Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Einschätzungen So wird der geplante Wegfall von Corona-Maßnahmen in Bremen beurteilt

Ist am 20. März Freedom-Day oder startet dann die komplette Durchseuchung? Einschätzungen von Bremer Verantwortlichen, Experten und Betroffenen zum geplanten stufenweisen Wegfall der Corona-Maßnahmen.
15.02.2022, 18:17 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Lisa Urlbauer Timo Thalmann

Bund und Länder diskutieren einen Stufenplan für den weitgehenden Wegfall der Corona-Schutzmaßnahmen bis zum 20. März. Spätestens dann sollen alle "tiefgreifenderen Schutzmaßnahmen“ entfallen, heißt es darin. An diesem Mittwoch wollen die Ministerpräsidenten in einer Videokonferenz entsprechende Beschlüsse fassen. Während einige Abgeordnete der FDP bereits den "Freedom-Day" zum Frühlingsanfang ausrufen, warnen auf der anderen Seite Ärzte und Virologen vor übereilten Lockerungen, die wieder zu mehr Kontakten führen und den ersten Abwärtstrend der Infektionszahlen seit Jahresanfang ausbremsen könnten. Vier Einschätzungen aus Bremen.

Andreas Bovenschulte (SPD), Bürgermeister

Der Senatsvorsitzende macht deutlich, dass er weniger pandemiebedingte Beschränkungen grundsätzlich nur für möglich, hält, wenn die Lage in den Bremer Krankenhäusern stabil bleibt und dem Gesundheitssystem keine Überlastung droht. "Aber die Zeichen dafür stehen gut", findet der Bürgermeister. Denn trotz teilweise sehr hoher Infektionszahlen sei die Lage in den Kliniken unter Kontrolle geblieben. "Angespannt zwar, aber nicht besorgniserregend." Außerdem lägen aktuell deutlich mehr Patienten mit Corona im Krankenhaus, als wegen Corona. 

Weil Omikron Bremen außerdem früher als andere Bundesländer fest im Griff hatte, war der Stadtstaat der der bundesweiten Entwicklung immer etwa voraus, meint Bovenschulte. "Das galt zum Jahreswechsel, als die Zahlen stiegen, genauso wie jetzt, wo sie langsam aber spürbar wieder sinken." Deshalb hält er es auch insgesamt für vertretbar, dass die bestehenden Beschränkungen jetzt schrittweise zurückgefahren werden. "Die AHA-Regeln werden sicherlich auch über Mitte März hinaus hier und da noch nötig sein, um die vulnerablen Gruppen vor einer Infektion zu schützen." Aber der größte Teil der Beschränkungen werde dann nicht mehr erforderlich sein.

Andreas Dotzauer, Virologe

Der Bremer Wissenschaftler findet es schwierig, derzeit damit zu planen, alle "tiefgreifenderen Schutzmaß­nah­men" ab 20. März wegfallen zu lassen, so wie es der Vorschlag von Bund und Ländern für einen Stufenplan vorsieht. "Das Problem ist, dass diese Planung auf Modellierungen des weiteren Infektionsgeschehens beruht, die wiederum auf den aktuellen Infektionszahlen basieren", sagt der Virologe. Dotzauer glaubt aber, dass diese Zahlen das Infektionsgeschehen nur unvollständig abbilden. "Wir haben ein großes Dunkelfeld von Ansteckungen."

Die Auswirkungen der Infektionen auf die Krankenhäuser und die Sterberate erkenne man außerdem immer erst im Nachlauf von zehn Tagen bis drei Wochen. Daher könnten die Modellierungen einfach zu optimistisch sein, auch wenn die Tendenz der zurückgehendenden Zahl der Infektionen wohl stimme. "Aber niemand kann ausschließen, dass bei verstärkten Kontakten eine zweite Omikronwelle folgt."

Von daher hält Dotzauer es für sinnvoll, wenn zumindest das Tragen von FFP2-Masken etwa bei Friseuren und in vielen anderen, eher körpernahen Situation als Schutzmaßnahme erhalten bliebe. "Das ist einfach sehr effektiv."

Lisa von Engeln, Wohlfahrtsverbände

Die Betreiber der Pflegeheime blicken eher vorsichtig in die Zukunft. "Öffnungspläne jeder Art können nur von der Entwicklung bei den Infektionen abhängen", sagt Iris von Engeln, Geschäftsführerin der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) der Freien Wohlfahrtspflege in Bremen. Eine Situation in den Pflegeeinrichtungen, wie sie vor der Pandemie existierte, kann sie sich auf absehbare Zeit jedenfalls nicht vorstellen. Tests, Maskenpflicht und Besuchsplanungen können ihr zufolge je nach Infektionslage auch nach dem 20. März weiter notwendig sein.

"Wir haben in den Einrichtungen nach wie vor die Bevölkerungsgruppe mit den höchsten Risiken für schwere Verläufe." Gleichzeitig versuche man alles, um die Betroffenen nicht zu isolieren und so viele Besuche wie möglich mit entsprechenden Hygienekonzepten zu ermöglichen. Pflegeeinrichtungen sollen von Lockerungsplänen zwar nicht ausgeklammert werden. Es müsse aber sorgfältig abgewogen werden, welche Schutzmaßnahmen in welchem Umfang und für wen erforderlich sind.

"Was uns dabei wirklich helfen würde, ist eine allgemeine hohe Impf- und niedrige Infektionsrate", sagt von Engeln. Denn je niedriger das allgemeine Infektionsgeschehen sei, umso einfacher könnten die Vorgaben für einen Zugang zu den Pflegeeinrichtungen ausfallen.

Über 800 stationäre Pflegeplätze der Caritas, Arbeiterwohlfahrt, Diakonie, DRK-Schwesternschaft und des Paritätischen sind in der LAG Bremen versammelt.

Lesen Sie auch

Jens Ristedt, City-Initiative

Im Bremer Einzelhandel ist die 2G-Regel bereits gefallen. "Es ist ein gutes Zeichen, dass das jetzt auch bundesweit einheitlich geregelt wird", sagt Jens Ristedt, Vorsitzender der City-Initiative und Inhaber des Modehaus Ristedt. "Wir müssen in zügigen Schritten zur Normalität zurückkehren." Die hohe Impf- und Boosterquote spreche dafür, außerdem hielten Kunden weiterhin Abstand halten und trügen FFP2-Masken. Zudem seien Branchen des Non-Food-Einzelhandels, wie Bekleidungsgeschäfte, nie Infektionstreiber gewesen, sagt Ristedt.

Seit die Kontrollen gekippt worden sind, sei die Stimmung unter den Einzelhändlern positiver, sagt Ristedt. "Die Menschen steuern die Geschäfte wieder deutlich stärker an. Sie haben Lust zu shoppen." Das hätte man am Wochenende gemerkt, sagt der Unternehmer. Auch das frühlingshafte Wetter habe die Menschen in die Stadt gezogen.

Ristedt wünscht sich, dass nicht nur der Einzelhandel von den Lockerungen profitiert, sondern dass auch die Gastronomie und die Veranstaltungsbranche in absehbarer Zukunft wieder mehr Planungssicherheit bekommen. "Die Menschen sehnen sich nach Normalität. Deswegen ist es wichtig, die Beschränkungen zurückzunehmen."

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)