Durch den Garten betreten Besucher das große Außengelände der Kindergruppe Löwenzähnchen. Vorbei am "Rennhügel", einem Beet mit einem Pfad aus aufgeschüttetem Rindenmulch, geht es zu den Kaninchenställen, der kleinen Kletterwand und dem Sandkasten mit Spielhäuschen. Wer hier betreut wird, ist viel draußen. "Natürlich groß werden" lautet das Motto der Kindergruppe Löwenzähnchen in Huchting, die seit 2013 von den Tagesmüttern Carola Hamann und Mandy Vonnoe betrieben wird. "Hat das Kind genug geschlafen, gegessen, ist die Windel gewechselt?", fragen die beiden meist, wenn Eltern ihre Kinder ab 7.30 Uhr zum Morgenkreis bringen. Der Austausch über die Befindlichkeit von Kind und Eltern ist den gelernten Erzieherinnen wichtig. "Man begleitet die Familien sehr eng, in guten wie in schweren Zeiten, gibt auch Ratschläge", sagt Vonnoe.
Rückblickend war es für beide genau die richtige Entscheidung. Doch vor zehn Jahren aus gesicherter Festanstellung in die Selbstständigkeit zu gehen, habe sich wie ein Wagnis angefühlt. Der Leidensdruck durch den Fachkräftemangel an den Kitas sei noch nicht so hoch gewesen wie heute. Inzwischen sind sie mit ihrer Kindergruppe erfolgreich. "Wir könnten sogar das Doppelte an Plätzen anbieten", sagt Mandy Vonnoe. Gerade in Huchting gebe es viele Kinder, aber wenige Betreuungsplätze. "Wer uns sucht, findet uns", so die 48-Jährige. Meist über Mundpropaganda: "Eine Familie ist mit dem vierten Kind dabei." Hamann zufolge entscheiden sich Eltern gezielt für die Tagespflege – in Zeiten des Kita-Notstands eine "direkte, gute und verlässliche Betreuung, die nicht wechselt". Im Erdgeschoss ihres Altbremer Hauses betreuen sie an fünf Tagen pro Woche gemeinsam acht bis zehn Kinder unter drei Jahren. Großtagespflege nennt sich diese Betreuungsform.
Aktuell ist Bildungssenatorin Sascha Aulepp dabei, dieses Betreuungsformat zu fördern und in abgewandelter Form dauerhaft in Bremen einzurichten. Mit dem Unterschied, dass die Tageseltern nicht freiberuflich tätig, sondern bei einem Träger angestellt sind. Das soll Anreize für den Beruf der Tagespflegeperson schaffen. Fachfremde Zusatzaufgaben wie Verwaltungstätigkeiten übernimmt dann etwa der Träger. Die Hansestadt arbeitet hier mit dem Familienservice Weser-Ems zusammen, der in Niedersachsen bereits 28 solcher Häuser betreibt. Gerade ist im Bürgerhaus Vegesack die erste Großtagespflegestelle dieser Form eröffnet worden.
Für die Huchtinger Tagesmütter sei nicht absehbar gewesen, dass sich ihr Geschäftsmodell tragen würde. "Der Bedarf hat sich durch den 2013 eingeführten Rechtsanspruch für unter Dreijährige auf einen Betreuungsplatz verändert", sagt Hamann. Die 45-Jährige hatte zuvor hauptsächlich in Kitas der Bremischen Evangelischen Kirche gearbeitet. Verglichen mit dem Angestelltendasein arbeite sie nun zwar mehr. "Wenn die Kinder abgeholt werden, ist die Arbeit nicht vorbei", sagt sie. Einkaufen, Essen kochen, Aufräumen und Büroarbeiten inklusive Entwicklungsdokumentation gehörten selbstverständlich dazu. Sie sei aber auch weniger krank, die Arbeitsmotivation höher. "Dass man die Bedingungen mitgestalten kann, macht die Kindertagespflege aus", so Hamann.
Nach Angaben des Bildungsressorts ist die Nachfrage nach Plätzen bei Tageseltern in Bremen beständig höher als die Zahl der angebotenen Plätze. "Aktuell stehen 769 gemeldeten Betreuungsverhältnissen 69 offene Anfragen gegenüber", sagt Aygün Kilincsoy, Sprecher der Bildungssenatorin. Anfang August arbeiteten in Bremen 208 Tagespflegepersonen, teilt Bärbel Bergmann mit, die beim Fachdienst Pflegekinder in Bremen (PiB) für die Eignungsüberprüfung der Bewerber zuständig ist. Die Anzahl der Tageseltern sei in den vergangenen Jahren mehr oder weniger gleichgeblieben. Für die Ausbildung kooperiert PiB mit dem Paritätischen Bildungswerk (PBW), in deren Fachschule die Kurse im Frühjahr und Herbst stattfinden. Finanziert werden sie von der Stadt.
Laut Bildungswerk ist die Nachfrage nach den Qualifizierungskursen in diesem Jahr hoch wie nie. Seit Januar sind vier Kurse mit durchschnittlich rund 15 Teilnehmern gestartet. "Das waren allein im ersten Halbjahr drei Kurse pro Halbjahr mehr als sonst", so Bergmann. Dies habe entscheidend mit einer Neuerung zu tun: Seit Herbst 2022 ist rund die Hälfte der Kurse für Bewerber ausgelegt, die auf dem deutschen Sprachniveau von B1 einsteigen – "aber durch ein Angebot von sprachlichen Zusatzelementen auf demselben Fachniveau arbeiten und abschließen wie alle Kindertagespflegepersonen", sagt Bergmann.
Die Kindertagespflege ist anderen Betreuungsformen gleichgestellt – die Platzvergabe erfolgt wie bei den Kitas zentral über die Stadt. Die meisten Eltern entschieden sich bewusst und exklusiv für eine der Betreuungsarten. "Ergänzend zur Kita gibt es zwar Anfragen", so Bergmann – die könnten aber wegen des Fachkräftemangels kaum bedient werden. Auch Platzsharing sei selten möglich.