Ob er diesen Begriff sogar geprägt hat, ist nicht überliefert. Aber von der „Fußballfamilie“ gesprochen hatte Björn Fecker in seiner rund 13-jährigen Amtszeit als Präsident des Bremer Fußball-Verbandes (BFV) gern und oft. Auf dem außerordentlichen Verbandstag wurde Fecker nun zum Ehrenpräsidenten ernannt – seine eigentliche Funktion hatte er als neuer Finanzsenator im Sommer aufgeben müssen. Der feierliche Akt war allerdings nicht viel mehr als eine Randnotiz dieses „Familientreffens“. Geprägt wurde die Veranstaltung im engen Saal der Villa Bremen von einem ganz anderen Thema: Mit Jurij Zigon und Patrick von Haacke hatten sich gleich zwei Kandidaten zur Wahl als Feckers Nachfolger gestellt. Der alte BFV-Präsident bewertete das durchaus positiv. „Dass die Vereine zwischen zwei guten Kandidaten entscheiden konnten, ist ein gutes Zeichen“, meinte Björn Fecker.
Das waren die Worte eines erfahrenen Politikers. Denn als „gutes Zeichen“ hatte die doppelte Kandidatur nicht unbedingt gegolten. Jedenfalls nicht in Verbandskreisen. Dort sind sie so etwas einfach nicht gewohnt. Bisher war es immer so gewesen: Ein Kandidat trat an, dann wurde er auch gewählt – oder bestätigt, wenn er bereits Jahre zuvor als einziger Kandidat ins Amt gewählt worden war. Eine echte Wahl zwischen zwei Kandidaten gab es nicht bis zu diesem Mittwochabend. Vielleicht führte auch die ungewöhnliche Ausgangssituation dazu, dass es nicht so rund lief. Es war nämlich relativ oft zu hören von den Delegierten der Vereine: Das hätten sie anders machen müssen.
Dabei richtete sich die Kritik auch gegen die „Präsentation“ beider Kandidaten durch den BFV. Die gab es faktisch nämlich nicht. Nachdem die Findungskommission sich auf den am Ende mit deutlicher Mehrheit gewählten Patrick von Haacke festgelegt hatte, war seitens des Verbandes auch nur von diesem Bewerber die Rede gewesen. So war Jurij Zigon – der langjährige Jugendausschussvorsitzende des BFV – gezwungen, seinen „Wahlkampf“ selbst zu organisieren. Der zweite Bewerber traf sich also mit Vereinen und rief bei den Entscheidungsträgern an. Es heißt, auch Mitglieder des aktuellen Präsidiums hätten zum Telefon gegriffen – um für Patrick von Haacke und ausdrücklich gegen die Wahl Zigons zu werben. Zudem hielten sich in den Wochen vor der Entscheidung hartnäckige Rücktrittsgerüchte. Ihr Inhalt: Wenn Jurij Zigon zum neuen Präsidenten ernannt werde, würde es Teile des Präsidiums und auch einige Ausschüsse in dieser personellen Besetzung nicht mehr geben.
„Es lief unfair“, sagte Murat Orta, 2. Vorsitzender von Vatan Sport. Es war die Art und Weise, die Orta und anderen Funktionären missfiel. Es wurde die Neutralität des Verbandes und seiner handelnden Personen vermisst. Um die Person des zu wählenden Präsidenten ging es dagegen nicht so sehr. Das schien überhaupt eine wesentliche Haltung der Delegierten zu sein: Die wenigstens waren sich wohl absolut sicher, wer das höchste Amt im BFV zukünftig bekleiden soll. Und es schien den Funktionären auch nicht ganz so wichtig, wer einen Verband leitet, von dem man ohnehin keine Wunderdinge erwartet. Richtig großes Vertrauen setzen längst nicht alle Vereine in die Arbeit des BFV. Also kam es ihnen auch nicht so sehr darauf an, wer an dessen Spitze steht.
Ein Votum abgeben mussten die Delegierten aber trotzdem. Der Verlauf des Abends – vornehmlich die Reden der beiden Kandidaten – könnte also eine gewisse Rolle bei dieser Entscheidungsfindung gespielt haben. Nachher meinte jedenfalls einer der Besucher: „Mir war klar, dass Patrick von Haacke gewinnt, wenn es zu einer öffentlichen Vorstellung kommt – er ist das Reden von einer größeren Gruppe gewohnt.“ So war es dann auch: Der wenig später gewählte Präsident sprach relativ locker über seine Ziele und baute die ein oder andere Anekdote in seine rund zehnminütige Rede ein. Dagegen gab sich Jurij Zigon betont sachlich und wirkte recht angespannt. Auf diese Weise gelang es ihm jedenfalls nicht, die kolportierten Zweifel an seiner sozialen Kompetenz auszuräumen.
Der Vertrauensentzug eines Teils seiner Verbandskollegen hatte offenbar Spuren hinterlassen beim zweiten Kandidaten. „Ich wünsche Patrick von Haacke viel Erfolg und ein glückliches Händchen“, meinte Zigon. Alles andere wollte er erst einmal sacken lassen. Der Wahlsieger gab sich dagegen gesprächiger. Und ehrlich. „Ich war nervös und mir eigentlich erst sicher, als ich das Ergebnis gehört habe“, so Patrick von Haacke. Er sei vor allem mal „erleichtert“ über den Ausgang der Wahl.
Die Emotionen der beiden Kandidaten bildeten sich derweil nicht auf den Plätzen vor dem Podium ab. Die Delegierten der Vereine waren zur Wahl erschienen, hatten Patrick von Haacke mit 533 von 722 anwesenden Stimmen gewählt und damit eine Pflicht erfüllt. Ihr Motto: Wir haben jetzt einen Präsidenten, und nun geht’s wieder nach Hause. Für den neuen Mann an der BFV-Spitze drängte sich demnach eine Aufgabe auf: Patrick von Haacke wird sich neben den von ihm – und Jurij Zigon – benannten großen Themen wie Gewaltprävention, Ehrenamt und Nachwuchsproblemen wohl auch um das Vertrauen seines Verbandes innerhalb der Fußballfamilie bemühen müssen. Die Wahl und ihre Begleitumstände haben es offenbar nicht gerade gestärkt.