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Bürgerschaftswahl Bei den Bremer Linken brechen Konflikte auf

Hat sich die Bremer Linke in der Regierungsverantwortung von ihren Grundsätzen entfernt? Der Abgeordnete Olaf Zimmer sieht das so und grenzt sich im Wahlkampf von der Parteilinie ab. Der Vorstand ist verärgert.
06.04.2023, 12:32 Uhr
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Bei den Bremer Linken brechen Konflikte auf
Von Jürgen Theiner

Bei den Linken tritt kurz vor der Bürgerschaftswahl ein Streit über die inhaltliche Ausrichtung offen zutage. Eine Gruppe um den Neustädter Bürgerschaftsabgeordneten Olaf Zimmer, der die Regierungsbeteiligung der Linken von Beginn an eher kritisch gesehen hatte, kündigt für die letzten Wahlkampfwochen einen "Personenwahlkampf" für Zimmer an – und zwar mit Positionen, die der Linie der Partei- und Fraktionsführung in wichtigen Punkten klar widersprechen.

Zimmer und seine Mitstreiter sind insbesondere mit der friedenspolitischen Ausrichtung der Landespartei unzufrieden. Ihre Spitze unterstützt die militärische Hilfe des Westens für die Ukraine im Krieg mit Russland. Andrea Spangenberg, Sprecherin des Linken-Kreisverbandes Links der Weser, hält dagegen: "Sozialist*innen können sich in diesem Krieg nicht auf die eine oder andere Seite schlagen." Ganz ähnlich sieht das Zimmer. Als die Bürgerschaft im Februar fraktionsübergreifend eine Solidaritätsadresse für die Ukraine beschloss, verließ er aus Protest den Sitzungssaal.

Linke-Politiker: Geno-Kürzung ist "Armutszeugnis für die Regierungsbeteiligung der Linken"

Doch es geht in der Auseinandersetzung mit der Parteimehrheit nicht nur um Gewissensfragen, sondern auch um ganz handfeste kommunalpolitische Themen. So kritisiert Sebastian Rave, der auch im Bündnis für mehr Krankenhauspersonal aktiv ist: „Die zuletzt bekannt gewordene Kürzung um 500 Betten bei der Geno ist ein Armutszeugnis für die Regierungsbeteiligung der Linken." Statt diesem Kapazitätsabbau zuzustimmen, hätte die Partei den Konflikt in der Koalition suchen müssen, findet Rave.

Zimmer selbst tut sich schwer damit, ein positives Fazit von knapp vier Jahren linker Regierungsbeteiligung in Bremen zu ziehen. "Unsere Senatorinnen Kristina Vogt und Claudia Bernhard haben schon das Meiste rausgeholt", meint der 58-jährige Sozialpädagoge, etwa in der Drogen- und Gleichstellungspolitik. "Aber es hat auch einige Kröten gegeben, bei denen ich unterm Strich sage: Das war es nicht wert."

Beispielhaft nennt er die Konflikte um die Belegung der Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge in der Lindenstraße und den Umgang mit Bürgerinitiativen. Über deren Forderungen sei die rot-grün-rote Koalition schlicht hinweggegangen – etwa bei der geplanten Klärschlammverbrennung in Oslebshausen, dem vorgesehenen Bau einer Bahn-Wartungshalle ganz in der Nähe und bei der beschlossenen Neugestaltung des Neustädter Weserufers, wo dem Hochwasserschutz gut 130 Platanen zum Opfer fallen sollen.

Dass sein Abgrenzungskurs der Partei in der bevorstehenden heißen Wahlkampfphase nicht gerade nützt, darüber ist sich Olaf Zimmer im Klaren. Es sei aber nicht sein Ziel, den Linken zu schaden. Ihm gehe es vielmehr darum, den Menschen, "die keine Lobby haben", eine Stimme zu geben. "Ich werde meiner antikapitalistischen und pazifistischen Haltung treu bleiben und die Ursache von Armut, Krise und Krieg weiterhin deutlich benennen und bekämpfen", begründet Zimmer sein Ausscheren.

Bremer Linken-Spitze "nicht begeistert"

In der Parteiführung ist man über die Extra-Tour des Abgeordneten alles andere als erfreut. Zimmer galt dort zwar immer schon als eigenwillig und nicht steuerbar. Doch einen Wahlkampf auf Linken-Ticket, in dem er die Linken von links attackiert, hatte man ihm eher nicht zugetraut. Fraktionskollegen verweisen auf Zimmers mäßige Listenplatzierung. Er tritt auf Platz 14 an, was einen erneuten Einzug in die Bürgerschaft über die Liste zu gut wie ausgeschlossen erscheinen lässt. Möglich wäre er wohl nur über viele Personenstimmen. Und darauf zielt seine Kampagne nun auch ab.

Landesvorsitzender Christoph Spehr ist von dem Vorgang "logischerweise nicht begeistert", wie er dem WESER-KURIER sagt. Es gebe klare "Leitplanken" für das Verhalten von Kandidaten im Wahlkampf, und dazu zähle unter anderem, dass diese keine unabhängige Kampagne mit eigenen Mitteln führen. Unüblich sei auch, dass Zimmer seinen Abgrenzungskurs öffentlich ankündige, ohne sich zuvor mit dem Parteivorstand ausgetauscht zu haben. "Was mich aber richtig ärgert, ist die Unterstellung, dass die Parteimehrheit aus Regierungsgeilheit bereit ist, linke Grundsätze zu opfern", sagt Spehr. Darüber werde zu reden sein.

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