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Auseinandersetzung bei Persischer Nacht Prozess um Messerattacke: Widersprüche im Zeugenstand

Im Amtsgericht hat der zweite Versuch begonnen, die Messerattacke bei einer Veranstaltung im Weserstadion aufzuklären. Ein zähes Unterfangen, obwohl es im Gerichtssaal wieder hoch herging.
24.05.2018, 19:19 Uhr
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Prozess um Messerattacke: Widersprüche im Zeugenstand
Von Ralf Michel

Ein Zeuge, wie gemalt für die Verteidigung; Polizisten, denen vorgeworfen wird, einen Wagen ohne Genehmigung durchsucht zu haben; ein Familienclan, der meint, ohnehin alles besser selbst regeln zu können und schließlich Blut an der mutmaßlichen Tatwaffe, das gar keines ist – im Gerichtsverfahren um eine Messerattacke bei der Persischen Nacht im Weserstadion fehlt es weiterhin nicht an interessanten Details. Trotzdem bleibt dieser Prozess auch im zweiten Anlauf ein äußerst zähes Unterfangen.

Am 11. Dezember 2016 wollten vier Männer aus Bremen die Persische Nacht im Business-Bereich des Weserstadion besuchen. Am Eingang wurde ihnen von den Türstehen der Zutritt zu der privat organisierten Feier verwehrt. Laut Staatsanwaltschaft kam es daraufhin zunächst zu verbalen Auseinandersetzungen, Schubsereien und Gerangel. Dann habe einer der Angeklagten ein Messer gezückt und einem der Türsteher eine sieben Zentimeter lange Narbe im Gesicht zugefügt.

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Bereits im November wurde hierzu am Amtsgericht der Prozess begonnen, platzte aber nach zwei Verhandlungstagen. Erst fehlten Zeugen, dann einer der Schöffen. Nun also der zweite Versuch. Und alles ist wie gehabt: Zum ersten Verhandlungstag erschienen die beiden als Zeugen geladenen Türsteher einer Hamburger Sicherheitsfirma nicht, darunter das Opfer der mutmaßlichen Messerattacke. Beide sollen am nächsten Verhandlungstag zwangsvorgeführt werden.

Ein Zeuge fehlte - er musste bei einem Fußballspiel arbeiten

Am Donnerstag fehlte erneut ein Zeuge, diesmal ein Polizist. Der allerdings war entschuldigt – er war abends zum Dienst bei einem Fußballspiel in Kiel eingeteilt. Auch in der Reihe der Angeklagten gab es am Donnerstag zunächst eine Lücke. Erst mit einer guten Stunde Verspätung erschien der Mann im Gerichtssaal. Er habe den Termin völlig vergessen, entschuldigte er sich.

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"Ist doch alles so lange her"

Den eigentlichen Höhepunkt des Verhandlungstages lieferte dann jedoch ein Zeuge, der pünktlich kam – der Mitarbeiter einer Bremer Sicherheitsfirma, die ebenfalls bei der Veranstaltung im Einsatz war. Der Mann stand nach eigenem Bekunden nur ein paar Meter hinter den Hamburger Türstehern. Angaben zur Tat konnte er trotzdem nicht machen. Der Richter versuchte es mit Engelszungen: „Die lautstarke Auseinandersetzung, die angeblichen Schubserei, das Aussehen der Angreifer... irgendwas...?“ Vergebens: „Was soll ich dazu sagen?“, zuckte der Zeuge nur mit den Schultern. „Ist doch alles so lange her.“

Wobei der Mann durchaus kein unwichtiger Zeuge war. Fünf Tage nach der Persischen Nacht hatte er bei seiner Aussage gegenüber der Polizei die Angeklagten schwer belastet. Aggressiv seien sie gewesen und die Türsteher mit den Worten „Wisst ihr nicht, wer wir sind?“ angeherrscht. „Die wollten da mit Macht rein, sonst hätten sie nicht von dem Messer Gebrauch gemacht“, zitierte der Richter die Aussagen des Zeugen vor der Polizei. Im Gerichtssaal räumte er nun ein, dass er das mit dem Messer nur von den Türstehern gehört hatte. Ansonsten blieb er bei seiner Standardaussage: „Kann ich mich nicht dran erinnern.“

"Dann sage ich jetzt eben gar nichts mehr"

Umso überraschender kam dann seine Aussage, im Gerichtssaal drei der Angeklagten wiederzuerkennen. Fünf Tage nach der Tat hatte er die Angeklagten dagegen bei der Vorlage von Lichtbildern im Polizeirevier gar nicht oder allenfalls mit 50 bis 70 prozentiger Sicherheit erkannt. Die Verteidiger ließen sich all dies natürlich nicht entgehen und bohrten bei jedem der zahlreichen Widersprüche nach, in die sich der Zeuge verstrickte. Worauf dieser deutlich eingeschnappt reagierte: „Dann sage ich jetzt eben gar nichts mehr.“

Der restliche Verhandlungstag diente der Vernehmung von Polizeibeamten, die die vier Angeklagten direkt nach der Tat beim Stadionbad aufgegriffen hatten. Das Quartett sei äußerst aggressiv gewesen, berichteten die drei vernommenen Polizisten unisono. „Wir gehören der Familie Miri an, wir klären das selbst“, habe einer gesagt und die Polizisten aufgefordert, zu verschwinden. Die vier Männer hätten sich selbst als Opfer gefühlt. Die Türsteher hätten ein Messer gezogen und sie mit Pfefferspray traktiert. Tatsächlich hätten drei der vier Männer starke Schmerzen gehabt, weil sie Pfefferspray in den Augen hatten, berichteten die Polizisten. Hieraus habe sicherlich auch ein Teil ihrer Aggressivität resultiert.

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Die Verteidigung interessierte in diesem Zusammenhang vor allem die Durchsuchung des Autos der vier Angeklagten. Die habe der Eigensicherung gedient, erklärte einer der Polizisten. Die Stimmung sei insgesamt sehr aufgeladen gewesen. Die vier Männer wären herumgelaufen, da habe er nur kurz in den Wagen geschaut, weil er sichergehen wollte, „dass im Wagen keine Waffen liegen, die sich dann einer rausholt“. Tatsächlich fand der Polizist dabei „ein Messer mit Blutanhaftungen“.

Hat die Polizei einseitig ermittelt?

Die Verteidiger widersprachen der Durchsuchung des Wagens. Die Situation sei zu diesem Zeitpunkt längst beruhigt gewesen, die Polizei mit 15 Beamten vor Ort. Da hätte man den normalen Dienstweg mit einem Durchsuchungsbefehl gehen können. Und dass es sich bei den Spuren am Messer tatsächlich um Blut handele, sei eher unwahrscheinlich. Zumindest sei dies nie von der Polizei untersucht worden, nachdem sich auch das mutmaßliche Blut auf der Kleidung von einem der Angeklagten als etwas ganz anderes herausgestellt hatte.

Für die Verteidiger ist das nur ein weiteres Indiz dafür, dass Polizei und Staatsanwaltschaft nur einseitig ermittelt hätten. Angaben, die nicht die Angeklagten, sondern die Türsteher belasteten, seien nicht verfolgt worden. Was das mutmaßliche Hauptopfer hierzu sagt, der Mann, der mit einem Messer im Gesicht verletzt wurde, könnte am nächsten Verhandlungstag, Mittwoch 30. Mai, zur Sprache kommen. Wenn der Zeuge denn diesmal erscheint.

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