Ein Blick auf den VfB Stuttgart genügt, um die Probleme durch Sportwettenwerbung auf Fußballtrikots zu verstehen. Die Profis der Stuttgarter Bundesligamannschaft tragen auf der Brust die Werbung des Wettanbieters „Winamax“. Kinder, die sich ein Trikot ihrer VfB-Idole wünschen, bekommen in den Fanshops aber eine andere Variante: Bei ihnen steht nicht der Schriftzug des Wettanbieters auf der Brust, sondern nur „Stuttgart“. Denn Kinder und Sportwettenwerbung – diese Kombination ist in Deutschland verboten.
Entsprechend alarmiert reagierte das Bremer Innen- und Sportressort, als eine besondere Masche der Wettanbieter bekannt wurde. Eine Mail des Bremer Fußball-Verbandes machte die Mitarbeiter von Senator Ulrich Mäurer stutzig. Darin wurde gefragt, ob man es auf politischer Seite für problematisch halte, wenn Mannschaften im Bremer Amateurfußball auf Trikots für Wettanbieter werben. Bei der Recherche des Innenressorts stellte sich heraus, dass vor allem die großen Wettanbieter „bwin“ und „Tipico“ im Internet um die Gunst von Amateurvereinen buhlen, auch an der Weser. Und das geht so: Diese Wettanbieter übernehmen bis zu 70 Prozent der Kosten für hochwertige Trikotsätze von Markenherstellern, wenn die Vereine im Gegenzug ihre Werbung auf der Brust tragen. Die Trikots werden dann schon fertig bedruckt angeliefert.
Auf Initiative von Mäurer erhielten nun alle Sportvereine und Verbände in Bremen ein gemeinsames Schreiben des Innen- und Sportressorts, des Gesundheitsressorts sowie des Landessportbundes (LSB), in dem vor den "scheinbar verlockenden Angeboten“ gewarnt wird. Mäurer wird darin deutlich: „1,3 Millionen Menschen sind aktuell glücksspielsüchtig. Weitere 3,25 Millionen Menschen stehen auf der Kippe – Tendenz steigend. Nicht nur die Betroffenen leiden und verspielen ihre finanziellen Reserven, mit all den gesellschaftlichen und sozialen Konsequenzen, sondern auch ihre Familien.“ Deshalb sei es absolut keine gute Idee, wenn sich Sportvereine von einem Wettanbieter sponsern lassen würden. Zumal Studien belegen würden, dass gerade junge, männliche Vereinsmitglieder im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung häufiger ein riskantes Wettverhalten aufwiesen. Diese Tendenz würde mit solcher Trikotwerbung weiter befeuert.
Der Verein, um den es bei der Anfrage des Bremer Verbandes ging, war der Blumenthaler SV. Nachdem der Verein auf die Problematik hingewiesen wurde, gab es schnell eine Reaktion: Die Blumenthaler Frauenmannschaft macht seither als erstes Team in Deutschland Werbung gegen Sportwetten. Diese Haltung wurde in der Satzung des Vereins verankert, in der es nun heißt, man werde grundsätzlich nicht für Sportwetten oder sonstige Glücksspiele werben, sondern sich öffentlich dagegen engagieren. Die Bremer Referentin für Glücksspielrecht, Hilke Hülsmann, freut sich über diese Reaktion: „Der Blumenthaler SV ist ein schönes Beispiel dafür, wie man mit dem Thema umgehen kann. Dem Verein war das Problem erst nicht so richtig bewusst. Das Sponsoring durch Sportwettanbieter erschien ihm ganz normal, da ja auch die Profiligen nahezu flächendeckend mit dieser Branche zusammenarbeiten. Dann fand eine Auseinandersetzung mit dem Thema statt und man hat sich dafür entschieden, dass man sich besser klar gegen Sportwetten positioniert.“
Senator Mäurer ärgert es vor allem, dass die Wettanbieter vorgaukeln, Sportwetten und Sport gehörten zusammen. „Tatsächlich haben Sportwetten so wenig mit Sport zu tun wie Obstschnaps mit Vitaminen“, betont er. Aber gerade Minderjährige seien empfänglich für Werbebotschaften, weshalb auch Hülsmann zunehmend besorgt ist wegen der Werbung der Anbieter: „Das ist ein Widerspruch: Sport ist gesund, die Sportwetten aber können krank machen, sie sind ein Suchtmittel. Zudem sind Sportwetten im Amateurbereich schlicht unzulässig.“
Einen direkten Kontakt zwischen den Wettanbietern und den Amateurvereinen gibt es bei der Anbahnung nicht, der Verkauf der Trikots läuft über Händler und Portale für Sportbekleidung. Hilke Hülsmann sagt dazu: „Einem Wettanbieter wie Tipico ist es doch egal, ob er zu dem jeweiligen Verein passt – denen geht es nur darum, dass irgendwer ihr Logo in die Welt hinausträgt.“
Wie viele Vereine in der Region das Angebot schon genutzt haben, ist nicht bekannt, weil der Bremer Fußball-Verband nach eigenen Angaben keine Daten über die Trikotwerbung seiner Vereine und Mannschaften erfasst. Sollten Kinder- und Jugendmannschaften solche Trikots tragen, wäre das laut Innenressort verboten. Hülsmann will das Thema beobachten: „Bei uns gehen die Alarmsirenen an angesichts des Vorgehens der Wettanbieter, die sich mit verlockenden Angeboten in den Amateursport einschleichen wollen.“
Bündnis fordert Schutzmechanismen
Markus Sotirianos vom „Bündnis gegen Sportwetten“ findet die Entwicklung mit der Trikotoffensive „schlimm und sehr fragwürdig“. Nach seinen Beobachtungen „findet gerade eine massive Neukundenakquise statt, um die große Zielgruppe fußballaffiner Menschen immer weiter zu unterlaufen“. Die vielen Amateurspieler und Zuschauer seien tausendfache Multiplikatoren. Sotirianos fordert deshalb: „Die Werbung für Sportwetten muss massiv eingedämmt und die Schutzmechanismen müssen erhöht werden.“
LSB-Präsidentin Eva Quante-Brandt äußert sich besorgt „über die Normalisierung von Glücksspiel in der Sportwelt, insbesondere im Hinblick auf junge Sportlerinnen und Sportler“. Ein Verzicht jeglicher Sportwettenwerbung bietet ihrer Meinung nach den Vereinen und Verbänden die Möglichkeit, ein Zeichen zu setzen. Glücksspielreferentin Hülsmann richtet einen Appell an alle Mannschaften: „Es wird so getan, als würden Wetten zum Sport gehören wie Bier und Bratwurst. Aber das ist nicht so. Die Gesundheit bleibt auf der Strecke, Sportwetten können in den Ruin und bis zum Suizid führen. Dafür wirbt man doch nicht auf dem Trikot.“