Zwölf Stockwerke, 5600 Quadratmeter Bürofläche, 93 Parkplätze, 43 Meter Gesamthöhe: Reifen-Fachhändler Emigholz will auf seinem Firmengrundstück an der Ecke Utbremer Straße/Borkumstraße ein neues Hochhaus namens „Utbremer Tor“ errichten. Das dafür notwendige Bebauungsplanänderungsverfahren war Anfang Juli mit einer Einwohnerversammlung gestartet; dabei waren auch aus dem Beirat verschiedene Bedenken geäußert worden.
In der ersten Sitzung des Bauausschusses nach der Sommerpause ist daran nun direkt angeknüpft worden. Zu Besuch im Ortsamt war Stadtplaner Lars Lemke vom Büro BPW Baumgart+Partner, der im Auftrag der Behörde das Bebauungsplanverfahren organisiert. Lemke widmete sich dabei zunächst der Frage, ob Bremen denn überhaupt noch mehr Büroflächen braucht. Seine Antwort: ein klares Ja.
Denn laut Gewerbeentwicklungskonzept aus dem Jahr 2013 liege die Leerstandsquote in Bremen derzeit bei etwa vier Prozent: „Das ist nicht viel. Man sagt, ein gesunder Gewerbemarkt hat eine Leerstandsquote von fünf bis sechs Prozent. Es gibt also einen Bedarf, denn die Nachfrage übersteigt das Angebot deutlich.“ So würden beispielsweise Büroflächen in der Innenstadt nicht mehr genutzt und nachgefragt, da sie nicht mehr dem heutigen Stand entsprächen.
Radfahrer sollen umgeleitet werden
Insbesondere die Frage nach der Baustellenorganisation hatte darüber hinaus bei der Präsentation im Juli Waller Ortspolitiker und Anwohner beschäftigt. Zunächst nämlich hatte es geheißen, eine der beiden Fahrbahnen der Utbremer Straße in Richtung stadtauswärts solle ab 2020 etwa eineinhalb Jahre lang für die Bauarbeiten gesperrt werden. Da sich an dieser Stelle ohnehin regelmäßig im Berufsverkehr lange Autoschlangen bilden, wäre somit das tägliche Verkehrschaos vorprogrammiert gewesen. Das sahen offenbar auch Firmenchef Harald Emigholz und Architekt Jost Westphal so.
Marion Finke von dem auf Verkehrsangelegenheiten spezialisierten Planungsbüro BPR zufolge ist deshalb nun geplant, die sogenannten Nebenanlagen – sprich: Fuß- und Radweg – für den Baustellenverkehr zu sperren, um den Autoverkehr nicht einzuschränken. Radfahrer müssten dementsprechend während der Bauphase über Borkumstraße und Juiststraße umgeleitet werden und auch Fußgänger andere Wege gehen.
Gerne würden die Waller Ortspolitiker in diesem Zusammenhang nun die berühmt-berüchtigte „Kreuzung des Grauens“ Borkum-, Hemm-, Juist-, Kohlen- und Meta-Sattler-Straße doch noch umbauen lassen. Karsten Seidel (Grüne) entdeckte nun sogar im alten Bebauungsplan von 1973, dass dort tatsächlich schon damals offenbar ein Kreisverkehr angedacht war.
Zwar habe man auch diese Kreuzung durchaus im Blick und sie sei immerhin die Verbindung zwischen Findorff und Walle – sie stehe allerdings auf der Prioritätenliste nicht gerade an oberster Stelle, dämpfte Georgia Wedler, die im Bauressort das für die Planung und Bauordnung im Bezirk West zuständige Referat leitet, überzogene Hoffnungen auf eine baldige Verbesserung.
Und noch ein anderer Aspekt ist inzwischen geprüft worden: Im Raum stand die Befürchtung, dass durch das geplante Hochhaus den Bewohnern der Otto-Fisch-Straße womöglich zusätzliche Lärmbelastung drohen könnte, indem Geräusche von der Fassade gewissermaßen zurückgeworfen würden. Ein Hamburger Gutachterbüro habe zu diesem Punkt nun Lärmberechnungen angestellt und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass das geplante Hochhaus keine störenden Schallreflexionen auslösen würde, konnte Lemke hierzu nun mitteilen. Auch führten die durch den Neubau erwarteten 119 zusätzlichen An- und Abfahrten von Autos zu keiner Steigerung des Lärmpegels.
Darüber hinaus, so Lemke, könne bestätigt werden, dass für die Anwohner auch keine nennenswerte Benachteiligung durch einen intensiven Schattenwurf des neuen Hochhauses zu erwarten sei. Ein spezielles Verschattungsgutachten zeigt, wie der Schatten je nach Jahreszeit morgens etwa eine Stunde lang über die Wohnbebauung an der Otto-Finsch-Straße wandert und sich anschließend zu dem kleinen Gewerbegebiet hin ausrichtet.
Spitzzüngige Anmerkung
Schließlich kam Lars Lemke noch auf einen Punkt zu sprechen, den Bauausschusssprecher Wolfgang Golinski (SPD) Anfang Juli ins Spiel gebracht hatte. Es geht dabei um die historische Sichtachse von Walle bis zu den Domspitzen, die Golinski zufolge einzigartig in Bremen ist und die er auch in Zukunft unbedingt erhalten möchte. Er will deshalb ganz sicher gehen, dass die Sicht durch das neue Hochhaus definitiv nicht verbaut wird.
Dies sei nicht der Fall, sagt dazu Lars Lemke, der als Beweis einen Stadtplan-Ausschnitt präsentierte. Darauf führt eine gerade Linie vom Waller Ring am geplanten Emigholz-Hochhaus vorbei zum Bremer Dom – allerdings „ganz knapp“, wie aus dem Publikum sogleich spitzzüngig angemerkt wurde.
„Die Frage nach der Sichtachse ist mir schon wichtig“, sagt dazu Beiratssprecher Golinski, der in diesem Zusammenhang die Sichtachse von der Meierei zu den Domspitzen anführt: „Dort behindert mittlerweile leider das Siemens-Hochhaus den klaren Blick. Ich bin insofern gespannt, was der Denkmalpfleger dazu sagt. Denn die Geschichte Bremens muss weiterhin im Stadtbild erkennbar sein.“ Golinski hatte vor einiger Zeit das Landesamt für Denkmalpflege eingeschaltet und dort um eine Einschätzung des Bauvorhabens gebeten. Die Beurteilung der Landesdenkmalpfleger steht bislang noch aus.
Noch nicht entschieden
Stadtplanerin Georgia Wedler lobte abschließend das Vorhaben: „Es ist zwar nicht aus der näheren Umgebung heraus entwickelt, denn dort gibt es keine anderen Hochhäuser, aber es passt in die Strategie der Stadtgemeinde, an wesentlichen Stellen markante Punkte zu entwickeln. Wir sind eigentlich sehr froh, dass jemand so mutig ist, ein sehr edles Hochhaus an diese Stelle zu setzen. Wir brauchen tatsächlich noch Büroflächen und ich finde die Stelle ausgesprochen geeignet.“ Auch verspreche sich ihr Haus vom Bau eines Hochhauses an dieser Stelle durchaus Synergieeffekte und einen Schub für das gesamte kleine Gewerbegebiet dahinter. Unter anderem gebe es Überlegungen dazu, die Kohlenstraße zu verbreitern. Ob die Mitarbeiter ihrer Abteilung schließlich dieses durchaus aufwendige Projekt oder ein anderes Vorhaben weiterverfolgen werden, sei jedoch noch nicht entschieden.