Wenn irgendwo in Bremen an einer Haltstelle im Fahrgastunterstand eine Glasscheibe zu Bruch geht, kann das der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) egal sein. Schon seit 1983 ist der Verkehrsbetrieb dafür nicht mehr zuständig. Seitdem kümmert sich die deutschlandweit agierende Wall GmbH um die Bremer Haltestellen. Sie gehört wiederum seit 2009 zum Unternehmen JCDecaux, das in rund 80 Ländern insgesamt über eine Million Werbeflächen besitzt und vermarktet. Die beleuchtete Plakatanzeige ist aus der Sicht des Unternehmens daher das Herzstück jeder Haltestelle, der Unterstand mit Sitzbank und Fahrplan lediglich attraktives Beiwerk.
"Wir bieten der BSAG im Grunde ein Rundum-sorglos-Paket mit über 1000 Unterständen in Bremen", sagt Patrick Möller, Geschäftsführer der Wall GmbH. Das heißt, seinem Unternehmen gehören die gläsernen Unterstände. Es kümmert sich daher um die Sauberkeit, Wartung und Instandhaltung der Anlagen. Zwölf Mitarbeiter sind dafür mehr oder weniger täglich unterwegs. Im Gegenzug vermarktet die Wall GmbH die Werbeflächen. Bei zwei Plakatflächen je Haltestelle und laut Mediadaten knapp 15 Euro pro Tag für die Werbefläche sorgt das theoretisch für rund 30.000 Euro täglichen Umsatz aus Bremen.
Graffiti und zerstörte Glasscheiben sind dabei laut Möller Teil des unternehmerischen Risikos. "Das ist ein kaum abzustellendes Übel." Versicherbar seien die Unterstände nicht. Der Geschäftsführer betont das ureigene Interesse des Unternehmens, den gläsernen Wetterschutz jederzeit möglichst sauber und heil zu präsentieren. "Unsere Kunden wollen in einem ordentlichen Umfeld werben."
Entsprechend ungern lässt er sich genaue Zahlen entlocken, wie groß das Vandalismusproblem ist. Einige Dutzend Glasscheiben pro Monat seien es aber wohl, natürlich mit Schwankungen. "Das ist in Bremen in den vergangenen Jahren weder schlimmer noch besser geworden und auch deutschlandweit ziemlich gleich", sagt er. Bremen unterscheide sich bei dem Thema wenig von anderen Städten, und auch innerhalb Bremens sieht er in Sachen Zerstörungswut keine nennenswerten Unterschiede in den Stadtteilen.
Die Wall GmbH reagiert mit eingespielten Abläufen auf die Zerstörungen. "In den meisten Fällen ist der Glasbruch beseitigt oder die Graffiti entfernt, bevor viele Fahrgäste das überhaupt zu sehen kriegen" sagt Möller. Die Gegenmaßnahmen beginnen schon beim Design der Unterstände. Das in Bremen, Hamburg und weiteren Städten genutzte Modell stammt aus dem Londoner Architekturbüro von Norman Foster, der in Deutschland vor allem durch den Umbau des Reichstags mit der begehbaren Kuppel bekannt ist.
Der Fahrgastunterstand folgt einem strengen Baukastenprinzip. Das heißt: Es gibt nur einige wenige unterschiedliche Standard-Maße bei den Glasscheiben. "Die haben wir immer vorrätig, wenn nicht in Bremen, dann in einem anderen Lager in der Region", sagt Möller. Zerstörte Scheiben sind darum meistens in weniger als 24 Stunden ausgetauscht. Und abgesehen vom Glas bestehen die Unterstände ausschließlich aus robustem, schwer angreifbarem Stahl.
Allerdings gab es in der Vergangenheit schon mit Säure verätzte Glasscheiben. Säurereste gefährdeten in diesem Fall Fahrgäste und Wall-Mitarbeiter. "Seitdem gehören Lackmusstreifen, um die Glasoberflächen zu überprüfen, zur Standardausrüstung unsere Leute", sagt Möller. In solchen Fällen gebe es auch immer polizeiliche Anzeigen. Diese Zerstörungen seien schließlich nicht das Ergebnis "spontaner Kraftproben mit viel Alkohol", sondern Vorsatz mit krimineller Energie.