Zum ersten Mal seit dem Bau des Lesumsperrwerks in den 70-er Jahren ist gestern eines der insgesamt acht zweiteiligen Hubtore aus seinem Lager entfernt worden. Ein Schwimmkran hob die tonnenschweren Segmente aus ihrer Führung. In den kommenden Wochen werden sie auf einer Werft technisch gewartet.
Grohn. Zentimeter für Zentimeter hebt der riesige Schwimmkran das schwere Tor aus der Führungsschiene. Höher und höher, 30 Tonnen Stahl schweben jetzt über dem Sperrwerk. Langsam schwenkt der Kran herum, lässt das Tor wieder herab. Minuten später liegt es auf dem Ponton. Es ist das erste Mal seit dem Bau des Lesumsperrwerks in den 70-er Jahren, dass eines der acht zweiteiligen Hubtore für eine technische Wartung komplett herausgenommen wird.
Es ist eine spannende Premiere, nicht nur für die Schaulustigen, sondern auch für die Mitarbeiter des Deichverbandes. "Wir sammeln heute wichtige Erfahrungen für die Zukunft", sagt Ingenieur Andreas Krause. In den nächsten vier Jahren sollen nämlich Zug um Zug auch die anderen sieben Doppeltore, die auch Hubschütze genannt werden, herausgehoben und gewartet werden. Was dabei alles beachtet werden muss, welche unvorhergesehenen Schwierigkeiten sich beim Herausheben ergeben können – das stellt sich jetzt heraus.
Der Schwimmkran bringt die Tore zu einer Werft. "Dort werden sie untersucht, gestrahlt und neu mit Farbe beschichtet", erläutert Wilfried Döscher, Geschäftsführer des Bremischen Deichverbandes am rechten Weserufer. Die Jahre im Wasser haben den Toren an einigen Stellen ordentlich zugesetzt. Deshalb wird der Stahl unter anderem auf seine Festigkeit überprüft. "Zuletzt wurde der Korrosionsschutz an den Toren vor 20 Jahren erneuert – allerdings blieben die Tore damals eingebaut", erläutert Krause. Das sei heute allein aus Gründen des Umweltschutzes nicht mehr möglich, "außerdem kommt man so an bestimmte Teile einfach nicht heran". Auch die mechanischen Teile an den Toren werden überarbeitet und zum Teil erneuert, ebenso die Dichtungen.
Die Ketten, an denen die Hubschütze hoch und runter gezogen werden, wurden vor etwa 15 Jahren zuletzt gewartet. "Die haben wir jetzt natürlich auch gleich mit rausgenommen", sagt Krause. Er weist auf die mächtigen Kettenglieder: "Obwohl sie aus Edelstahl bestehen, sind sie nach all den Jahren an einigen Stellen korrodiert."
Die Arbeiten werden mehrere Wochen in Anspruch nehmen, "auch, weil einige Ersatzteile noch nicht eingetroffen sind". Voraussichtlich Anfang Oktober könnten die Tore wieder eingesetzt werden. Etwa 250000 Euro kostet die Revision der beiden Hubschütze – eine Investition, die für den Hochwasserschutz in Bremen immens wichtig ist, wie Döscher betont, "denn das Lesumsperrwerk hat für den Hochwasserschutz eine herausragende Bedeutung".
Schlüsselereignis zum Bau des Sperrwerks war die Sturmflut im Februar 1962. Damals liefen die Deiche an Lesum und Wümme über und wurden erheblich beschädigt. Im Jahr 1968 wurde der Bau des Lesumsperrwerks beschlossen. "Dabei war es logisch, dass nicht nur ein Sperrwerk, sondern drei für die Unterwesernebenflüsse Hunte, Ochtum und Lesum geschaffen werden müssen", erläutert Döscher. Im Oktober 1979 wurden die drei Sperrwerke in Betrieb genommen.
Doppelte Deichsicherheit
Um die natürlichen Wasser- und Tideverhältnisse nicht zu beeinflussen, ist das Lesumsperrwerk in der Regel geöffnet. Erst bei zu erwartenden Wasserständen von 30 Zentimeter über dem mittleren Tidehochwasser, das bei 2,40 Meter über Normalnull liegt, werden die 15 Meter breiten Hubtore geschlossen. Die Hubschütze, die nun nach und nach gewartet werden, sind die wichtigsten Elemente des Sperrwerks.
"Die zwei Teile eines Hubtores werden als Ober- und Unterschütz bezeichnet", erläutert Krause. Abgesperrt werde, indem sich das Unterschütz wasserdicht an die Bodenschwelle am Grund presse. "Das Oberschütz wird seitlich versetzt darauf abgesetzt." Damit die Deiche gleich doppelt gesichert sind, liegen in jeder der vier Sperrwerkdurchfahrten jeweils zwei zweiteilige Hubtore hintereinander. "Für den Fall, dass eines mal nicht funktionieren sollte, gibt es also immer noch das zweite, das wir schließen können", sagt Krause. In der Durchfahrt, aus der die Hubtore herausgenommen wurden, bleibt das noch verbliebene Hubschütz in den nächsten Wochen vorsichtshalber dauerhaft geschlossen.