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Warten auf Sozialleistungen Wohngeldstelle bleibt unter Druck

Menschen mit geringem Einkommen, aber oberhalb der Grundsicherung, können Wohngeld beantragen. Bremen will das Verfahren beschleunigen, doch es gibt dabei auch Rückschläge.
08.07.2023, 05:00 Uhr
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Wohngeldstelle bleibt unter Druck
Von Joerg Helge Wagner

Arne Sünnemann kämpft derzeit an vielen Fronten: Für die Wohngeldstelle sucht der Abteilungsleiter im Bauressort händeringend Personal, und weil es an Fachkräften mangelt, dauert die Bearbeitung der Anträge zu lange. Deshalb nehmen die Untätigkeitsklagen gegen die Behörde vor dem Verwaltungsgericht zu. Schließlich ist ungewiss, ob die Wohngeldstelle weiterhin beim Bauressort bleibt oder dem Sozialressort zugeschlagen wird - davon wären dann fast 90 Mitarbeitende betroffen.

Aktuell laufen vor dem Verwaltungsgericht 21 Verfahren wegen Untätigkeit, allein zwölf davon sind in den vergangenen zweieinhalb Monaten hinzugekommen. Offensichtlich trägt manche Klage dazu bei, dass Berechtigte schneller zu ihrem Geld kommen: "In sieben dieser neuen Verfahren wurden die begehrten Wohngeldbescheide mittlerweile erlassen, sodass sich diese Verfahren voraussichtlich in Kürze erledigen werden", teilt die Vorsitzende Richterin Verena Korrell mit. Allerdings seien auch noch zwei Fälle aus dem vorigen Jahr anhängig.

Susanne Koch (Name von der Redaktion geändert) hatte ihren Antrag auf die Sozialleistung Ende Februar 2022 gestellt; die sieben Monate später von der Wohngeldstelle verlangten fehlenden Unterlagen hat sie längst eingereicht. Doch auf einen Bescheid wartet sie noch immer. Seit dem 20. Februar – da hatte Koch per E-Mail bei der Behörde nachgehakt – passiert gar nichts mehr: kein Anruf, keine Post, keine weitere E-Mail. „Ich habe bisher nicht geklagt, werde es aber nach den Sommerferien in Betracht ziehen“, sagt die Frau nun.

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Sünnemann ist das unangenehm, zumal seine Behörde viel getan hat, um solche Fälle zu vermeiden. Als absehbar war, dass sich Zahl der Berechtigten in diesem Jahr durch die  neue Wohngeld-Plus-Regelung vervielfachen wird, hatte man eine neue Erstantragsstelle mit 47 unbefristeten Planstellen eingerichtet. Doch diese Sollzahl wurde wegen anhaltender Personalfluktuation nie erreicht. Aktuell sind 33 Posten besetzt. Von denen wiederum sind zwei eigentlich dem Personal- und Finanzbereich des Bauressorts zugeordnet, um die Neuzugänge zu verwalten.

In der Erstantragsstelle fehlen aktuell vier Teamleitungen, sieben Sachbearbeiter und drei Fachkräfte für Datenverarbeitung. „Wir suchen dringend Leute“, betont Sünnemann, „aber die Bewerberlage ist sehr dünn.“ Bei den Führungskräften sei man schon in der dritten Bewerbungsrunde, „und das bindet natürlich auch Kapazitäten.“

Seit Jahresbeginn sind rund 5000 Erstanträge auf Wohngeld gestellt worden. „Knapp die Hälfte davon ist bearbeitet“, sagt der Abteilungsleiter, „und von denen wiederum wurde in rund 50 Prozent der Fälle das Wohngeld bewilligt.“ Diejenigen, die erstmals einen Antrag stellen, sollten „schlimmstenfalls“ vier Monate auf ihren Bescheid warten. Eigentlich soll es „viel, viel schneller gehen“, versichert Sünnemann. Die Spitze habe man im Juni erwartet, aktuell sinke die Zahl der Erstanträge wieder. „Nun versuchen wir, die Welle zu brechen“ - was möglich sei, da viele der neuen Beschäftigten nun eingearbeitet seien.

Schwieriger sei die Lage bei den Folgeanträgen, die bislang noch alle zwölf Monate gestellt werden müssen. Wenn es hier länger dauert, liegt es oft an veränderten Lebensumständen, die wieder neue Nachweise erfordern. „Wir hoffen auf eine Vereinfachung bei der nächsten Novelle“, sagt Sünnemann. Vom bundesweit einheitlichen Antrag, der zu Jahresbeginn eingeführt wurde, ist der Beamte enttäuscht: „Der ist leider nicht weniger komplex als das bisherige Verfahren“ - was ebenfalls zu Nachfragen und damit Verzögerungen führt.

Somit ist es in Hamburg, wo die Antragstellerin Koch mittlerweile wohnt, nicht anders. Auch dort wartet sie seit Jahresbeginn auf ihren Bescheid. „Von der Hamburger Wohngeldstelle erhielt ich am Montag eine weitere Aufforderung zur Nachsendung fehlender Unterlagen“, berichtet sie. „Dieses Mal möchten sie noch den Nachweis über Krankenkassenbeiträge und einen weiteren Nachweis zu meinen Einkünften.“

Bremens neue Regierung will laut Koalitionsvertrag „die Erstantragsstelle mit der bisherigen Stelle zusammenlegen und die Struktur der Wohngeldstelle so anpassen, dass die Bearbeitung von Wohngeldanträgen deutlich beschleunigt wird“. Aktuell wird geprüft, ob die Zuständigkeit an das Amt für soziale Dienste übertragen werden soll. Sünnemann hält das für sinnvoll, zumal in Bremerhaven die Wohngeldstelle bereits beim Sozialdezernat angesiedelt ist. Auf Bundesebene will Bremen die Antragstellung erleichtern und digital ermöglichen. Dazu gehören auch Abschlagszahlungen.

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