Für Horst Neumann ist es eine tolle Sache. „Es war schon länger im Gespräch, aber nun freue ich mich, dass es einen Ligabetrieb in der Rhythmischen Sportgymnastik geben soll“, sagt der langjährige Geschäftsführer von Bremen 1860. Und da die Rhythmische Sportgymnastik mit ihren Aushängeschildern Bundesstützpunkt und den Athletinnen von 1860 national wie regional von großer Bedeutung ist, wird der Verein vermutlich mit zwei Mannschaften dabei sein.
Wann die Liga konkret startet, steht noch nicht fest – im Gegensatz zu den Qualifizierungsterminen. Am 23. und 24. November wird in Hachenburg erstmals um die Plätze geturnt. Es folgt ein weiterer Qualifizierungswettkampf am 7. und 8. Dezember in Berlin. Höchstwahrscheinlich soll der Ligabetrieb im Herbst 2020 beginnen, da im zweiten Halbjahr die wichtigsten Wettkämpfe für die Gymnastinnen schon absolviert sind. Ob dieser Termin dann eine dauerhafte Lösung sein wird, scheint fraglich. Horst Neumann, der vor Jahrzehnten den Ligabetrieb der Kunstturner initiiert hat, weiß um die Schwierigkeiten.
„Bei den Turnern richtet sich das nach dem internationalen Kalender.“ Das heißt: Kommt eine Weltmeisterschaft im Herbst, werden die deutschen Titelkämpfe verschoben – und dann natürlich auch die Ligatermine. „Die Kunstturner sind das über Jahre gewöhnt“, sagt Neumann. Doch deshalb darauf verzichten, will keiner, und das ist auch gut so, erklärt Neumann, der vor allem auf höhere Präsenz und Aufmerksamkeit für die Sportler setzt. Sich nur bei deutschen und regionalen Meisterschaften zu zeigen, ist für den Aufwand, den die Athletinnen betreiben, seiner Meinung einfach zu wenig. Schließlich sagt Neumann, könnten viele Gymnastinnen noch länger im Sport bleiben als bisher und im Ligabetrieb zeigen, dass sie auch jenseits der 20 noch super Leistungen bringen.
Das stärkste Team von Bremen 1860 will sich für die Bundesliga qualifizieren, die zweite Mannschaft dann für die Regionalliga. „Wir melden acht Gymnastinnen für die erste Mannschaft und neun für die zweite“, erklärt Trainerin Larissa Drygala. Die Chancen für die Teilnahme am Ligabetrieb sind ausnehmend gut. Immerhin wird die erste Mannschaft von 1860 von Julia Stavickaja angeführt, Bremens derzeit erfolgreichste Gymnastin und ehemalige Olympionikin in Rio de Janeiro 2018 mit der Nationalgruppe. „Sie ist in blendender Form“, sagt Larissa Drygala, die fest davon überzeugt ist, dass die 21-Jährige ohne den Erfolgsdruck im Nationalteam immer besser zu werden scheint.
Mit 15 Medaillen zurück nach Bremen
Doch auch die anderen Gymnastinnen konnten bereits bei deutschen Meisterschaften überzeugen. Dort schafften sie es im Juni beispielsweise, mit insgesamt 15 Medaillen zurück nach Bremen zu reisen. Neben Stavickaja turnen auch Lillie Schupp und Sandy Kruse beispielsweise außerordentlich erfolgreich. Zusammen mit Jo-Emma Reppenhagen, Emilia Teljulina, Haruka Kodama und Andra Günnemann wollen sie das Abenteuer Bundesliga wagen. Dabei treffen sie in den Qualifikationen vermutlich auf insgesamt 18 Mannschaften, die auf jeden Fall ihr Interesse bekundet haben. Die qualifizierten Gymnastik-Teams werden schließlich in zwei Bundesligen, Nord und Süd, aufgeteilt. Wie bei den Kunstturnern soll es dann ein Finale an einem Ort mit den zwei Besten aus den Bundesligen geben – und das Ganze womöglich zusammen mit den Kunstturn-Endrunden.
„Ein solches Event wäre sowohl für die Sportler als auch für die Zuschauer höchst attraktiv“, meint Horst Neumann, der sich auch vorstellen könnte, irgendwann die Endrunden-Kämpfe mit Halbfinals und Finale nach Bremen zu holen. Aber zunächst müssen die Pläne erst einmal umgesetzt werden. Der Geschäftsführer von Bremen 1860 will auf jeden Fall alles dafür tun, dass seine Gymnastinnen dabei sein können. Den finanziellen Aufwand übernimmt komplett der Verein. „Wenn sich Sportler von 1860 qualifizieren auf höchstem Niveau, dann fragen wir nicht, was es kostet“, betont der Geschäftsführer. Schließlich habe man schon lange auf eine Gymnastik-Bundesliga gewartet, und das werde man dann auch unterstützen. „Die Gymnastinnen verdienen es, mehr als nur ein paar Wochen im Jahr im Fokus zu stehen.“
So hat Horst Neumann auch schon in der Vergangenheit gedacht und mitgewirkt, auf die Rhythmische Sportgymnastik aufmerksam zu machen. Als der Verein 2010 seinen 150. Geburtstag feierte, hat er den Anlass genutzt, dieses Jubiläum mit einem hochklassigen Event gebührend zu begehen. Im April traf sich die Crème de la Crème der Gymnastinnen in der ÖVB-Arena, um ihre Europameisterinnen zu küren. Mit dabei: eine bejubelte Gymnastikgruppe von Bremen 1860. Lobende Worte gab es vom deutschen Turnverband für den Ausrichter: „Der Verein ist ein profunder Partner. Es war deshalb eine leichte Entscheidung, die EM nach Bremen zu geben.“
Hinsichtlich der geplanten Bundesliga der Rhythmischen Sportgymnastik im kommenden Jahr halten sich die Verantwortlichen beim DTB noch ziemlich zugeknöpft. Keine Euphorie, keine Werbung für die geplanten Maßnahmen. Aus der Pressestelle war lediglich zu vernehmen, dass man daran arbeite.
Ein Routinier im Bundesligabetrieb
Was ein Ligabetrieb für Sportler und Verein mit sich bringt, weiß Horst Neumann nur zu gut. Er führte schließlich die 1860-Kunstturner 1984 erstmals in die zweite Bundesliga und übernahm bereits 1982 gleichzeitig die Geschäftsführung des Vereins. In doppelter Funktion stieg er 1987 mit seinen Turnern in die erste Bundesliga auf. Mehrere Jahre schließlich turnten die Aktiven von Bremen 1860 in der zweiten Liga, bis es dann 1999 erneut in die 1. Bundesliga ging. 1994 gab Horst Neumann das Traineramt ab und konzentrierte sich ganz auf seine Aufgaben als Geschäftsführer bei Bremen 1860. Zeitweise war sogar das Ligabüro der Deutschen Kunstturn-Liga der Männer dort angesiedelt. 1999 schließlich holte Neumann die Kunstturn-EM nach Bremen.