Die Bremer Innenstadt soll bis 2030 nahezu autofrei sein. Darauf haben sich am Dienstag die Unterhändler von SPD, Grünen und Linken bei ihren Koalitionsgesprächen verständigt. Zu den wichtigsten Bausteinen des Konzeptes gehören der Ausbau des Fahrradnetzes und der Bau von Fahrradbrücken in Hemelingen, Woltmershausen sowie zwischen Neustadt und Altstadt in Höhe Altenwall. Außerdem ist vorgesehen, die Martinistraße zu einer „autoarmen“ Strecke umzubauen. Um die beabsichtigte verkehrspolitische Wende zu schaffen, soll außerdem der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ausgebaut werden, auch in den Randgebieten Bremens.
Für Bus und Straßenbahn will die künftige rot-grün-rote Koalition eine andere Ticketstruktur mit einer sozialen Komponente erreichen, wie Linken-Fraktionschefin Kristina Vogt ankündigte. Wie der ÖPNV künftig finanziert werden soll, darüber gehen die Vorstellungen der künftigen Bündnispartner noch auseinander. Sie haben sich deshalb auf einen „Prüfauftrag“ verständigt: Geklärt werden soll, ob die öffentlichen Verkehrsmittel mittelfristig nicht mehr hauptsächlich über Ticketverkäufe, sondern über eine allgemeine Abgabe finanziert werden können.
Ein zweites wichtiges Thema bei der vierten Runde der Koalitionsverhandlungen war der Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB), über den Teile für Windkraft-Anlagen zur Installation auf See umgeschlagen werden sollen. Dieses Vorhaben ist insbesondere zwischen SPD und Grünen seit Langem umstritten. Während die Sozialdemokraten den Bau befürworten, wollen die Grünen den Ausstieg. Zurzeit liegen die Planungsgrundlagen zur Klärung vor Gericht.
Der Beschluss, den SPD, Grüne und Linke am Dienstag fassten, läuft auf einen faktischen Ausstieg aus dem Projekt und damit auf einen Punktsieg für die Grünen hinaus. Die rund 180 Millionen Euro, die für den Bau des OTB zurückgelegt worden sind, sollen nämlich in den nächsten vier Jahren teilweise für andere Projekte zur Förderung der regionalen Infrastruktur in der Seestadt verwendet werden – etwa für die Lebensmitteltechnologien am Standort.
Ausbildungsfonds soll kommen
Rund 20 bis 30 Millionen Euro aus dem Projekttopf waren bereits für Kampfmittelbeseitigung, Planung und Naturausgleichsmaßnahmen im Rahmen des OTB-Projektes ausgegeben worden. Nun soll die Finanzrücklage weiter abgebaut werden, um damit die Bremerhavener Wirtschaft gezielt zu fördern. Bei einem Pressegespräch nannten die Verhandlungsführer am Dienstagabend unter anderem die Ertüchtigung der Westkaje und möglicherweise auch des Container-Terminals 1 für den Umschlag von Schwerlasten. Ein formelles Bekenntnis zum Ausstieg aus dem OTB, wie von Spitzenkandidatin Maike Schaefer noch am Dienstagmorgen gefordert, konnten die Grünen der SPD jedoch nicht abringen.
Die drei Partner haben sich zudem darauf geeinigt, einen Ausbildungsfonds auf den Weg zu bringen. „Wir erhoffen uns, dass insbesondere die kleinen Betriebe, die dringend Auszubildende brauchen, davon profitieren“, sagte dazu Kristina Vogt. Derzeit gebe es gerade für sie Probleme, ihre Lehrstellen zu besetzen, weil die Bewerber keine ausreichende Qualifizierung hätten. Der Fonds ist dafür gedacht, Betriebe zu unterstützen, wenn sie entweder Auszubildende, die noch parallel Hilfe benötigen, einstellen, Geflüchtete mit Sprachbarrieren oder Alleinerziehende, die in Teilzeit ihr Lehre absolvieren.
Startpunkt für den Ausbildungsfonds soll das Ausbildungsjahr 2021/22 sein. „Zwei Jahre nehmen wir uns Zeit dafür, um ihn zu entwickeln“, ergänzte Sieling. Es solle mit den Partnern der Bremer Vereinbarung, dazu gehören unter anderem die Kammern und Gewerkschaften, darüber gesprochen werden. Eine Kommission soll sich um den Fonds kümmern. Es soll laut Vogt darum gehen, freiwillige Modelle zu entwickeln. SPD, Grüne und Linke sind sich aber einig, dass Unternehmen, die derzeit nicht ausbilden, ihren Beitrag am Fonds leisten.
Nur gegebenenfalls wird er mit öffentlichen Mitteln ergänzt. Eine sogenannte Ausbildungsumlage hatte schon der Wirtschaftssenator a. D. Martin Günthner (SPD) ins Spiel gebracht und damit in der Wirtschaft für Unmut gesorgt. Der Vorschlag war eine Reaktion darauf, dass die Unternehmen hinter den Ausbildungszielen der Bremer Vereinbarung im Ausbildungspakt zurückblieben.