Scheitern, das ist das meist gebrauchte Wort an diesem Tag. Bremen ist damit gescheitert, in der Innenstadt ein großes Einkaufszentrum bauen zu lassen. An diesem Befund wird von keiner Seite gedeutelt, als die Deputierten für Bau und Wirtschaft in einer gemeinsamen Sondersitzung über dieses Scheitern beraten. Was Ursache war und die Folgen sind – da liegen die Fraktionen freilich himmelweit auseinander.
SPD und Grüne schieben die Pleite auf den Markt, der sich verändert habe. Die CDU hält das für Kokolores. Sie setzt unverändert auf das City-Center, findet mit ihrem Antrag, die Pläne weiterzuverfolgen, aber keine Mehrheit. Das Projekt, an dem so viele Hoffnungen für die Entwicklung der Innenstadt geknüpft waren, ist damit vorerst Geschichte.
„Es gibt keine Alternative, als abzuwarten“, formuliert es Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD). Warten darauf, meint er, dass der Einzelhandelsmarkt in der City wieder eine klare Richtung bekommt und die Investoren sich mit dieser Sicherheit im Rücken trauen, an einem großen Rad zu drehen.
Der Markt, das sind für Günthner zunächst einmal die beiden Warenhäuser Kaufhof und Karstadt. „Beide sind verkauft worden“, sagt der Senator. Bei Karstadt ist es allerdings nur das Gebäude, das einen anderen Eigentümer bekommen hat. Es gehört seit einem Jahr dem Bremer Kaufmann Kurt Zech. Was er mittelfristig damit vorhat weiß niemand, auch Günthner nicht: „Wir müssen zur Kenntnis, dass die großen Spieler auf dem Feld noch keine klaren Signale aussenden.“
Sie tun es nicht in der City, woanders in der Stadt aber schon, was nach Günthners Darstellung der zweite Grund ist, weshalb der Investor fürs City-Center kalte Füße bekommen hat. Das Problem hat drei Buchstaben: ECE. Europas Marktführer bei Shopping-Centern ist in Bremen zu einer Großmacht herangewachsen. Weserpark, Roland-Center und demnächst auch noch die Waterfront – alle drei Einkaufszentren laufen unter der Ägide der ECE. „Auch das“, sagt Günthner, „hat die Marktlage verändert.“
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Robert Bücking, neuer baupolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, reagiert auf diese Einschätzung geradezu alarmiert. Er spricht von einer „dramatischen Botschaft“, und will sich das gar nicht ausmalen: „Es wäre schlimm, wenn ECE diktieren könnte, was in der Bremer Innenstadt geschieht.“ Das Hamburger Unternehmen hatte sich auch für das City-Center beworben, war aber früh abgesprungen, weil es die vielen Auflagen der Stadt nicht erfüllen wollte.
Fakt ist, so erzählt es Andreas Heyer, Chef der Wirtschaftsförderung Bremen (WfB), dass der letzte übrig gebliebene Bewerber, der britisch-portugiesische Einkaufsmarktspezialist Sonae Sierra, für das 150 Millionen Euro teure City-Center nicht genügend Mietinteressenten zusammenbekommen hat. „So haben die Portugiesen mir das bei der Absage am Telefon gesagt.“ Und dass sie wegen der Leitungen, die im geplanten Baufeld spät entdeckt wurden, noch einmal neu hätten planen müssen und dabei einen Teil der veranschlagten Verkaufsfläche verloren hätten.
CDU-Fraktionschef Thomas Röwekamp hört sich das alles an, sämtliche Gründe, die vorgebracht werden, um das Scheitern zu erklären. Dann platzt ihm der Kragen: „Was ich hier höre, ist hanebüchen und an den Haaren herbeigezogen.“ Ständig werde von externen Faktoren geredet, vom Markt, der sich gedreht habe. „Tatsächlich handelt es sich doch um selbst erzeugten Bockmist.“ Seine Fraktion habe von Anfang an darauf hingewiesen, dass die geplanten Verkaufsflächen am Ansgarikirchhof zu klein seien, um Investoren anzulocken. Und dass die Stadt zu viel Geld ausgegeben habe, um mit dem Kauf des Lloydhofes Platz für ein City-Center zu schaffen.
Der Lloydhof, nun gehört er Bremen. Die Stadt hat rund 25 Millionen Euro für ein Gebäude ausgegeben, das eigentlich abgerissen werden sollte. Oben drin sitzen weiterhin die Mitarbeiter des Bau- und Umweltsenators. Eine sichere Mieteinnahme immerhin. Spätestens Ende 2017 soll die Behörde aber umgezogen sein, aller Wahrscheinlichkeit nach in ein Gebäude am Herdentorsteinweg. Spätestens dann soll der Lloydhof wieder verkauft werden.
Es gibt 22 Wohnungen in dem Komplex. Einige davon sind nach Darstellung der Wirtschaftsbehörde mittlerweile mit Flüchtlingen belegt. Andere werden bald frei und könnten dem gleichen Zweck dienen.
Für die Einzelhandelsflächen im Erdgeschoss plant die WfB vorübergehend ein „Bremer Kaufhaus“. Läden mit geringer Miete, in denen sich Kreative mit ihren Konzepten für Kunst und Kommerz ausprobieren können. Existenzgründer, Gastronomen, Designer – der Lloydhof soll bunt werden und belebt sein.