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Bremer Fußball-Präsident "Die Gewalt gegenüber den Schiedsrichtern ist beängstigend"

Patrick von Haacke steht seit knapp 50 Tagen an der Spitze des Bremer Fußball-Verbandes. Die Gewalt gegenüber Schiedsrichtern ist ein großes Thema, doch es gibt noch ein größeres.
03.01.2024, 16:00 Uhr
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Von Stefan Freye

Patrick von Haacke, wie sind Ihre Eindrücke vom neuen Amt?

Patrick von Haacke: Gut. Ich kenne den Verband lange, aber viele Abläufe nicht. Insofern ist vieles für mich spannend und neu. Da muss ich erst mal gucken, wie ich zu manchen Dingen stehe und vielleicht auch sage: Das könnten wir anders machen. Ich merke allerdings, dass die Aufmerksamkeit größer ist, als ich gedacht hatte.

Inwiefern?

Ich werde unglaublich viel angesprochen, auch in Situationen, wo man eigentlich gar nicht damit rechnet. Etwa von Anwaltskollegen oder bei Gericht.

Der Bremer Fußball wird offenbar mehr wahrgenommen als gedacht?

Das ist durchaus so. Ich bin überrascht und freue mich.

Schlummert da womöglich noch ungenutztes Potenzial?

Ich glaube mit Sicherheit, dass da noch Potenzial vorhanden ist. Vielleicht sollten wir uns manchmal besser und eindeutiger nach außen positionieren.

Sie hatten bereits im Wahlkampf von Kommunikationsproblemen gesprochen. Haben Sie bereits erste Lösungsansätze?

Wir gucken ganz genau auf unsere Ausschüsse und deren Arbeit. Das ist die Ehrenamtsarbeit für die Vereine. Da müssen wir geschlossen auftreten und vernünftige, nachvollziehbare Entscheidung treffen.

Der Verband als Dienstleister...

...als Dienstleister, aber irgendwie auch als Behörde. Wir haben eben satzungsgemäße Aufgaben und Ordnungen, die uns Regeln vorgeben, die wir einhalten und umsetzen müssen. Deshalb sind wir eine Verwaltungseinheit. Insofern muss unser primäres Ziel auch nicht die Außenwirkung sein, sondern die Wahrnehmung unserer Aufgaben. Manchmal gehört nur das Ergebnis dieses Handelns an die Öffentlichkeit, nicht das Handeln selbst.

Auf Kosten der Transparenz?

Nein. Wir nehmen alle notwendig Beteiligten über die Gremien mit ins Boot, etwa den Beirat und den Vorstand.

Was ist eigentlich leichter: Präsident werden oder Präsident sein?

Es zu werden, war nicht leicht. Aber es war nur ein Moment. Insofern ist es sicher schwerer, Präsident zu sein, weil es dich auf Dauer bindet und in die Verantwortung bringt. Ich fühle mich dem Amt verpflichtet.

Das dürfte vor allem für das beherrschende Thema der letzten Wochen gelten: Die Gewalt auf den Fußballplätzen.

Wir können sie nicht wegdiskutieren. Vor allem die Gewalt gegenüber den Schiedsrichtern ist beängstigend. Dass Spieler aneinandergeraten, passiert allein deshalb, weil Fußball ein Kontaktsport ist. Da können manchmal Verhaltensweisen entgleisen, und das ist nicht völlig zu verhindern. Aber wie weit so etwas geht und vor allem die Übergriffe gegenüber den Schiedsrichtern sind ein absolutes No-Go.

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Die Gewalt wird regelmäßig sanktioniert. Aber geht es nicht auch um Prävention?

Ja, und wir haben in diesem Bereich auch ein breites Angebot, das wir teils selbst, teils mit Dritten umsetzen. Anti-Aggressionsschulungen und Deeskalationstrainings beispielsweise. Da geht es konkret um das Verhalten auf dem Platz.

Wer soll an diesen Kursen teilnehmen?

Alle sind angesprochen: Trainer, Spieler und auch Schiedsrichter.

Werden sie nachgefragt?

Leider nicht genug, obwohl alle Teilnehmenden uns hinterher begeistert berichten, wie gut und sinnvoll die Angebote sind.

Was vermutlich auch das Thema Ehrenamt berührt: Angesichts einer überschaubaren Zahl an Mitarbeitern sind viele Vereine froh, dass Sie den Laden irgendwie am Laufen halten können.

Das ist richtig. Wir überladen das Ehrenamt ohnehin schon mit immer steigenden formalen Anforderungen. Aber wir können als Verband neben unserem Präventionsangeboten nur deutlich machen, welche Idee vom Fußball wir vertreten. Die meiste Arbeit liegt in diesem Bereich aber in den Händen der Vereine. Daneben sanktionieren unsere Sportgerichte die Gewalt sehr nachhaltig. Die meisten Vorfälle gehen ja von einzelnen Spielern aus, und diese Spieler siehst du danach nicht mehr auf Bremer Fußballplätzen. Völlig verhindern werden wir die Vorfälle aber nicht.

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Der Hamburger Verband hat die Vereinsstrafen für einen Abbruch drastisch erhöht und zieht den betreffenden Mannschaften je nach Höhe der persönlichen Strafe auch noch Punkte ab. Wäre das auch ein Ansatz für Bremen?

Das wird bei uns diskutiert. Allerdings finden die Vereine diesen Durchgriff nicht gut. Sie müssen aber einer solchen Regelung zustimmen, denn sie bestimmen, unter welchen Regeln sie Fußball spielen wollen. Das wird nämlich im Beirat und auf dem Verbandstag entschieden, nicht allein durch ein Präsidium.

Wie konnte das dann in Hamburg umgesetzt werden?

Andere Verbände haben zum Teil andere Strukturen und Wege der Entscheidungsfindung. Wir sind bisher aber immer den Weg gegangen, unsere Vereine so gut es geht mitzunehmen, eben weil sie letztlich entscheiden müssen, welche Regelung eingeführt wird oder auch nicht.

Dass zuletzt auch die Unparteiischen von Gewalt betroffen waren, lässt nicht gerade optimistisch in die Zukunft des Schiedsrichterwesens blicken, oder?

Ich bin ziemlich optimistisch. Denn was da passiert ist, wurde allgemein verurteilt und mit einem Fokus versehen. Das wird hoffentlich dazu beitragen, dass sich diese Vorfälle zurückbilden werden. Wir bleiben aber alarmiert, denn auch, wenn die Gesamtzahl an Gewaltvorfällen nicht signifikant gestiegen ist, sind doch immer mehr die Schiedsrichter das Ziel von Angriffen.

Die Zahl der Schiedsrichter ist in den letzten Jahren ohnehin tendenziell gesunken, und attraktiver wird die Aufgabe durch die Übergriffe ja auch nicht.

Das ist richtig. Aber ich kann nicht in die Köpfe der Menschen hinein sehen. Wir versuchen das Denken in den Vereinen dahingehend zu beeinflussen, dass die Schiedsrichterei ein wesentlicher Bestandteil unseres Spiels ist. Die es machen, verdienen Respekt und sollen Spaß daran haben. Ich glaube, dass der stete Tropfen den Stein höhlen wird. Die Repressalien werden dazu führen, dass wir auf lange Sicht wieder zu einem normalen Umgang finden. Außerdem ist bundesweit in diesem Jahr erstmals seit 20 Jahren wieder ein Anstieg der Schiedsrichterzahlen zu verzeichnen, und das macht Mut für die Zukunft.

Die Gewalt auf den Fußballplätzen ist nur eines von mehreren Problemen, mit denen Sie sich nun konfrontiert sehen. Die Kommunikation und das Ehrenamt haben wir bereits angesprochen, auch der Frauen- und Mädchenfußball sowie der Zustand von Sportanlagen und -hallen verlangt nach Lösungen. Gibt es eigentlich irgendeine Aufgabe, von der Sie sagen: Das bekommen wir schnell hin?

Ja, aber die ist etwas langweilig: Wir werden die Digitalisierung der Geschäftsstelle massiv vorantreiben. Dort ist unser Herz und unser Hirn.

Insgesamt sind also einige dicke Bretter zu bohren?

Ja. Die Gewaltdiskussion ist unglaublich populär und wird zum Teil auch populistisch geführt. Abschaffen werden wir die Gewalt aber nicht. Wir können nur unser Möglichstes tun. Daneben gibt es das Problem, mehr Angebote für Mädchen zu schaffen und sie dafür umfassend zu begeistern. Das Hauptproblem der Vereine ist dagegen die Ehrenamtlichkeit: Ich höre immer wieder, wie schwer es ist, jemanden für die Vereinsarbeit zu finden. Das Freizeitverhalten hat sich einfach geändert. Wir müssen in der Politik immer wieder für die Privilegierung des Ehrenamtes werben.

Ihr Vorgänger Björn Fecker galt rund 13 Jahre als erfolgreicher Präsident. Die angesprochenen Probleme des Fußballs vermochte er aber offenbar auch nicht zu lösen. Was spricht dafür, dass Sie mit ihnen fertig werden?

Das ist allein deshalb eine schwierige Frage, weil ich keine 13 Jahre habe, um vergleichbare Arbeit zu leisten - Björn Fecker hat sehr früh angefangen. Ich glaube nicht, dass ich so lange in diesem Amt sein werde und kann mir langfristige Lösungen kaum vorStefan Freyestellen. Ich würde es begrüßen, wenn wir den Fußball wieder fest in unseren Gedanken und unserer Freizeit verankern können. Die angesprochenen Probleme haben dagegen alle einen gesellschaftlichen Hintergrund, lassen sich also nicht auf den Fußball beschränken.

    Das Gespräch führte Stefan Freye

Zur Person

Patrick von Haacke (58) wurde am 15. November auf dem außerordentlichen Verbandstag des Bremer Fußball zum BFV-Präsidenten gewählt. Der Jurist hatte zuvor rund zehn Jahre den Ausschuss für Satzung und Recht geleitet.

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