei der FDP wäre der Verlust von rund zwei Prozentpunkten existenzbedrohend. Die AfD wiederum könnte leicht zulegen.
Ganz anders stellt sich die Sache dar, wenn man die aktuellen Werte am politischen Stimmungsbild vom Mai vergangenen Jahres misst. Auch damals hatte infratest dimap die Sonntagsfrage gestellt, und dabei lagen SPD und CDU noch weit auseinander. Doch die SPD hat ihr damaliges Niveau von rund 30 Prozent nicht halten können. Sie ist abgerutscht – trotz guter persönlicher Werte ihres Spitzenkandidaten Andreas Bovenschulte. Die CDU macht dagegen einen Sprung von fünf Prozent und ist den noch führenden Sozialdemokraten eng auf den Fersen. Die Grünen fallen im Vergleich zum Mai 2022 ähnlich wie die SPD zurück, sie verlieren zwei Prozentpunkte.
Der Negativtrend der Koalitionsparteien wird erklärlich, wenn man sich die Zufriedenheitswerte für den Senat auf den einzelnen Politikfeldern anschaut. Exakt die Hälfte der knapp 1200 Bremer und Bremerhavener, die zwischen dem 22. und 27. Februar befragt wurden, ist mit der Gesamtleistung der Landesregierung weniger oder gar nicht zufrieden. Zufrieden oder sehr zufrieden zeigen sich 46 Prozent. Damit haben sich die Verhältnisse gegenüber Mai 2022 umgekehrt. Nur auf einem einzigen Themenfeld stellen die Befragten dem Senat mehrheitlich ein gutes Zeugnis aus, und zwar bei Schaffung und Erhalt von Arbeitsplätzen. Überall sonst überwiegt die negative Wahrnehmung, allerdings je nach Stichwort deutlich gestaffelt: Integration von Flüchtlingen 50 %, Klimapolitik 53 %, Haushaltspolitik und öffentliche Finanzen 55 %, Kriminalitätsbekämpfung 65 %, Wohnungs- und Mietpolitik ebenfalls 65 %, Stadtentwicklung 67 %, Verkehrspolitik 72 %, Schul- und Bildungspolitik 75 Prozent. Besonders deutlich hat sich die Stimmung bei der Kriminalitätsbekämpfung und der Flüchtlingsunterbringung gegen den Senat gewendet.
Im bundesweiten Vergleich ist die Zustimmung der Bremer und Bremerhavener zu ihrer Landesregierung durchschnittlich. Die ermittelten 46 Prozent liegen etwas oberhalb der in jüngerer Zeit abgefragten Werte für Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Mehr Rückhalt haben die Regierungen in Bayern, Sachsen-Anhalt und Hessen. Gemessen an den Werten für die Bundesregierung (33 Prozent im ARD-Deutschlandtrend vom Februar) genießt der Bremer Senat deutlich mehr Ansehen in der Bevölkerung. In ganz besonderem Maße gilt das für den Regierungschef. Die 70 Prozent Zustimmung für Bürgermeister Bovenschulte wurden zuletzt nur von Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther (CDU) überboten.
Infratest hat auch nach der Zufriedenheit der Wähler mit den Parteien gefragt, die derzeit in der Bürgerschaft vertreten sind. Die SPD kommt dabei auf einen Zufriedenheitswert von 45 Prozent (minus neun im Vergleich zu Mai 2022). Die Grünen stürzen noch stärker ab, nämlich um elf Punkte auf 26. Die Linken verzeichnen einen leichten Zuwachs auf 37 (plus zwei). Die CDU erreicht einen Zufriedenheitswert von 36 Prozent (minus eins), die FDP von 21 Prozent (minus acht). Für die AfD wurden neun Prozent ermittelt (plus zwei).
Eine ausgeprägte Wechselstimmung können die Demoskopen zweieinhalb Monate vor dem Urnengang nicht ausmachen. Auf die Frage "Welche Partei sollte den nächsten Senat führen?" antworten 37 Prozent: die SPD. Für die CDU sprechen sich 34 Prozent aus, für die Grünen 16 Prozent. 13 Prozent machen keine Angaben. Nicht immer befürworten die Anhänger einer bestimmten Partei, dass diese auch die nächste Regierung führen soll. Während es bei SPD-Wählern 91 Prozent sind, liegt dieser Wert bei Grünen-Sympathisanten bei Weitem nicht so hoch (73 Prozent). Ungefähr jeder Vierte, der sein Kreuz bei den Grünen macht, möchte eigentlich, dass das Rathaus unter sozialdemokratischer Führung bleibt.

Insgesamt wurden 1179 Personen aus Bremen und Bremerhaven im Zeitraum vom 22. bis 27. Februar vom Meinungsforschungsinstitut Infratest-Dimap befragt.