Frau Aulepp, Bildungssenatorin in einem Bundesland zu sein, das in Bildungsstudien seit Jahren die hinteren Plätze belegt, ist nicht der vergnüglichste Posten. Weshalb wollen Sie dieses Amt übernehmen?
Sascha Karolin Aulepp: Als die Bitte an mich herangetragen wurde, als Kinder- und Bildungssenatorin zur Verfügung zu stehen, habe ich gedacht, das ist eine Aufgabe, vor der ich Respekt habe. Im Kern bedeutet das Amt aber, dass ich bei etwas helfen kann, was mir schon in meinem ganzen politischen Leben am Herzen liegt, nämlich Lobbyarbeit für Kinder und junge Menschen zu machen, ihnen das in ihrem Leben zu ermöglichen, was sie sich wünschen. Und dann habe ich mir gedacht, das ist es wert. Manchen Kindern muss man auch beim Wünschen helfen. Denn manche haben den Eindruck bekommen: ,Das schaffe ich eh nicht, da ist kein Platz für mich.' Das habe ich als Jugendrichterin erlebt, und das hat mich berührt. Da anzusetzen, gemeinsam mit allen, die in Kitas und Schulen arbeiten, das ist eine schöne Aufgabe.
Haben Sie schonmal darüber nachgedacht, dass Sie diesen Posten gern ausüben würden, bevor Claudia Bogedan ihren Rücktritt ankündigte?
Ich war gerne Bürgerschaftsabgeordnete und auch sehr gerne Landesvorsitzende der SPD. Mein Plan war nie, ein Amt im Senat anzustreben. Claudia Bogedan hat als Kinder- und Bildungssenatorin sehr gute Arbeit gemacht. Ich fand es sehr schade, dass sie sich anders entschieden hat.
Haben Sie sich ein konkretes Ziel oder Zwischenziel gesetzt, das Sie in zwei Jahren erreicht haben wollen?
Es liegen in diesem Bereich drei Riesen-Herausforderungen vor uns: Erstens der notwendige Ausbau von Kita- und Schulplätzen. Dabei geht es ja nicht nur um neue Gebäude, sondern auch darum, das Fachpersonal zu finden. Die zweite große Herausforderung ist, das aufzuholen, was in der Pandemie an Defiziten entstanden ist. Und da geht es nicht nur um Fachwissen, sondern gerade bei jüngeren Kindern auch um Sprachfähigkeiten und soziales Miteinander. Die dritte große Herausforderung ist es, das umzusetzen, was wir uns im Bildungskonsens vorgenommen haben, nämlich die Qualität in der frühkindlichen und schulischen Bildung zu erhöhen. An der Umsetzung dieser Ziele will ich gerne arbeiten.
Was wollen Sie vielleicht auch anders machen als Claudia Bogedan – wo wird man künftig die Handschrift von Sascha Karolin Aulepp sehen?
Ich habe nicht das Bedürfnis, mich von Claudia Bogedan abzugrenzen. Sie hat sehr gute Arbeit geleistet. Ich bin natürlich eine andere Person mit eigenen Akzenten. Aber am Anfang muss und will ich gerne erst einmal mit denen sprechen, die sich in Kitas, Schulen und in der Behörde schon länger mit Bildung befassen, viel zuhören und mich einarbeiten.
Bremen hat in der Pandemie stark auf Öffnung von Kitas und Schulen gesetzt. Teilweise ist man am äußersten Rand dessen navigiert, was Bund-Länder-Vereinbarungen hergaben. Diese Linie hat Claudia Bogedan offensiv vertreten. Wollen Sie diesen Kurs weiterverfolgen?
Ich bin davon überzeugt, dass es für Kinder und Jugendliche am besten ist, wenn sie im persönlichen Miteinander lernen. Und das funktioniert am besten in Präsenz. Natürlich ist die Abwägung schwierig, aber es war richtig, dass Claudia Bogedan diesen Kurs so durchgehalten hat. Ich habe sie als Landesvorsitzende nach Kräften unterstützt. Wir sind jetzt in einer anderen Situation als im vergangenen Winter, viele Beschäftigte in Schulen und Kitas sind inzwischen geimpft. Dennoch: Generell fehlt Kindern oft eine Lobby, nicht nur im Umgang mit der Pandemie. Ich möchte Anwältin der Kinder sein. Ich möchte diejenige im Senat sein, die dafür sorgt, dass ihre Interessen gesehen und umgesetzt werden. Dafür braucht es natürlich auch gute Bedingungen für die Beschäftigten in Kitas und Schulen.
Worauf können sich Kinder, Eltern und Beschäftigte in Bremen einstellen, wenn das neue Schuljahr beginnt? Jens Spahn hat zuletzt verkündet, die Schulen müssten auch wieder mit Wechselunterricht rechnen...
Ich würde mich am liebsten darauf einstellen, dass dann das Impfen so stark geholfen hat, dass wir mit Corona kein großes Problem mehr haben. Aber ich fürchte, darauf können wir uns nicht verlassen. Für das neue Schuljahr spielt auch eine Rolle, ob die Ständige Impfkommission eine allgemeine Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche ausspricht.
An welcher Schraube möchten Sie vorrangig drehen, um im Herbst viel sichere Präsenz in den Schulen zu ermöglichen?
Wir müssen dafür sorgen, dass möglichst wenig Aerosole in den Räumen umherwirbeln, und da bleibt Lüften ein wesentlicher Aspekt. Und ich bin sehr dafür, dass den Kindern und Jugendlichen, die sich impfen lassen möchten, auch ein Impfangebot gemacht wird. Wir haben einen Impfstoff, der ab zwölf Jahren freigegeben ist, er ist bisher nur nicht für alle Kinder empfohlen. Wenn eine generelle Empfehlung der Stiko kommt, müssen Bremen und Bremerhaven darauf vorbereitet sein.
Wie wichtig sind Ihnen Lüftungsanlagen für Klassenräume?
Auch das ist wichtig. Immobilien Bremen muss mit der Bildungsbehörde gucken, in welchen Schulen solche Anlagen schon vorhanden und in welchen sie noch möglich sind. Der Bund hat ein Förderprogramm dafür aufgelegt. Ich erwarte schon, dass da, wo es möglich und sinnvoll ist, Lüftungsanlagen eingebaut oder Anlagen umgerüstet werden.
Bremen hat vergleichsweise wenig auf Maskenpflicht im Unterricht gesetzt. Wie stehen Sie dazu?
Je nach Pandemie-Lage kann eine Maskenpflicht notwendig sein, aber ich würde sie den Kindern gerne ersparen. Man kann aber zum neuen Schuljahr zum Beispiel darüber nachdenken, die Frequenz der Tests an den Schulen nochmal zu erhöhen.
Wie steht Bremen aus Ihrer Sicht im bundesweiten Vergleich mit seinem Umgang mit Bildung in der Pandemie da?
Ich finde es gut, dass wir es geschafft haben, Kindern so viel Kontakt und Präsenz in Kitas und Schulen zu bieten. Dafür haben wir bundesweit auch viel Anerkennung bekommen. Aber wir haben natürlich im Stadtstaat Bremen auch besondere Herausforderungen, die schon vor der Pandemie da waren. Wir sind zwei Großstädte mit all den Besonderheiten, die dazu gehören: mit vielen Kindern, die in Familien mit besonderen Herausforderungen leben, mit einer hohen Kinderarmut und mit vielen Kindern mit Sprachförderbedarf. Und es herrscht Ebbe in den öffentlichen Kassen. Zur wirksamen Bekämpfung der Kinderarmut bräuchten wir die Kinder-Grundsicherung im Bund. Aber die haben wir noch nicht. Ich werde weiterhin dafür streiten.
Das Gespräch führte Sara Sundermann.