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Mit 16 Tonnen durchs Nadelöhr Wie Bremens Feuerwehr mit Löschfahrzeugen durch enge Wohnstraßen fährt

Bei Brandeinsätzen zählt für die Feuerwehr jede Sekunde. Zugleich muss sie mit ihren riesigen Löschfahrzeugen durch enge Straßen. Wie funktioniert das? Der WESER-KURIER hat es sich angeschaut.
19.05.2025, 06:22 Uhr
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Wie Bremens Feuerwehr mit Löschfahrzeugen durch enge Wohnstraßen fährt
Von Ralf Michel

Beim Abbiegen in die Seeberger Straße wird es eng. Richtig eng. Direkt in der Einmündung stehen zwei Pkw, rechts ein schwarzer Benz, links ein roter VW Up. Beide dürften hier nicht parken, sie stehen viel zu nahe am Kreuzungsbereich. Steffen Willige am Steuer des Feuerwehrfahrzeuges weiß das. Nur nutzt ihm das in diesem Moment wenig. Sie stehen nun einmal dort. Und er muss hier durch. Mit einem achteinhalb Meter langen Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeug. 2,50 Meter breit, 3,50 Meter hoch und 16 Tonnen schwer. Im Zeitlupentempo rollt der Koloss vor, Zentimeter um Zentimeter – auf Testfahrt mit der Feuerwehr durch Bremens Wohnstraßen.

„So ist nun einmal das Parkverhalten der Leute“, hatte Nikolas Nikolopoulos in der Vorbesprechung gesagt. „Die stehen im absoluten Halteverbot, achten nicht auf schraffierte Flächen, quetschen ihre Wagen in Lücken, dass es für sie gerade noch so passt.“ Aber eben nicht mehr für den Abbiegewinkel eines Löschfahrzeuges. Aufregen tut sich der stellvertretende Wachabteilungsleiter der Wache 1 Am Wandrahm darüber nicht. „Ja, es gibt Probleme, aber die Bebauung gibt das halt so her. Dann muss ich eben sehen, wie ich das vor Ort hinbekomme“, betrachtet er die Sache mit der in seinem Beruf wohl notwendigen Gelassenheit. „Bisher haben wir’s ja noch immer gut hingekriegt.“

Weit muss Steffen Willige nicht fahren, um seinen Chef zu bestätigen. Er will von der Findorffstraße nach links in die Brandtstraße abbiegen. Wie bei einem Lkw muss er in Kurven weit ausholen, die Spiegel dabei ständig im Blick. Was in seinem Fall sechs (!) Außenspiegel bedeutet. Hinzu kommen zwei am Armaturenbrett angebrachte Bildschirme – eine Kamera zeigt, was hinter dem Löschfahrzeug passiert, eine zweite deckt beim Abbiegen den toten Winkel ab.

Als Fahrer müsse er die Augen ohnehin überall haben, erklärt der 26-jährige Brandmeister. Denn sobald er Blaulicht und Sirene einschaltet, herrsche für die Verkehrsteilnehmer um ihn herum Ausnahmezustand. Da reagierten viele ganz anders, als sie eigentlich müssten. Wollen Platz machen, fahren dafür aber hektisch in die verkehrte Richtung. Bleiben unvermittelt stehen. Oder haben – wie insbesondere Radfahrer – Kopfhörer auf und bemerken das herannahende Löschfahrzeug zu spät, wenn überhaupt.

So ist nun einmal das Parkverhalten der Leute
Nikolas Nikolopoulos, Feuerwehr Bremen

Seit zwei Jahren fährt Steffen Willige Löschfahrzeuge. Ihm gefällt es, hinter dem Lenkrad der schweren Fahrzeuge zu sitzen. Trotz des hohen Stresslevels bei Brandeinsätzen. Vor allem, wenn man davon ausgehen muss, dass Menschen in Lebensgefahr sind und jede Sekunde zählt. „Aber wenn du dann plötzlich einen Falschparker vor dir hast, geht dieser Stresslevel noch mal extra hoch“, erzählt der 26-Jährige. „Du siehst schon die Einsatzstelle und die Leute dort sehen dich, aber du kommst nicht zu ihnen durch.“

Nicht einfach, in die Brandtstraße einzubiegen. Direkt in der Einmündung steht der Kombi eines Handwerkers, der zwei Häuser weiter zu tun hat. Er hatte nur kurz gehalten, um Werkzeug und Material abzuladen. Nicht wirklich ein Problem, er fährt seinen Wagen sofort zur Seite, um Steffen Willige Platz zu machen. Schwieriger ist es mit den beiden Pkw, die rechts und links vor dem Kombi parken. Auch sie stehen noch im Schwenkbereich des Feuerwehrfahrzeuges. Und anders als beim Handwerker – keine Spur von ihren Besitzern.

Zwei Feuerwehrmänner steigen aus, um ihrem Kollegen am Steuer mit Handzeichen einzuwinken. Im Ernstfall könne das auch mal einen abgefahrenen Seitenspiegel oder Kratzer im Blech bedeuten, sagt Nikolas Nikolopoulos. „Ist ja nicht so, dass man gar nicht reinkommt.“ Letztlich eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Was ist ein kaputter Spiegel, wenn es um Menschenleben geht…?

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Natürlich muss jeder verursachte Sachschaden angezeigt werden, betont Christian Patzelt, Sprecher der Feuerwehr Bremen. „Sonst wäre es wie bei jedem anderen Unfallflucht.“ Eigens dafür gibt es bei der Feuerwehr Unfallaufnahmebeamte. Pro Monat kämen schon ein paar Unfälle zusammen, einer pro Woche, schätzt Patzelt. „Aber über 90 Prozent sind Blechschäden, die bei Alarmfahrten entstanden sind.“

Und wenn trotz allem kein Durchkommen ist für das Löschfahrzeug? „Man fährt halt ran, so weit es geht. Dann steige ich aus und schau mir die Sache an“, erklärt Nikolopoulos. „Wenn wirklich nichts mehr geht, muss man eben von dem Standort aus arbeiten, an dem man gerade steht.“

Steffen Willige lenkt das Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeug inzwischen durch die Seeberger Straße. Das Nadelöhr in der Einmündung hat er erfolgreich passiert (ohne Blechschäden!), aber viel besser wird es nicht. Überall aufgesetztes Parken, oft auf beiden Straßenseiten. Es sind meistens sogar relativ kleine Pkw und deren Besitzer haben genau genommen nichts oder nicht viel falsch gemacht. Aber dann ist da der Citroën C2, der schräg gegenüber einer Barke parkt, der Opel Corsa, der auf Höhe einer Baumscheibe steht, und ausgerechnet ein Smart, dessen Fahrer es beim Einparken nicht ganz so genau genommen hat und der nun ein bis zwei handbreit zu weit in die Fahrbahn ragt. Links und rechts verbleiben 20 bis 30 Zentimeter für Willige. Mehrfach sind es noch weniger. Die gesamte Straße lang. Und dabei ist es erst früher Nachmittag. „Überall noch freie Lücken“, merkt Nikolopoulos an. Kein Vergleich zu abends oder an Wochenenden, wenn hier alles komplett zugeparkt ist.

Würde es hier irgendwo tatsächlich brennen, käme ein weiteres Problem hinzu. Das Fahrzeug ist 2,50 Meter breit. „Aber Fahrzeugbreite ist nicht gleich Arbeitsbreite“, betont Nikolas Nikolopoulos. Er und seine Kollegen müssen auch aussteigen können und die Trittflächen ausfahren, um an ihre Arbeitsgeräte in den Seitenkästen des Fahrzeugs heranzukommen. An den Schnellangriffsverteiler mit dem vormontierten Schlauch, an die Atemschutzausrüstung oder den Akkuspreizer … „Entwicklungsfläche“ nennt die Feuerwehr die etwa 80 bis 100 Zentimeter Arbeitsfläche, die sie um das Fahrzeug herum benötigt. Und das Hilfeleistungslöschfahrzeug ist übrigens bei Weitem nicht der größte Wagen im Fuhrpark der Feuerwehr. Da ist zum Beispiel das Spezialfahrzeug für den Einsatz bei Gaseinsätzen in Wohngebieten. Ganz zu schweigen von der Drehleiter mit ihren circa zwei Meter breiten Stützfüßen an jeder Seite.

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Nach einer guten Stunde endet die Testfahrt für den WESER-KURIER. In diesem Fall durch Findorff, aber es hätte praktisch überall sein können in Bremen, sagt Behördensprecher Christian Patzelt. „Es gibt bestimmte Ecken, da ist der Parkdruck zu bestimmten Zeiten einfach extrem hoch.“ Die Straßenverkehrsordnung allein helfe hier letztlich nicht weiter. „Da ist auch die Sorgfaltspflicht der Anwohner gefragt.“ Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit in den Einmündungen, ein bisschen mehr Rücksicht auf Sperrbereiche. „Wenn das mehr beachtet würde, wäre schon viel geholfen.“

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