Wenn es um Aale aus der Weser geht, hat Claus Lumma, Referent für Gewässerschutz im Sportfischer-Verein Bremen, eine klare Position: "Normalerweise dürfte die niemand mehr verzehren." Angesichts ihrer Belastung mit Schadstoffen seien diese Aale kein sicheres Lebensmittel. "Es sollte geprüft werden, ob nicht eine allgemeine Entnahmebeschränkung für Weseraale durch die Behörde erlassen werden müsste, um Schaden von Anglern, Fischern und Verbrauchern abzuwenden", fordert Lumma. Doch davon ist Bremen weit entfernt.
Aale gelten als besonders fettreiche Fische, die Umweltgifte wie PCB oder Dioxine in stärkerem Maße aufnehmen als andere Fische. In Nordrhein-Westfalen wurde der kommerzielle Aalfang und der von Nebenerwerbsfischern deshalb komplett untersagt, berichtet Lumma. In Bremen dagegen gingen sowohl die Entnahme der Aale als auch ihre anschließende Vermarktung weitgehend unkontrolliert vonstatten. "Viele Freizeitfischer gehen da völlig naiv ran", konstatiert der Gewässerschutz-Referent. "Die freuen sich, wenn sie einen Aal fangen, räuchern den, verschenken ihn an Nachbarn und Freunde weiter." Ganz zu schweigen von den Nebenerwerbsfischern, die körbeweise Aale aus der Weser holen würden. "Bei denen prüft keiner, was sie damit machen." Und das noch dazu bei einem Fisch, der vom Aussterben bedroht ist.
Die Kritikpunkte, die Lumma anführt, sind weder neu noch steht er damit allein. Bedenken gegen den Verzehr von Aalen aus der Weser gibt es zum Beispiel auch in Niedersachsen. Dort führte das Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit 2019 und 2020 ein Schadstoff-Monitoring bei Fischen durch. Die Untersuchungen in Weser, Aller, Oste, Elbe und Ems dienten der Abschätzung der Belastungssituation von ausgewählten Fischarten mit Dioxinen, dioxinähnlichen PCB und weiteren Kontaminanten.
"Anders als bei Zuchtfischen aus Aquakulturbetrieben kann der Verzehr von frei lebenden Flussfischen angesichts von unterschiedlichen Umgebungsbedingungen und Umwelteinflüssen mit gewissen Unwägbarkeiten im Hinblick auf die Belastung verbunden sein", heißt es in dem Abschlussbericht der Untersuchung, der unter anderem zu folgendem Ergebnis kommt: "Für Dioxine und polychlorierte Biphenyle ist nach wie vor eine hohe Belastung festzustellen."
Zu einer kategorischen Warnung vor dem Verzehr von Aalen und anderen Flussfischen führt dies indes nicht. Anglerinnen und Anglern wird lediglich vom "regelmäßigen Verzehr" abgeraten. Die aktuellen Ergebnisse bestätigen übrigens das Monitoring von 2010. "Angesichts des Umstandes, dass in nahezu allen untersuchten Aalen aus Elbe, Ems und Weser Höchstmengenüberschreitungen vorlagen, gelten diese Fische als nicht verkehrsfähig", hieß es seinerzeit im Abschlussbericht. "Das Institut für Fische und Fischereierzeugnisse Cuxhaven rät daher auch grundsätzlich vom Verzehr von Aalen aus diesen Flüssen ab."
Bremen unterhält kein eigenes Monitoringprogramm zur Ermittlung der Hintergrundbelastung bei Fischen, sagt Lisette Flessa aus der Pressestelle der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz. Die Weser werde jedoch in den niedersächsische Abschnitten in das dortige Monitoring einbezogen und es sei nicht damit zu rechnen, dass eigene Untersuchungen zu wesentlich anderen Ergebnissen führen würden. "Das Gesundheitsressort Bremen teilt bezüglich der Verzehrempfehlung die fachliche Einschätzung der Kollegen aus Niedersachsen."
Trotzdem teilen nicht alle die strikte Position von Claus Lumma zum Verzehr von Aalen aus der Weser: "Die ermittelten Gehalte verschiedener Umweltgifte waren zwar jeweils hoch, jedoch nicht so hoch, dass ein Verzehr- oder Verkaufsverbot aus lebensmittelrechtlicher Sicht erfolgen musste", ordnet Rainer Kahrs, Sprecher der Senatorin für Wissenschaft und Häfen, die Ergebnisse des Monitorings ein.
"Ja, die Aale in der Weser sind belastet, aber nicht in dem Maße bedenklich", sagt hierzu Jürgen Grüneberg, Sprecher des Landesfischereiverbandes Bremen. Zugleich bestätigt Grüneberg den zweiten Kritikpunkt von Gewässerschutz-Referent Lumma – die fehlende Kontrolle der Nebenerwerbsfischer. Die bräuchten zwar einen Erlaubnisschein für Aalreusen und Körbe und sollen Zahl, Gewicht und Länge der gefangenen Aale in ein "Fangbuch" eintragen. Aber überwacht werde das nicht, so Grüneberg.
"Das ist eine freiwillige Sache", bestätigt Peter Meyer-Bodes, Altmeister des Fischeramt Bremen, das die Erlaubnisscheine ausgibt. "Wir können um die Einträge in die Fangstatistik lediglich bitten." Was die Gesundheitsrisiken beim Verzehr von Aalen aus der Weser betrifft, hält es Meyer-Bodes ähnlich wie Grüneberg: "Wir können die Schadstoffe in der Weser nicht wegleugnen, aber die Belastung ist nicht so groß." Letztlich gehe es um Risikominimierung, also die Frage, wie viel Aal oder Flussfische man esse. Für den eigenen familiären Betrieb fällt diese Abwägung von Meyer-Bodes indes eindeutig aus: "Wir verkaufen in unserem Laden keine Aale aus der Weser. Dafür ist uns das Risiko zu hoch."