Die Deutsche Bahn hat viele Pläne: Streckennetz ausbauen, mehr Personal einstellen, mehr Fahrgäste befördern, mehr Züge, mehr Digitalisierung und mehr Pünktlichkeit. Klingt gut, fraglich ist nur, wie das klappen soll. Jahr für Jahr fahren mehr Menschen mit der Bahn – so konnte der Konzern in seiner Halbjahresbilanz erneut einen Anstieg bei den Fahrgastzahlen vermelden. Die Bahn steht aber vor vielen Problemen. Jahrelang wurde gespart: An den Investitionen in die Infrastruktur, am Personal. Das Schienennetz schrumpfte. Nun sollen so große Projekte wie der Deutschlandtakt umgesetzt werden.
Ab 2030 sollen an den großen Bahnhöfen die Züge in etwa zeitgleich eintreffen und abfahren. Das Ziel: Umsteigen effizienter gestalten. Die Schweiz macht es vor: Seit den 1980er Jahren gibt es dort den integralen Taktfahrplan. Sogar die Regionalbusse sind eingebunden. Auf einen Kilometer Gleis gerechnet sind mehr Züge unterwegs als in Deutschland. Die Anschlüsse funktionieren trotzdem besser.
So ein Taktfahrplan ist eine prima Sache. Viele Reisende verlieren beim Umsteigen oft Zeit. Bislang lag der Schwerpunkt vor allem auf dem Ausbau der Hochgeschwindigkeitsstrecken zwischen den Großstädten, wie etwa die Verbindung zwischen München und Berlin. Wer mit dem Regionalzug weiter fahren will, verliert aber durch längere Umsteigezeiten einen Teil der zuvor gewonnenen Zeit.
Der Deutschlandtakt soll es richten. Entscheidend bei dem Konzept ist: Erst wird der Fahrplan geplant, dann gebaut. Das ist sinnvoll. So werden Arbeiten am Bedarf vorbei vermieden. Wichtige Voraussetzung für den Erfolg eines Taktfahrplans ist aber die Pünktlichkeit. Jeder der regelmäßig mit der Bahn unterwegs ist, weiß: Daran hapert es seit Jahren. Diesen Juni etwa gab es erneut Probleme mit der Hitze. Wie kann es sein, dass ein Verkehrsmittel regelmäßig vom Wetter überrascht wird? Natürlich gibt es Naturkatastrophen oder Zwischenfälle, die kann niemand vorausplanen.
Rund jeder vierte IC und ICE mit Verspätung
Aber dass es im Juni heiß ist und im Dezember kalt und manchmal sogar schneit, sollte nicht zu Verspätungen und Ausfällen führen. Im ersten Halbjahr 2019 waren 77,2 Prozent der Züge im Fernverkehr pünktlich. Rund jeder vierte IC und ICE hatte also mindestens sechs Minuten Verspätung. Kürzere Verspätungen tauchen in der Statistik erst gar nicht auf, weil die Bahn sie nicht als solche betrachtet. Für Reisende können sie trotzdem sehr ärgerlich sein: Wenn sich die Umsteigezeit von zehn auf vier Minuten reduziert, ist der Anschluss kaum noch zu bekommen. Auch die ausgefallenen Züge tauchen in der Statistik nicht auf.
Jahrelang wurden zu wenige Lokführer ausgebildet. Das gilt übrigens nicht nur für die Deutsche Bahn, sondern auch für die anderen privaten Eisenbahnunternehmen. Die Folge ist bitter: Allein in Niedersachsen sind in den ersten fünf Monaten des Jahres 7850 Züge ausgefallen. Fast die Hälfte wegen „fehlender Triebfahrzeugführer.“ Wenn Großprojekte wie der Deutschlandtakt aber klappen sollen, muss die Bahn pünktlicher und zuverlässiger werden.
Die Friday-for-Future-Bewegung und das wachsende ökologische Bewusstsein geben dem Konzern Aufschwung. Das erkennt auch Bahnchef Richard Lutz an. Trotz ihres grünen Images und der im Vergleich zu Flugzeug und Auto besseren Klimabilanz hat aber auch die Bahn in Sachen Umwelt noch Luft nach oben. So gibt es nach wie vor nicht elektrifizierte Strecken mit veralteten Technologien. Unverständlich bleibt zudem, wieso angesichts der Klimadebatte und Forderungen nach mehr Verkehr auf der Schiene die Bahn an ihrem Nein zu Schlaf- und Liegewagen von 2016 festhält.
Nur wenige Kunden nutzen die Nachtzüge
Der Konzern argumentiert, die Nachtzüge werden nur von sehr wenigen Kunden genutzt. Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) haben den Nachtzugverkehr in Deutschland übernommen. 2016 gab es jedoch noch nicht die weltweite Klimabewegung. Die Nachfrage nach solchen Angeboten steigt, heißt es aus den Nachbarländern. Die ÖBB haben 13 neue Züge mit Schlaf- und Liegewagen bestellt. Die Schweizerischen Bundesbahnen prüfen eine Rückkehr zu den klassischen Nachtzügen. In Skandinavien wird ebenfalls an Konzepten zu Nachtzügen gearbeitet.
Es ist gut, dass die Bahn ambitionierte Ziele hat. Auch die Aufnahme des Projekts Deutschlandtakt in den Koalitionsvertrag ist ein wichtiges Zeichen für die Verkehrswende. Klar ist aber auch: Das Projekt wird eine riesige Herausforderung. Selbst der Bahnchef redet nicht drumherum: Die Infrastruktur ist dabei der limitierende Faktor. Schnelle Investitionen sind daher unumgänglich.