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Verkehrschaos an Schulen Wie in Bremen mit Elterntaxis umgegangen wird

Wer morgens um kurz vor 8 an Bremer Grundschulen vorbeikommt, erlebt oft ein Verkehrschaos. Jetzt gibt es einen neuen Ansatz, jene besser zu schützen, die ihre ersten Schritte im Straßenverkehr unternehmen.
21.02.2024, 05:00 Uhr
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Von Luka Spahr

Für Kinder gibt es im Grunde vier Wege, um morgens in die Schule zu kommen: zu Fuß, mit Rad und Roller, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit den Eltern im Auto. Letzteres ist in den vergangenen Jahren vor allem an Grundschulen ein Problem geworden. Autokolonnen stauen sich allmorgendlich an einigen Schulen und parken kreuz und quer. Sie gefährden damit die Kinder und andere Verkehrsteilnehmer – auch in Bremen.

Das Verkehrsministerium in Nordrhein-Westfalen will den sogenannten Elterntaxis nun Einhalt gebieten und hat Anfang der Woche für seine Kommunen den Weg freigemacht, temporäre Straßensperrungen rund um Schulen zur Verkehrsberuhigung einzusetzen. Notfalls mit Schranken und Pollern.

Wie ist die Situation mit Elterntaxis an Bremer Schulen?

Die Polizei bestätigt, dass das Thema Elterntaxis gerade an den Grundschulen ein „Dauerbrenner“ in „fast allen Stadtteilen" ist. Unter anderem aus Horn und Oyten hatte es in der Vergangenheit Berichte über Probleme mit Elterntaxis gegeben. Eine Anfrage der Grünen aus dem April 2022 hatte zudem hohe Verkehrsaufkommen an zwei Schulen in Bremen-Nord, drei Schulen im Bremer Osten und einer Schule in Bremen-Mitte offenbart.

Zu den teils wilden Fahrmanövern vor den Schulen stellt die Polizei klar: „Ein Halten von Fahrzeugen in diesen Bereichen ist oft nicht vorgesehen, da die Fahrbahnbreiten und das Parkplatzangebot für diesen Ansturm nicht ausgelegt sind. Es kommt zu unüberschaubaren Verkehrssituationen, die für alle Beteiligten mit einem hohen Unfallrisiko einhergehen“, so eine Sprecherin.

Auch wenn es keine genauen Zahlen zu Elterntaxis gibt, sagt Verena Nölle, Koordinatorin für Mobilitäts- und Verkehrserziehung bei der Landesverkehrswacht Bremen: „Jedes Kind, das mit dem Auto zur Schule gefahren wird, ist eines zu viel, da andere Kinder dadurch unnötig in Gefahr gebracht werden.“

Welche Gefahren entstehen durch Elterntaxis an Schulen?

Abseits des großen Verkehrschaos vor den Schulen hat die Polizei beobachtet, dass viele Eltern ihre Kinder auf der „falschen Seite“ aussteigen lassen und sie dann „quer über die Fahrbahn in Richtung Schule geschickt werden, ohne Rücksicht auf querende Fahrzeuge“ – eine oft lebensgefährliche Situation. Die Schulkinder würden in diesem Alter die komplizierte Verkehrssituation noch nicht überblicken können und völlig unreflektiert die Fahrbahn und den Radweg überqueren.

Auch Verena Nölle bestätigt die Gefährlichkeit solcher Situationen. Sie kritisiert: „Den Kindern, die täglich von ihren Eltern gefahren werden, fehlt der praktische Umgang mit dem Straßenverkehr. Doch irgendwann werden sie ihre Wege alleine zurücklegen, jedoch ohne zu wissen, wie man sich im Straßenverkehr verhält.“

Wie wird die in Nordrhein-Westfalen getroffene Entscheidung bewertet, Elterntaxis künftig an den Schulen auszusperren?

Während die Polizei den Erlass nicht bewerten möchte, zeigt sich Verena Nölle skeptisch: „Es ist schwierig, Straßen zeitweise zu sperren. Der Verkehr besteht nicht nur aus Elterntaxis. Zudem lassen sich Eltern das Fortbewegungsmittel für den Schulweg ihrer Kinder nicht vorschreiben. Wenn wir Straßen mit Schranken absperren, kann es schnell passieren, dass wir das Problem der Elterntaxis, die kreuz und quer halten, vor die Schranke verlegen.“ Stattdessen will Nölle verstärkt an die Eigenverantwortung und das Klimaschutz-Bewusstsein der Eltern appellieren.

Die Bremer Bildungsbehörde konnte sich auf Nachfrage des WESER-KURIER bislang nicht zu den Plänen des nordrhein-westfälischen Verkehrsministeriums äußern, zitiert jedoch Senatorin Sascha Aulepp mit den Worten: „Wer selber geht, ist schon groß. Am besten ist es für Kinder, wenn sie sich an der frischen Luft bewegen und zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule kommen.“

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Welche Gegenmaßnahmen gibt es bereits?

Bremen hat mehrfach versucht, der Lage an den Schulen Herr zu werden. So sind zu den Stoßzeiten immer wieder Kontaktpolizisten (Kops) an den Zufahrten im Einsatz, um falsch parkende Eltern anzusprechen und die Kinder zu sensibilisieren. Es hat auch mehrere Initiativen und Kampagnen gegeben, um das Problem zu adressieren.

Neben rund 60 Straßen-Bannern, die alljährlich zum Schulbeginn um Rücksichtnahme der Autofahrer bitten, hat Verena Nölle mit vielen Kooperationspartnern 2004 in Bremen den „Schulexpress“ ins Leben gerufen: kleine Sammelpunkte rund um die Schulen, von denen die Schüler als Geh-Gemeinschaft auf einer festgelegten und sicheren Route die letzten Meter zu ihren Unterrichtsräumen zusammen bestreiten können. Mit 47 Schulen sei gut die Hälfte der Bremer Schulen inzwischen eingebunden.

Der Arbeitskreis „Aber sicher!“ hat zudem einen Flyer entwickelt mit Empfehlungen, die den Schulweg für Kinder sicherer machen, und der laut Polizei über die Schulen an die Eltern verteilt wird. Mit der Aktion „Aktiv und sicher zur Schule“ werde außerdem alljährlich für eine Alternative zum Auto auf dem Schulweg geworben.

Was rät die Polizei?

Auch aus Gründen der Verkehrserziehung sollten Eltern ihre Kinder selbstständig in die Schule schicken: „Diese Kinder setzen sich nicht nur bereits früh mit dem sicheren Bewegen im Straßenverkehr auseinander. Sie bewegen sich viel an der frischen Luft und werden so auch ‚mobiler‘. Sie bewegen sich sicherer im Straßenverkehr, weil sie eigenverantwortlich den Schulweg meistern und so auch in ihrem Wesen gefestigter und selbstbewusster sind.“

Eltern könnten mit dem Kind den Weg vor Schulbeginn mehrfach abgehen und somit gemeinsam das richtige Verhalten üben. Zudem sollte darauf geachtet werden, dass die Kinder sich nicht unter Zeitdruck auf den Weg zum Unterricht machen und so auch eine bessere Weg-Zeit-Einschätzung erlernen, rät die Polizei. Wichtig dabei: „Der kürzeste Schulweg ist nicht immer der sicherste.“

Zur Sache

Mit dem Fahrrad zur Schule

Um den Weg zur Schule ging es vergangene Woche auch in einer Fragestunde der Bremischen Bürgerschaft. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte gehört, dass es an einigen Schulen Verbote oder zumindest ein Antragsprozedere für die Kinder gegeben haben soll, die mit dem Fahrrad zur Schule kommen wollen. Laut Senat liege dieser Weg jedoch im Verantwortungsbereich der Eltern, womit das Aussprechen eines Fahrrad-Verbots nicht zulässig wäre. Den Behörden seien solche Regelungen an Schulen nicht bekannt, man habe das Bewusstsein hierfür allerdings noch einmal an allen Schulen nachgeschärft.

Philipp Bruck, klimapolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, zeigt sich erleichtert: „Ich bin froh dass jetzt noch mal klargestellt wurde, dass Eltern frei entscheiden können, wie ihre Kinder zur Schule kommen.“ Für ihn liege der Fokus nun darauf, die Attraktivität des Radverkehrs durch ausreichend Fahrradbügel an allen Schulen zu verbessern.

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