Mascha Mosel war gerade fünf Jahre alt, als die deutsche Rollstuhlrugby-Nationalmannschaft 2008 zum bisher letzten Mal an den Paralympischen Spielen teilgenommen hat. Nun ist Mascha Mosel bald 21 – und wird, wenn nichts Außergewöhnliches mehr passiert, die Rückkehr des Teams auf die höchste internationale Bühne als Nationalspielerin miterleben. "Lange konnte ich gar nicht glauben, dass wir dabei sein werden", sagt die in Bremen geborene und aufgewachsene Studentin.
Inzwischen aber hat sie verinnerlicht, dass sie, zumindest sehr wahrscheinlich, an den Paralympics 2024 teilnehmen darf. "Uns wurde signalisiert, dass wir in Paris mit dem gleichen Kader antreten werden wie beim Qualifkationsturnier in Neuseeland", sagt die Huchtingerin. In Wellington belegte die deutsche Auswahl im März den dritten Abschlussplatz – der reichte, um die letzte Fahrkarte nach Paris zu lösen. Erwartungsgemäß waren Turniersieger Australien und Kanada für Deutschland zu stark, doch Brasilien musste sich nach spannendem Verlauf am Ende mit 50:62 geschlagen geben. "Das Spiel war sehr nervenaufreibend", sagt Mascha Mosel. Zunächst war es nicht gut für ihre Mannschaft gelaufen, aber nach zwischenzeitlichem Drei-Tore-Rückstand – beim Rollstuhlrugby gibt es keine Punkte wie beim Rugby, sondern Tore – konnte sie das Blatt doch noch wenden. "Wir waren mental sehr stark", sagt die 20-Jährige, "und unser Gegner hatte am Ende auch konditionelle Probleme."
Nun hoffen alle zwölf Mitglieder des deutschen Kaders, dass sie sich bis zum Spätsommer nicht mehr verletzen. Mascha Mosel ist eine von nur zwei Frauen im Team. Im Rollstuhlrugby können reine Männer- oder Frauenmannschaften oder beliebig gemischte Teams spielen. Es gibt keine Regel, wie viele Männer und Frauen zeitgleich auf dem Spielfeld sein müssen. Ende April beginnt die neue Punktspielsaison, dann wird Mascha Mosel wieder für die im TSV Achim beheimateten Achimer Heroes aufs Feld fahren. Und zwar seit deren Gründung 2016 erstmals in der 1. Bundesliga, für die die Niedersachsen als amtierender Meister der Regionalliga Nord-Ost gemeldet haben. In der Regionalliga werden die Achimer künftig mit ihrer zweiten Mannschaft vertreten sein.
Die gehbehinderte Mascha Mosel leidet unter Cerebralparese. Sie kann laufen, aber auf eigenen Beinen keine langen Strecken zurücklegen, sodass der Rollstuhl im Alltag ihr ständiger Begleiter ist. Seit fünf Jahren spielt sie im TSV Achim, zunächst Basketball, dann Rollstuhlrugby. Zuvor hatte sie sich auch in der Handball-Handicapgruppe des SV Werder und im Bogenschießen beim TuS Huchting ausprobiert. Aktuell ist Mascha Mosel das jüngste Mitglied der Nationalmannschaft, der sie 2020 bereits als 17-Jährige angehörte. Inzwischen hat sie reichlich internationale Erfahrung sammeln können. Dazu zählt auch ihr erster und bislang einziger Paris-Besuch. Doch während der Europameisterschaft 2022 in der französischen Hauptstadt habe die Zeit nicht einmal gereicht, um den Eiffelturm zu besuchen.
Beim zweiten Turnier-Aufenthalt in Paris dürfte es nun klappen. "Ich habe gehört, dass wir als Mannschaft nur ein paar hundert Meter vom Eiffelturm entfernt untergebracht werden", sagt Mascha Mosel. Sie freut sich riesig auf die Paralympics vom 28. August bis 8. September. Das Schönste neben der eigenen Teilnahme: Die deutsche Mannschaft wird wohl von Anfang bis Ende, also inklusive der Begrüßungs- und Abschlussfeier, dabei sein. Die Paralympics seien auf jeden Fall eine gute Gelegenheit, in der Heimat Werbung fürs Rollstuhlrugby zu machen. "Ich hoffe auf viele Zuschauer – egal, ob sie live dabei sind oder am Fernseher", sagt die Nationalspielerin. Und sie hofft, dass die deutsche Teilnahme an den Spielen das Interesse für diese Sportart erhöht. "Vielleicht gewinnen wir mit unserer Qualifikation ja auch neue Spieler und Fans für die Vereine."
Gewinner der Qualifikation sind die Mitglieder des deutschen Teams übrigens auch in anderer Hinsicht: Der dritte Platz in Neuseeland sichert ihnen die finanzielle Unterstützung durch die Deutsche Sporthilfe. "Für mich ist das ein toller Zuschuss", sagt Mascha Mosel, die seit anderthalb Jahren in Hannover Mediendesigninformatik studiert und die zusätzliche monatliche Förderung gut gebrauchen kann. Das sei ein Bonus, den verdiente Spieler trotz ihres Aufwands bislang leider nie bekommen hätten, sagt Mosel mit Freude über ihr eigenes Glück und Bedauern für die langjährigen Nationalspieler.
Nach zwei internationalen Turnieren in diesem Jahr in Tokio und in Neuseeland wird sich die Nationalmannschaft in den kommenden Monaten intensiv auf Paris vorbereiten. Der detaillierte Plan bis zu den Paralympics stehe noch nicht, sagt Mascha Mosel, "aber wir machen jetzt weiter in unserem Programm". Mal abgesehen von der emotionalen Situation, die seit dem Turnier in Neuseeland eine komplett andere sei, gebe es eigentlich nur eine Veränderung: Stand bislang die Qualifikation im Fokus, so sind es ab sofort die Spiele selbst.