Die Zeiten ändern sich. "Früher", sagt Erik Weispfennig und übertreibt bewusst ein wenig, "früher sind zwei Mann sechs Tage lang 24 Stunden um die Bahn gefahren." Heute wolle das keiner mehr sehen. "Heute", sagt er, "muss man sich dem Konsumentenverhalten anpassen." Erik Weispfennig ist seit einem Jahrzehnt der Sportliche Leiter der Bremer Sixdays, seit diesem Jahr ist er auch einer der Geschäftsführer des Veranstalters ESN. Und weil die Sixdays-Leute also mit der Zeit gehen wollen, haben sie sich überlegt: Die Traditionsveranstaltung wird künftig nicht mehr sechs Tage lang sein, sondern nur noch vier. Das Rennen, das 2021 und 2022 wegen der Pandemie ausfiel, soll im Januar 2023 nicht mehr von Donnerstag bis Dienstag gehen, sondern von Freitag bis Montag, vom 13. bis zum 16. Januar.
Ist das etwa der Anfang vom Ende? Gehen langsam auch in Bremen die Lichter aus? In den vergangenen Jahrzehnten ging es dem Sechstage-Metier in Deutschland, sagen wir mal vorsichtig: schlecht. Vor Corona war es so, dass sich nur noch Berlin und Bremen hielten. Von Berlin hörte man zuletzt, dass die Veranstaltung vom Winter in den Sommer verschoben wurde, und dass man da ein neues Konzept fahren wolle: drei Tage lang Rennen für den Nachwuchs, drei Tage lang Rennen für die Profis. Ein neues Konzept, das soll nun auch die Lösung für Bremen sein.
Tage, Wochen, Monate lang habe man daran getüftelt, sagt Erik Weispfennig. "Wir wollten jeden Stein umdrehen", sagt er. Diesen Trend zur Transformation gebe es ja schon seit Längerem in der Szene. Da, wo Sixdays draufsteht, werde vielerorts nur drei oder vier Tage gefahren, nicht mehr sechs. In Melbourne nicht, in Hongkong nicht, in Kopenhagen nicht, in London nicht. In Bremen nun auch nicht mehr. "Erst habe ich etwas geschluckt", gibt ESN-Geschäftsführer Hans Peter Schneider zu, "aber dann fand ich die Idee genial." So, wie die Veranstalter sie beschreiben, ist es praktisch der Weniger-ist-mehr-Gedanke.
Bremer Sixdays: Randtage machten zuletzt Probleme
Der Kern der Bremer Veranstaltung in der ÖVB-Arena und den Nebenhallen heißt seit vielen Jahren: Symbiose aus Sport und Party. Wer tollen Sport und tolle Sportler sehen will, soll hier richtig sein. Wer sich amüsieren will, soll es auch, und wer beides will, erst recht. Mehr und mehr wurden dabei jedoch die Randtage Donnerstag und Dienstag zu Problemtagen. Viele hätten da Schwierigkeiten, frei oder gar Urlaub zu machen, sagt Weispfennig. Viele Leute gebe es auch nicht mehr, sagt Schneider, "die sechs Tage am Stück in die Halle kommen". Mario Roggow, der Projektleiter, sagt: "Wir müssen keine Veranstaltung machen, die nur uns gefällt." Also soll das Angebot komprimiert werden, um seine Attraktivität zu erhöhen. Roggow erzählt von Gästen, denen es sehr gut gefallen habe in Bremen – und die bedauert hätten, dass sie ja leider zum spannenden Finale des Rennens längst wieder auf der Heimreise seien. Wie es viele Sportarten versuchen würden, telegener oder zuschauerfreundlicher zu werden, versuche das auch der Bahnradsport, sagt Erik Weispfennig.
Geht der Plan auf, würde aus dem herkömmlichen fünften Tag des Events eine Art Super-Montag werden. Die Hallen auf der Bürgerweide waren auch in der jüngeren Vergangenheit an diesem Tag gut gefüllt, künftig soll das Amüsierprogramm aufrecht erhalten und das Sportprogramm aufgewertet werden, weil auf der Bahn die rasante Schlussjagd läuft. Abstriche am Sportprogramm soll es nicht geben. "Im Gegenteil", sagt Erik Weispfennig, "wir wollen zum Beispiel das Frauenrennen noch ausbauen." Bislang wurde es an zwei von sechs Tagen ausgetragen. Jetzt gibt es den Plan, es an vier von vier Tagen laufen zu lassen. Der Plan, auch das Nachwuchs-Programm auszudehnen, wurde verworfen. Anders als in Berlin und Umgebung gebe es in Bremen und umzu zu wenig ambitionierte Jugend-Rennfahrer.
Abstriche würden man nur in zeitlicher, nicht in inhaltlicher Hinsicht machen, sagt Mario Roggow. Er wehrt sich vehement gegen die Vermutung, dass mit der Reduzierung von sechs auf vier Tage praktisch der erste Sargnagel für eine Bremer Traditionsveranstaltung eingeschlagen wurde. Es stimme nicht, dass einfach die Kosten davongaloppiert sind und man deshalb massiv kürzen musste. Betriebswirtschaftliche Gründe hätten nicht zur Format-Änderung geführt, sagt Hans Peter Schneider. Etliche Posten seien dadurch keineswegs preiswerter geworden. "Die Bahn wird ja nicht billiger dadurch", sagt er.
"Es war dieser positive Spirit im Team", sagt Mario Roggow. Weil wegen Covid 19 die Sixdays nach Jahrzehnten erstmals ausfallen mussten und dann auch gleich noch ein zweites Mal in Folge, hätte im Team auch eine Was-soll-das-alles-noch-Stimmung aufkommen können. Es habe aber eine gegenteilige Stimmung geherrscht. Eine Jetzt-erst-recht-Stimmung. Die Frage sei eigentlich nur gewesen, wie man das Format anpassen könne an den sprichwörtlichen Zahn der Zeit. Alles ist im Fluss, alles verändert sich, Tradition, Zuschauerverhalten, Sport-Events – fast schon ein wenig philosophisch gefärbt begründen Hans Peter Schneider, Mario Roggow und Erik Weispfennig die Veränderung "ihrer" Sixdays. Nur eines soll bleiben: der Name. Viertagerennen werden sie es nicht nennen – und auch nicht Fourdays. "Nein", sagt Erik Weipfennig, "wir sind die Sixdays."