Als die Lage völlig aussichtslos erschien, packte Thorsten Wienhold seinen Koffer, buchte Tickets für sich, Frau und Sohn und flog nach La Gomera. Weg, einfach nur weg, habe er damals gedacht im zweiten Lockdown. "Ich hatte keine Zuversicht mehr und habe im kalten, leeren Studio gesessen und nur noch die Kündigungen bearbeitet." Wienhold ist Geschäftsführer des Qi55 im Ostertorviertel, einem Fitnessstudio, in dem laut Homepage Studenten, Banker und Lebenskünstler trainieren. Wienhold hatte sein Studio gerade erst renoviert, da stoppte Corona alle Pläne – und machte Fitnessstudio-Betreiber zu den großen Verlierern der Pandemie. "Ich kann kaum in Worte fassen, was sich damals alles in meinem Kopf abgespielt hat", sagt Wienhold heute. Er weiß: Das Schlimmste ist offenbar überstanden. Die Fitness-Branche fiebert dem 20. März entgegen, jenem Tag, ab dem wieder alles für alle möglich zu sein scheint.
Wienhold gehörte zu den fünf Verantwortlichen von Bremer Fitnessstudios, die sich vor einem Jahr zu einer Sammelklage gegen die Stadt Bremen zusammenschlossen. Das Quintett hatte die sofortige Öffnung der Studios verlangt. Juristisch betrachtet blieb der Vorstoß erfolglos. Aber allein für das Gefühl, nicht einfach tatenlos geblieben zu sein, habe sich die Klage gelohnt, sagen sie heute. Wienhold hatte in der Spitze rund ein Viertel seiner Kunden verloren. "Darunter waren viele Ältere, die einfach ängstlich waren und keine Perspektive mehr gesehen haben", sagt er. Weil die Pandemie einfach nicht enden wollte, hätten sie die Mitgliedschaft im Studio gekündigt. Doch die Stimmung habe sich jetzt wieder völlig gedreht. Die jungen Menschen seien sowieso angstfreier, "die haben nur darauf gewartet, dass wir wieder öffnen dürfen". Aber auch bei vielen älteren Menschen habe er jetzt gespürt, dass sich so etwas wie eine Aufbruchstimmung breit mache. "Ich höre da immer wieder, dass jetzt Schluss ist mit dem Rumhocken auf dem Sofa", erzählt der Qi55-Geschäftsführer.
Wienhold kann sich vorstellen, dass ab dem 20. März alle Corona-Maßnahmen aufgehoben werden. Klar ist, dass dann auch Ungeimpfte wieder in die Fitnessstudios dürfen. Aber ob auch die Pflicht entfällt, auf dem Weg zu den Geräten eine Maske zu tragen, darüber herrscht bei den Bremer Betreibern keine Klarheit. Jürgen Kohne, Geschäftsführer der Sport Lounge Munte, scheint jedenfalls den Glauben an die Politik ein Stück weit zurückgewonnen zu haben. Das liege an Wolfgang Kubicki von der FDP, dem er vor ein paar Tagen bei einer Videokonferenz der "Allianz für Gesundheit" zuhören konnte. "Kubicki hat gesagt, dass am 20. März Schluss ist mit den Einschränkungen. Und dass die FDP keiner Verlängerung des Infektionsschutzgesetzes zustimmen wird." Für Kohne, verantwortlich für 35 Angestellte, klang das nach einem Land, in dem künftig nur noch Milch und Honig fließen.
Kohne macht keinen Hehl daraus, dass er viele Vorschriften nicht verstanden habe. Aber er habe sich an alles gehalten, nicht einer seiner Angestellten habe sich bislang mit Corona infiziert, "wir hatten immer eine Inzidenz von nullkommanull". In seinem Studio am Stadtwald habe sich keiner seiner Kunden angesteckt. "Ich sag' immer: Die Leute kommen hier aus dem Studio eher mit einem positiven Alkoholtest raus als mit Corona, weil wir so viel Desinfektionsmittel anwenden." Jetzt, wo alles wieder gut werden könnte, lacht er über diesen Satz. Dabei war ihm zwei Jahren lang nur selten zum Lachen zumute.
Kubicki habe in der Videokonferenz auch gesagt, dass er mit Karl Lauterbach, dem Gesundheitsminister, reden werde über die Rolle der Fitnessstudios und deren tragende Rolle im Gesundheitssektor. Er fühle sich jetzt "richtig euphorisch", sagt Kohne. Dabei hatte es ihn nicht so schlimm erwischt wie viele andere Kollegen. "Insgesamt hat unsere Branche rund ein Viertel der Kunden verloren", erklärt der 69-Jährige. Aber die Sport Lounge Munte habe in den zwei Jahren der Pandemie so gut wie keine Kündigung erhalten. Was laut Kohne auch daran gelegen hat, dass er keine Beiträge kassiert habe, als das Studio geschlossen war. "Wir haben aktuell schon wieder mehr Mitglieder als im Januar 2020." Dafür seien jetzt aber neue Probleme hinzugekommen – "ich sag' nur steigende Energiekosten".
Auch Markus Begerow hat als Geschäftsführer und Mitinhaber der ULC Fitnessgruppe zwei bewegte Jahre hinter sich. Er spricht schon wieder vom Netto-Wachstum und dem Januar, der in der Branche eigentlich der stärkste Monat des Jahres sei, so von wegen guter Vorsätze und Weihnachtsspeck. "Der ist jetzt auch ganz ordentlich gelaufen", sagt Begerow. "Aber wir haben noch nicht wieder die Zahlen, die wir vor Corona hatten. Und das holen wir auch so schnell nicht wieder auf." Corona habe aber nicht nur für kräftige Einnahmeverluste gesorgt, sondern auch für schlechte Stimmung in der Belegschaft. "Weil es immer nur dieses eine Thema gab." Er habe permanent Mitarbeiter abstellen müssen, um die Verordnungen umsetzen zu können. Jetzt hofft Begerow, dass sich alle ab dem 20. März mal wieder darauf konzentrieren können, wofür sie eigentlich angestellt seien: für Fitness und gute Laune.
Die Lust auf Sport, Fitness und Bewegung sei ungebrochen. Und plötzlich würden seine Kunden auch Sportarten wiederentdecken, die Begerow eigentlich schon abgeschrieben hatte. "Squash war bei uns nicht mehr so angesagt. Aber jetzt sind die Courts oft ausgebucht." Corona hat eben so Manches verändert.