Sollte Bremen verwaiste Kleingärten in Bauland verwandeln, um neuen Wohnraum zu schaffen? Diese Idee fand vor Corona einige Fürsprecher. Neben der SPD machte sich auch der Landesverband der Gartenfreunde dafür stark. Die Dachorganisation der Kleingartenvereine hoffte auf Geschossgebäude mit Bewohnern, die sich in nächster Nähe eine grüne Oase schaffen wollen. Dass Kleingärten wieder beliebter werden könnten, spielte in der damaligen Debatte kaum eine Rolle. Doch dank der Pandemie sind einige verwaiste Gärten aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht.
Nach Angaben des Umweltressorts waren 2018 im Stadtgebiet 487 leere Parzellen gemeldet. Bis 2023 ging diese Zahl auf 335 zurück. "Ein gutes Instrument ist unsere Leerstandbörse", sagt Sprecherin Ramona Schlee. Die Möglichkeit, auf der Internetseite des Ressorts freie Parzellen anzubieten, werde rege genutzt. "Für den Zustand gibt es vier Kategorien. So können Interessenten schnell einschätzen, wie viel Arbeit sie in den Garten stecken müssen", erläutert Schlee.
Auch Viola Falkenberg, Vorsitzende des Landesverbands der Gartenfreunde, sieht insgesamt einen positiven Trend. "Im Bremer Westen, also in Gröpelingen und Walle, ist der Leerstand aber nach wie vor ein Problem", betont sie. Zurückzuführen sei dies auf das ungleiche Verhältnis von Anwohnern und Schrebergärten. "Das Stadtzentrum und der Osten sind dichter besiedelt, dort haben viele Kleingartenvereine Wartelisten", schildert Falkenberg. Die meisten Interessenten wünschten sich einen Garten in Wohnortnähe und seien nicht bereit, ans andere Ende der Stadt zu fahren.
Der Landesverband vertritt nicht mehr die Ansicht, dass vakante Flächen in Neubaugebiete verwandelt werden sollten. "Darüber diskutiert niemand mehr", sagt Falkenberg. Ressortsprecherin Schlee verweist zudem darauf, dass der grüne Westen im Sommer eine wichtige Aufgabe erfüllt: "An heißen Tagen sind die Kleingartengebiete Einfallstore, durch die nachts kühle Luft aus dem Blockland in die Stadt strömen kann." Große Wohnblöcke wären für diesen Effekt kontraproduktiv.

Viola Falkenberg vertritt als Vorsitzdende des Landesverbands der Gartenfreunde die Interessen der Kleingärtner.
Stattdessen nutzt das Umweltressort eine Möglichkeit, die nicht im Konflikt zur "städtischen Klimaanlage" steht. "In den vergangene vier Jahren haben wir ungefähr 25 brachgefallene Parzellen im Bremer Westen im Rahmen von Kompensationsmaßnahmen nach dem Bundesnaturschutzgesetz zu Streuobstwiesen entwickelt", erläutert Schlee. Kompensationen sind mitunter nötig, wenn an anderen Stellen der Stadt im Zuge von Neubauprojekten Grünflächen verschwinden.
Laut Schlee hat das Umweltressort in den rund 25 Fällen die Parzellen von Unrat befreit und Lauben sowie Kaisenhäuser abgerissen. Nach einer Kampfmittelräumung seien die Flächen mit regionalem Saatgut und alten Obstbaumsorten aus dem Großraum Bremen neu bepflanzt worden.
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Für Falkenberg sollte es in Zukunft auch darum gehen, in welchen Stadtgebieten ein Bedarf für neue Kleingärten bestehen könnte. "Ich halte es für einen Fehler, dass bei der Entwicklung der Überseestadt daran überhaupt nicht gedacht wurde", argumentiert sie. Sie habe den Eindruck, dass das in der Pandemie gewachsene Interesse kein Strohfeuer sei. "Natürlich haben einige junge Menschen ihren Gärten wieder den Rücken gekehrt. Viele bleiben aber auch am Ball", betont Falkenberg.