Die Verunsicherung bei Schwangeren ist groß. Anlass sind Medienberichte über das Medikament Cytotec, das in Deutschland als Magenschutzmittel zugelassen ist, aber im sogenannten Off-Label-Use auch zum Einleiten von Wehen eingesetzt werden darf. Den Berichten zufolge könne Cytotec in Einzelfällen zu schwerwiegenden Komplikationen bei Müttern und Kindern führen. Auch in Bremer Geburtskliniken wird das Medikament eingesetzt, um Wehen einzuleiten.
Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) will den Einsatz des Medikaments in Bremen nun genau prüfen und einheitliche Standards für den Einsatz von Cytotec mit allen Geburtskliniken festlegen: „Wir müssen jetzt sehr genau prüfen, wie die Risiken bei Cytotec einzuschätzen sind, wenn es in der Geburtshilfe verwendet wird. Es geht um Fragen der Dosierung und einer effektiven frühen Aufklärung über mögliche Risiken, letztlich um den Anspruch von Frauen auf eine umfassende Information“, kündigte Bernhard an. Das Gesundheitsressort hat außerdem eine Prüfanfrage an das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gestellt, was den Einsatz von Cytotec in der Geburtshilfe betrifft. Die Nutzen-Risiko-Einschätzung für Medikamente und in diesem Fall für Cytotec erfolge nur durch das Bundesinstitut.
Die Vorsitzende des Bremer Hebammenlandesverbands, Heike Schiffling, unterstützt das Vorgehen der Senatorin, einheitliche Standards für die Verwendung von Cytotec in Bezug auf die Dosierung zu schaffen. Dies sorge auch für Transparenz den Frauen gegenüber. Die Hebamme zeigt sich aber auch besorgt angesichts der Verunsicherung, die durch die Berichte entstanden sei: „Bei den schweren Komplikationen, die genannt wurden, handelte es sich offenbar um Fehldosierungen. Cytotec ist ein hochwirksames Medikament, das seine Wirkung tut, es leitet Wehen ein.
Ich würde es nicht an sich verteufeln. Wohl aber, wenn es falsch angewendet wird.“ Wie bei jedem anderen Medikament sei der Einsatz riskant, wenn es fehldosiert oder trotz bestimmter Kontraindikationen eingesetzt werde. Schiffling: „Das sind Operationen an der Gebärmutter und ein Kaiserschnitt. Dann besteht das Risiko eines Gebärmutterrisses. Das muss jedem bewusst sein, der es einsetzt.“ Auch bei bereits vorhandener Wehentätigkeit dürfe es nicht gegeben werden. Die Risiken: eine Sauerstoff-Unterversorgung des Kindes.
Komplikationen bei zu hoher Dosierung
In den Geburtskliniken der Gesundheit Nord am Klinikum Links der Weser und dem Klinikum Nord wird Cytotec eingesetzt, wie Sprecherin Karen Matiszick bestätigt. Weil es insbesondere bei zu hoher Dosierung Komplikationen auslösen könne, würden in der Klinikapotheke Kapseln mit niedriger Dosierung selbst hergestellt und diese unter Wehenschreiber-Kontrolle verabreicht. Matiszick: „So wird sichergestellt, dass das Baby permanent mit Sauerstoff versorgt ist.“
Die Frauen würden vor dem Einsatz aufgeklärt, dass es sich um ein Medikament im Off-Label-Use – ohne Zulassung für diesen Zweck – handele. Das Einverständnis werde per Unterschrift dokumentiert. In einer speziellen Anweisung sei zudem festgelegt, wann und vor allem bei welchen Indikationen das Medikament nicht verwendet werden darf. Matiszick: „Bisher hat es nach unserem Wissen in unseren Geburtskliniken nur positive Erfahrungen mit dem Medikament gegeben, aus unseren Geburtskliniken sind uns keinerlei Probleme oder Komplikationen durch Cytotec bekannt.“
Auch am St.-Joseph-Stift wird das Mittel mit dem Wirkstoff Misoprostol zur Einleitung von Wehen verwendet, bestätigt Sprecher Maurice Scharmer. „Wie beim Einsatz jedes anderen Medikaments gelten auch hier die allgemeinen Grundsätze der Risikoabwägung. Zum Beispiel besteht eine absolute Kontraindikation bei Zustand nach Kaiserschnitt oder einer Operation an der Gebärmutter.“ Die Klinik komme den Überwachungs- und Aufklärungspflichten nach.
Das St.-Joseph-Stift verweist wie auch das Diako auf eine Stellungnahme der Deutschen Fachgesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, die den Einsatz von Cytotec verteidigt: Entgegen der Berichterstattung sei der Wirkstoff Misoprostol zur Geburtseinleitung bei Experten nicht umstritten, weshalb fast alle Perinatalzentren höchster Ordnung diesen Wirkstoff verwendeten, heißt es. Und: Die Behauptung, dass sich die Ärzte lediglich auf Erfahrungswerte und Anwendungsbeobachtungen stützten, sei falsch. „Es gibt keinen Wirkstoff zur Geburtseinleitung, der ähnlich gut in Studien untersucht wurde“, schreibt die Fachgesellschaft.