Es geht um Mord in diesem Prozess, angeklagt ist ein junger Mann, zur Tatzeit gerade 20 Jahre alt. Eine eher schmächtige Erscheinung, die die Wachbeamten in Handschellen in den Gerichtssaal führen. Und doch soll er, so zumindest die Anklage der Staatsanwaltschaft, im September vergangenen Jahres seinem Opfer von hinten über die Schulter ein Messer mit einer 13 Zentimeter langen Klinge in die linke Brust gerammt haben. Das Messer traf das Opfer ins Herz. Der Mann starb noch am Tatort.
Die Zuschauerreihen in Saal 218 des Landgerichts sind gut gefüllt an diesem Donnerstagnachmittag. Den Blicken nach zu urteilen, die viele der Besucher dem Angeklagten zuwerfen, dürfte es sich um Angehörige und Freunde des Getöteten handeln. Einer der kräftig gebauten Männer in der ersten Reihe trägt ein T-Shirt mit dem Foto des Opfers.
Um sie herum jede Menge Sicherheitskräfte, das Gericht spricht in solchen Fällen von "erhöhter Wachtmeisterpräsenz". Dass es im Vorfeld der Verhandlung offenbar Hinweise darauf gab, dass es in diesem Prozess sehr emotional zugehen könnte, auch und gerade in den Zuschauerreihen, zeigen die mahnenden Worte, die die Vorsitzende Richterin gleich zu Beginn des Prozesses an die Besucher richtet. "Wir haben hier einen Tod aufzuklären und das wird einige Zeit dauern", erklärt sie. Man wolle dies in Ruhe und vernünftig tun. "Deshalb bitte ich Sie, sich ruhig zu verhalten. Sollte es zu Störungen kommen, müssen Sie den Saal verlassen."
Der Prozessauftakt verläuft dann aber ruhig. Was auch daran gelegen haben könnte, dass er kaum zehn Minuten dauert. Die Personalien des Angeklagten werden geklärt. Mit seinen 20 Jahren gilt er als Heranwachsender, verhandelt wird deshalb vor der Großen Jugendstrafkammer. Geboren ist er in Litauen, die Frage nach seiner Staatsbürgerschaft beantwortet er mit Deutsch, er soll aber auch die litauische und die libanesische Staatsangehörigkeit haben. Dann verliest die Staatsanwältin die Anklage. Weil der Angeklagte dazu keine Angaben machen will, wird die Verhandlung unterbrochen. Weiter geht es am 21. März mit der Vernehmung der ersten Zeugen.
Beschimpfungen am Telefon
Getötet wurde das Opfer zwischen dem 17. und 18. September vergangenen Jahres in einem Parzellengebiet in Huchting. Das Beziehungsgeflecht zwischen mutmaßlichem Täter, Opfer und weiteren Beteiligten ist noch unklar. Laut Anklage soll das spätere Opfer zusammen mit einem Cousin und weiteren Personen versucht haben, sich am Tattag mit zwei Frauen in dem Parzellengebiet zu verabreden. Der Mann hatte die beiden Frauen offenbar am Tag zuvor im Steintor kennengelernt und man war schon am selben Abend gemeinsam in der Gartenparzelle gewesen.
Als er tags darauf bei einer der Frauen anrief, um sich erneut dort zu verabreden, gab es offenbar einen männlichen Mithörer des Gesprächs. Der soll der Frau das Handy aus der Hand gerissen und das spätere Opfer vulgär beschimpft haben. Der wiederum machte sich anschließend mit mehreren anderen Männern auf den Weg zu der Parzelle, um den Mann, der ihn beleidigt hatte, zur Rede zu stellen.
Dort angekommen, näherte sich unmittelbar ein Mann mit einem Messer und stach zu, heißt es in der Anklage. Heimtückisch von hinten, deshalb lautet die Anklage Mord.
Was genau sich an jenem Abend in der Igelallee des Parzellengebiets zugetragen hat, will das Gericht nun mit zahlreichen Zeugenvernehmungen aufklären. Offenbar kein einfaches Unterfangen – schon jetzt sind für diesen Prozess 15 weitere Verhandlungstage angesetzt.