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Werder-Kolumne Was man über Julian Malatini wissen sollte

Werder hat mit Julian Malatini einen Spieler verpflichtet, der nicht nur auf dem Platz überzeugt. Seine Geschichte und sein Charakter machen ihn zu einem echten Gewinn für den Verein, meint Jean-Julien Beer.
26.02.2024, 15:27 Uhr
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Was man über Julian Malatini wissen sollte
Von Jean-Julien Beer

Jetzt jubeln die Werder-Fans nicht nur nach Toren, sondern auch nach Grätschen und Balleroberungen. Dafür sorgt der im Winter verpflichtete Julian Malatini. Auch gegen Darmstadt war das so, als der junge Argentinier seinen Gegner im Strafraum in Empfang nahm und ihn dann mit einem beherzten Zugriff vom Ball trennte. Der Angreifer blieb irritiert zurück, das Publikum jubelte und Malatini dribbelte nach vorne.

Das Besondere: Bei solchen Aktionen wirkt Malatini so gar nicht wie einer dieser gefürchteten Abwehr-Haudegen aus dem Land des Weltmeisters, deren Ego oft bis auf die Gegentribüne reicht. Malatini, 22 Jahre, wirkt eher wie der perfekte Schwiegersohn. Keine Tattoos kreuz und quer, keine wilde Mähne, kein Geschrei und keine abfälligen Gesten. Der Junge habe eine gute Erziehung genossen, weiß Werders früherer Vereinsboss Jürgen Born zu berichten, der sich als Südamerika-Experte privat schon mit Malatini getroffen hat. Die Manieren: einwandfrei, am Tisch wie auf dem Feld.

Vom Elternhaus her ist er mehr Pizarro als Ailton, auch die Berater machen einen vernünftigen Eindruck. Bei Malatini stellte sich die Frage, ob er denn im harten Bundesliga-Alltag dagegenhalten kann. Das erste Fazit fällt positiv aus: Im Training und im Spiel steht der 1,91 Meter große Innenverteidiger seinen Mann und belegt, was er bei seiner Präsentation versprach: „Ich würde mich als aggressiven Spieler bezeichnen. Die Verteidigung ist meine Berufung.“

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Die Fans schlossen ihn schon ins Herz, als er nach 109 Sekunden im Werder-Trikot ein Tor gegen Freiburg schoss. Wegen der Verletzungsprobleme in Werders Defensive hat er nun schon 229 Minuten gespielt, beim Sieg in Köln und beim 1:1 gegen Darmstadt in der Startelf. Was bei ihm auffällt: Er steigert sich in einem Spiel, auch nach schwächeren Aktionen wirkt er nicht verunsichert, sondern kämpft sich zurück. Die Fans honorieren das bei einem jungen Spieler. Mit 32 Kilometern pro Stunde ist er schneller als der Durchschnitt der Bremer Abwehr. Seine Passquote von 84 Prozent ist normal, auch wenn er sich so manchen Patzer im Spielaufbau leistete. Oft erkämpfte er den Ball zurück. Diese Unsicherheiten, die wie leichte Fehler aussehen, dürften daran liegen, dass er in Argentinien nicht so viel fürs Spiel nach vorne tun musste.

Ein Blick in seine Heimat lohnt ohnehin, um ihn zu verstehen. Das Herz des argentinischen Fußballs schlägt in Buenos Aires. In der 16-Millionen-Metropole tummeln sich die meisten Profiklubs, die ausgebufften Berater und viele der Spieler mit großen Egos. Von hier kommt Malatini nicht. Er wuchs 650 Kilometer entfernt im Landesinneren auf, in Cordoba. Im Nachwuchs und Herrenteam des dortigen Erstligisten CA Talleres spielte er bis 2023. Er fiel dem Klub Defensa y Justicia auf, der kleine Verein aus dem Süden von Buenos Aires ist so etwas wie ein Durchlauferhitzer: Jedes Jahr macht der Klub 20 bis 40 Transferbewegungen, er kauft und verkauft Talente. Für Malatini zahlte man 690.000 Euro, jetzt wurde er für zwei Millionen nach Bremen verkauft.

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Der Wechsel war eine Ausnahme, denn gewöhnlich mach Defensa Geschäfte innerhalb Südamerikas oder in Mexiko. Das letzte Talent, das von hier nach Europa wechselte, war auch Innenverteidiger: Lisandro Martinez, damals 21, ging 2019 für sieben Millionen Euro zu Ajax Amsterdam. Drei Jahre später wechselte er für 57 Millionen zu Manchester United.

Nun schaffte es Malatini direkt nach Europa. Und das nach einem aufregenden Jahr bei Defensa, das übrigens deshalb in Grün und Gelb spielt, weil ein Sponsor das so wollte. Davor waren die Trikots immer Blau und Weiß. Der Klub schaffte es 2023 bis ins Pokalfinale gegen Estudiantes de LA Plata. Malatini stand am 14. Dezember im Endspiel vor einer irren Kulisse in der Startelf. Auch wenn sein Klub 0:1 verlor, war das eine große Erfahrung: Wer die Videos mit den Bengalos und Choregoraphien vom Finale sieht, der weiß, dass Malatini in der Bundesliga nichts erschrecken kann. Unerfahren ist er ohnehin nicht: Er kam in Argentinien auf 84 Profi-Einsätze. Zum Vergleich: Der ebenso 22 Jahre alte Nick Woltemade spielte in dieser Zeit in Bremen und Elversberg 68 Mal, oft nur kurz. Malatini spielte quasi schon eine Halbserie mehr und sammelte internationale Erfahrung: In der Copa Sudamericana kam Defensa 2023 bis ins Halbfinale. Malatini stand dabei siebenmal als rechter Innenverteidiger in der Startelf.

Bei Werder spielt er mehr als gedacht, die Eingewöhnung findet sofort auf dem Feld statt. Wenn er sich dort weiter gut schlägt, stellt sich die Frage, warum er wieder auf die Bank sollte, wenn die bisherigen Platzhirsche in der Abwehr wieder gesund sind.

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