Wahrscheinlich würde es passen, aber das Risiko ist zu groß: Der Straßenbahnfahrer überholt das Lastenrad nicht. Ein paar Meter folgt er dem Radfahrer, bevor sich die brenzlige Situation auflöst. Das Rad biegt auf den Radweg ab, der an dieser Stelle beginnt.
Auf dem Buntentorsteinweg in der Neustadt wird es regelmäßig eng. Zwischen dem Kirchweg und der Meyerstraße gibt es nur abschnittsweise einen Radweg – meistens müssen sich Radfahrer die Straße mit parkenden und fahrenden Autos sowie Straßenbahnen teilen. Diese Kombination ist in Bremen nicht ungewöhnlich, aber mancherorts ist der Platz so begrenzt, dass es immer wieder zu Konflikten kommt. Radfahrer leben dabei naturgemäß besonders gefährlich.
Gefahr durch Autotüren
Der Buntentorsteinweg ist eines der Beispiele, die Philipp Bruck zusammengetragen hat. Drei Anfragen des Grünen-Politikers standen in der jüngsten Fragestunde der Stadtbürgerschaft auf der Liste. Alle beschäftigen sich mit Bremer Straßen, in denen die Verkehrsführung nicht unbedingt auf Radfahrer zugeschnitten ist. Bruck formuliert das deutlich offensiver: "Wo sollen Radfahrende im Buntentorsteinweg zwischen Kirchweg und Meyerstraße fahren, um legal und gesund ans Ziel zu kommen?", fragt er.
Bruck stellt zur Auswahl: "In der Dooring-Zone, in der die Gefahr besteht, dass sie einer sich öffnenden Autotür zum Opfer fallen?" Oder: "In dem schmalen Streifen zwischen Dooring-Zone und Straßenbahnschienen, in dem sie häufig mit wenigen Zentimetern Abstand von Autos überholt werden?" Und zuletzt: "Zwischen den Schienen, wo sie von Autofahrer*innen häufig angehupt und bedrängt werden?"
Mit den Antworten, die Bruck vom Verkehrsressort erhalten hat, ist er nicht zufrieden. Teilweise seien sie falsch, sagt der Grünen-Politiker. Die Behörde teilt mit, dass der rechte Fahrstreifen im betroffenen Abschnitt "in der Regel" breit genug sei, um den vorgesehenen Abstand von 50 Zentimetern zu den parkenden Autos einzuhalten. In der Realität stellt sich das Bruck zufolge oft anders dar. Tatsächlich ist der Abstand häufig geringer – zum Beispiel, wenn größere Fahrzeuge am Straßenrand parken. Fraglich ist zudem, ob 50 Zentimeter Abstand ausreichen, um einer Autotür auszuweichen. Organisationen wie der ADFC empfehlen einen Mindestabstand von einem Meter.
Weiter schreibt die Behörde, dass die Distanz zwischen den Schienen und den parkenden Fahrzeugen in der Regel zwei Meter betrage. Auch diese Regel hat augenscheinlich viele Ausnahmen. Zwischen der Straßenbahn selbst, die nach links und recht deutlich hinausragt, und den parkenden Autos ist der Abstand an etlichen Stellen ohnehin deutlich kleiner.

Der Abstand zwischen Straßenbahnen und parkenden Autos ist mancherorts so gering, dass Radfahrer nicht mehr dazwischen passen.
Ein anderes Beispiel ist die Graf-Moltke-Straße in der Östlichen Vorstadt. Straßenbahnen fahren dort nicht, aber ansonsten sieht Bruck die gleichen Probleme wie in der Neustadt. Es bestehe für Radfahrer das Risiko, rechts auf dem Schutzstreifen dicht überholt oder von einer Autotür getroffen zu werden. Wer mittig auf der Straße fahre, werde bedrängt und angehupt. Bruck demonstriert das in einem Selbsttest, den er als Video bei Instagram veröffentlicht hat.
Mindestabstand von 1,5 Metern
Die Verkehrsbehörde antwortet auf Brucks Anfrage zur Graf-Moltke-Straße, dass der Schutzstreifen den geltenden Anforderungen entspreche und von Radfahrern akzeptiert werde. Die Straßenbreite lasse auch ein vorschriftsmäßiges Überholen zu. Zudem verweist die Behörde auf die polizeiliche Unfallstatistik, der zufolge es in den vergangenen drei Jahren in der Straße keine Dooring-Unfälle gegeben habe. Besondere Probleme durch zu enge Überholmanöver seien nicht bekannt. Bruck erwidert, dass viele kleine Unfälle nicht erfasst würden. Unabhängig davon hätten viele Radfahrer ein schlechtes Gefühl und mieden die Straße teilweise.
Brucks dritte Anfrage bezieht sich auf den Kommodore-Johnsen-Boulevard in der Überseestadt. Die Antwort bringt die Erkenntnis hervor, dass der Schutzstreifen für Radfahrer auf dieser Straße praktisch nutzlos ist. Grund dafür ist die 2020 eingeführte Mindestabstandsregel von 1,5 Metern beim Überholen von Radfahrern. Diese könne bei einer verbleibenden Fahrbahnbreite von drei Metern nicht eingehalten werden, schreibt die Behörde. Heißt: Autofahrer dürfen Radfahrer auf dem Kommodore-Johnsen-Boulevard grundsätzlich nicht überholen. In der Praxis sieht es auch dort oft anders aus.
Brucks Fragen wurden schriftlich beantwortet, weshalb er in der Bürgerschaft keine Gelegenheit für Nachfragen hatte. Das holt er nun nach – und erkundigt sich dabei auch nach konkreten Verbesserungen für Radfahrer. Dass große bauliche Veränderungen in den Straßen schwierig umzusetzen sind, wie es auch die Behörde an mehreren Stellen betont, ist Bruck bewusst.
Für den Buntentorsteinweg und die Graf-Moltke-Straße bringt er unter anderem die Ausweisung als Fahrradstraßen, Rotmarkierungen, Piktogramme und Überholverbote ins Spiel. Auch nach der möglichen Umwandlung von Parkflächen in eine Fahrradspur erkundigt Bruck sich. Für den Kommodore-Johnsen-Boulevard will er zum Beispiel wissen, ob das Überholverbot von Radfahrern durch Schilder gekennzeichnet werden soll.