Sie haben es noch versucht beim ATS Buntentor, aber sie konnten sich die Sache nicht mehr schön rechnen. „Wir mussten die Reißleine ziehen“, sagt Jürgen Maly, der Vereinsvorsitzende. Und so machten sie das, was viele Vereine mit Gaststätte und zahlreiche Wirte im Land auch schon machen mussten: Sie kündigten ihren Vertrag mit dem Bezahlsender Sky, dessen Übertragungen der Werder-Spiele in den vergangenen Jahren immer so etwas wie ein Lagerfeuer für den ATS Buntentor waren. Mal kamen 30 Leute, manchmal sogar 70, junge und alte. Doch weil der Sender zum Jahresende erneut die Preise erhöhte, hätte der Verein für Sky und den nötigen zweiten Fußball-Bezahlsender DAZN nun 7786 Euro pro Jahr zahlen müssen, tausend Euro mehr als das 2023 gekostet hätte. Hinzu kam neuerdings die GEMA-Gebühr, die früher noch im Paketpreis enthalten war. Maly: „Solche Beträge sind für uns nicht mehr zu refinanzieren. Das gemeinsame Schauen der Werder-Spiele hat viele soziale Kontakte gepflegt und entwickelt, und das war gerade deshalb möglich, weil wir niemanden verpflichtet haben, dann auch in der Gaststätte etwas zu konsumieren.“
Sie sind beim ATS Buntentor nicht nur enttäuscht, dass diese gemeinsamen Erlebnisse seit Dezember ausfallen. Sie sind auch wütend. Deshalb hat Maly einen Protestbrief an den Deutschen Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball Liga (DFL) geschickt, in dem er deutlich die „asoziale und absolut vereinsschädigende Vertragspolitik“ der Verbände mit den TV-Anbietern anprangert und eine Korrektur dieser Politik fordert. Denn: „Wir haben kein Verständnis dafür, dass unsere Verbandsfunktionäre dies durch die Vertragsgestaltungen von DFB und DFL bewirken und damit direkt die Mitgliedsvereine schädigen.“
Maly weiß, dass sein Brief kurzfristig nichts ändern wird. „Aber wir möchten den Anstoß geben, dass die Liga insbesondere für Sportvereine wieder ein günstiges, bezahlbares Angebot schafft“, erklärt er. Geld wollten sie mit ihren Fernsehrunden in der verpachteten Vereinsgaststätte nie verdienen, sondern Menschen die Möglichkeit bieten, Spiele von Werder sehen zu können. Das Weserstadion ist meistens ausverkauft, an Eintrittskarten ist kaum noch heranzukommen. Viele können sich das Bezahlfernsehen für zu Hause nicht leisten, schon gar nicht zwei Sender, um alle Werder-Spiele zu sehen.
Immerhin: Das Problem mit mehreren Sendern könnte sich in Zukunft erledigen. Weil das Bundeskartellamt eine Monopolstellung eines Anbieters verhindern wollte, gilt seit 2012 ein „Alleinerwerbsverbot“ für die TV-Rechte der Bundesliga, was bedeutet: Ein Sender darf nicht mehr alle Spiele kaufen und zeigen. Seither gab es neben Sky zeitweise den ruckeligen Eurosportplayer und nun DAZN. Für die nächste Ausschreibung der Fernsehrechte ab der Saison 2025/26 ruderte das Kartellamt jetzt aber zurück. Dann soll wieder ein Sender alle Spiele kaufen können. Einerseits hätten die einzelnen teuren Abos bei den Fans für Verdruss gesorgt, heißt es, andererseits seien aber auch die Sender unzufrieden, weil das Produkt Bundesliga weder für Sky noch für DAZN kostendeckend zu finanzieren war. Das führte zu immer neuen Preiserhöhungen wie nun im Fall von Buntentor.
Für die 36 Erst- und Zweitligavereine wie Werder Bremen geht es um riesige Summen, die vom Bezahlfernsehen fließen. Aktuell erlöst die Bundesliga mit den nationalen Rechten 1,1 Milliarden Euro pro Saison – das ist sogar ein leichter Rückgang in Folge der Pandemie. Die Corona-Zeit überlebten fast alle Profivereine in Deutschland nur, weil das Bezahlfernsehen die Geisterspiele zeigte und weiter bezahlte.
Maly und die Fußballfreunde in Buntentor sind verbittert. „Das gemeinsame Fußballschauen als soziales Miteinander bleibt bei uns jetzt auf der Strecke“, sagt der Vereinsvorsitzende, „wir bekommen viele Rückmeldungen, wie traurig die Leute darüber sind.“ Ihren „Allgemeinen Turn- und Sportverein Buntentor“ gibt es seit 1902, viel länger als die Bundesliga und das Fernsehen – und noch viel länger als das Bezahlfernsehen, das in Deutschland 1991 erstmals ein Bundesligaspiel zeigte. Maly: „Diese Entwicklung ist schade für Werder und für Bremen, beides gehört ja irgendwie zusammen. Und es ist schade für die Leute an der Basis, die sich oft kein Abo leisten können. Es nimmt vielen die Chance, sich noch mit Werder identifizieren zu können und Spiele zu erleben.“
Schon bei Werders Aufstieg 2022 oder der Fast-Meisterschaft von Borussia Dortmund im vergangenen Jahr zeigte sich die Folge des Vertrages zwischen Liga und Sendern. In Bremen und Dortmund wurde über Public-Viewing in den Innenstädten nachgedacht, schließlich waren beide Stadien hoffnungslos ausverkauft. Aber Sky verweigerte das, trotz massiver Kritik der Fans. In einer Erklärung des Senders hieß es: „Ein Grund ist, dass unser Geschäftsmodell aus dem Erlös von Abos besteht.“ Und die soll eben jeder selbst abschließen, statt sich auf dem Marktplatz zu treffen.
Maly und dem ATS Buntentor helfen alle Erklärungen nicht weiter. „Sky rechtfertigt die Preise auch damit, dass man noch internationalen Fußball und anderen Sport zeigt“, sagt er, „aber das interessiert die Werder-Fans nicht, die nur Bremer Spiele sehen möchten.“ Angesprochen auf die Kündigung und den Protest des ATS Buntentor erklärt der Sender schriftlich: „Sky investiert regelmäßig in neue Rechte und Programminhalte sowie den Ausbau der technischen Infrastruktur. Um das vielfältige und hochwertige Sportangebot, unter anderem mit der Fußball-Bundesliga und Formel 1, gewährleisten zu können, prüfen wir in regelmäßigen Abständen unsere Preise und passen diese gegebenenfalls an die veränderten Kosten von Programmlizenzen und Produktionen an.“
DFB und DFL haben bisher nicht auf den Protestbrief reagiert. Der Bremer Fußball-Verband (BFV) signalisiert aber Verständnis: „Grundsätzlich sind wir keine betroffene Partei in dieser Angelegenheit“, erklärt BFV-Sprecher Oliver Baumgart, „gleichwohl werden wir dem ATS Buntentor unsere Unterstützung in dieser Angelegenheit zusagen.“