Kinder der benachbarten Kitas Hulsberg und Betty-Gleim-Haus bekamen am Mittwoch in der Bismarckstraße vor ihren Kitas Schutz durch einen Kontaktbeamten der Polizei Bremen. Der Polizist sorgte für Ordnung beim Besteigen und Verlassen der beiden Reisebusse, mit denen die Kinder zur sogenannten Waldwoche gefahren waren. Auch am Donnerstag wird ein Kontaktbeamter vor Ort sein. Hintergrund ist eine Eskalation mit einem Radfahrer am Dienstag, der laut Zeugen rücksischtslos durch die Menge der Kinder gefahren sein soll, Kinder beiseite geschubst beziehungsweise getreten, eine Mutter attackiert und eine Erzieherin am Kragen gepackt haben soll. Schon seit Jahren kommt es nach Angaben von Kita-Leitung und Eltern regelmäßig zu Konflikten mit Radfahrern.
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Dabei war der Anlass der Busfahrt, die einmal im Jahr ansteht, eigentlich ein Highlight: Die Kinder der Kitas Hulsberg und Betty Gleim in der Bismarckstraße brechen von Montag bis Donnerstag dieser Woche in verschiedenen Gruppen auf, um die Waldwoche zu begehen. Die Kleinen, von denen etliche ohne Garten aufwachsen, sollen das Naturerlebnis Wald erfahren und dessen Tier- und Pflanzenwelt live erleben. Um in den Wald zu gelangen, halten morgens zwei Reisebusse auf der rechten Spur der Bismarckstraße, um die Kinder einzusammeln. "In dieser Zeit stehen Eltern und Kita-Personal auf dem Radweg und dem angrenzenden Seitenstreifen, um die Kinder sicher zu begleiten, geordnet in Empfang zu nehmen oder zu übergeben und insbesondere zu verhindern, dass sie unkontrolliert in den fließenden Straßenverkehr laufen", sagt Rebecca Stehling, Mutter eines der Kita-Kinder. Das Ziel sei ausdrücklich, ein sicheres Umfeld für die Kinder beim Ein- und Aussteigen zu gewährleisten. Entsprechend bitten die Eltern, die teilweise Warnwesten tragen, vorbeifahrende Radfahrer abzusteigen, um die Kleinen nicht zu gefährden.
Doch längst nicht jeder Biker ist damit einverstanden, dass er sein Rad kurzzeitig schieben soll. "Wir haben jedes Jahr Konflikte mit Radfahrern", sagt Susanne Neundorfer-Dietrich, Leitung der Kitas Hulsberg und Betty Gleim Haus und fügt hinzu: "So eine eskalierende Situation wie gestern haben wir noch nicht gehabt." So ist nach Angaben mehrerer Eltern am Dienstagnachmittag ein Mann mit seinem Rad nicht abgestiegen, sondern durch das Gedränge der zwei- bis dreijährigen Kinder, die gerade ausgestiegen waren, gefahren. "Der Mann ist durch die Kinder durchgefahren", sagt Julia Offermann, die zu dem Zeitpunkt auf dem Radweg stand und deren dreijährige Tochter vor Ort in die Kita geht. "Er ist mir zweimal über den Fuß gefahren und hat mir den Lenker in den Bauch gerammt. Er war überzeugt, dass er im Recht ist."
Zwar sei ihre jüngere Tochter noch im Bus gewesen und habe den Vorfall nicht mitbekommen, ihre sechsjährige Tochter habe jedoch geweint und spreche seitdem über nichts anderes mehr. Offermann will den Vorfall zur Anzeige bringen. Auch Bangin Bouzi, der als Zeuge den Vorfall vor Ort erlebt hat, sagt zur allgemeinen Situation: "Die Kinder waren verängstigt und haben 'Mama, Mama' gerufen.". Der Radfahrer soll nach Angaben mehrerer Eltern nicht allein unterwegs gewesen sein, sondern hatte einen Jungen, der noch nicht im Teenageralter gewesen sein soll, auf einem weiteren Fahrrad hinter sich.
Nils Matthiesen, Pressesprecher der Polizei Bremen, sagt, die Polizei sei über den Vorfall informiert "und wird auch morgen präsent sein, um einen sicheren Ein- und Ausstieg der Kinder zu gewährleisten." Mögliche Übergriffe durch Radfahrer am Dienstag würden geprüft. Sollte es Verstöße geben, würde eine Ahndung erfolgen. Neben Straftatbeständen wie Beleidigung (§ 185 StGB), Körperverletzung (§ 223 StGB, inklusive strafbarem Versuch) oder Nötigung (§ 240 StGB), könnten auch mehrere Verkehrsverstöße vorliegen.
Dabei ist die Rechtslage eindeutig: "Nach § 20 Abs. 2 StVO ist beim Ein- und Aussteigen von Fahrgästen – auch bei haltenden Bussen am Straßenrand neben einem Radweg – Schrittgeschwindigkeit einzuhalten, ausreichender Abstand zu wahren und gegebenenfalls zu warten", sagt Matthiesen. Wer sich nicht dran hält, begehe eine Ordnungswidrigkeit. Unabhängig davon gelte stets Paragraf 1 der Straßenverkehrsordnung. Matthiesen: "Gegenseitige Rücksichtnahme ist verpflichtend – vor allem denn, wenn der Stärkere Verantwortung für die Schwächeren trägt."
Der Kontaktbeamte wird respektiert
Als am Mittwochnachmittag der Kontaktbeamte Falk Böhm in Uniform und mit einem Polizei-Bulli vor Ort die Radler bittet abzusteigen, gibt es keine Konflikte. "Alle haben verstädnisvoll reagiert, bis auf zwei kopfschüttelnde Radler", sagt Böhm. Doch auch Böhm geht davon aus, dass ohne ihn und seine Uniform die meisten Radfahrer vermutlich anders reagiert hätten. Einer der Radler, der sein Rad schieben muss, ist Pepe Jermies. Das Zwangsabsteigen ist in seinen Augen kein Problem: "Für mich ist das selbstverständlich. Man kann da nicht einfach durchpreschen." Jermies arbeitet selbst als sozialpädogischer Assistent in einer Kita. Er sagt, dass er jedoch auch dann so reagieren würde, wenn er nicht in einer Kita arbeiten würde. "Ich werde nicht auf meinen Radweg bestehen." Im Kita-Umfeld kursiert inzwischen der Name eines Mannes, der möglicherweise der aggressive Radler gewesen sein soll. Es gibt Handy-Videomaterial. Kita-Leiterin Neundorf-Dietrich will sich zu Spekulationen nicht äußern. Sie hofft, dass der entsprechende Radfahrer sich bei der Kita meldet und das Gespräch sucht. "So machen wir das bei den Kindern bei Konflikten hier auch."