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Bremer Triathlet Oliver Reinicke Mit eiserner Leidenschaft

Er war Fußballer und hoffte auf eine höherklassige Liga. Wie daraus eine Triathlon-Karriere mit der ersten bewältigten Ironman-Strecke wurde, erzählt die Geschichte des Bremers Oliver Reinicke.
06.10.2021, 18:29 Uhr
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Mit eiserner Leidenschaft
Von Olaf Dorow

Eigentlich ist ja Tommy Schuld. Tommy Priem vom SC Weyhe sei sein bester Freund, sagt Oliver Reinicke. Der beste Freund nahm ihn mit zum Schwimmtraining. Anfang 20 war er da, und das erste Schwimmtraining sei dann so abgelaufen: "Du kraulst 25 Meter und brauchst ein Sauerstoffzelt." Heute ist Oliver Reinicke Anfang 30, und er ist letztens die rund 150-fache Streckenlänge geschwommen. Anschließend ist er aufs Rad gestiegen, 180 Kilometer mit einem Schnitt von fast 40 km/h gefahren. Danach lief er einen Marathon. 9:14 Stunden brauchte er für die Ironman-Distanz, er wurde in der M30 Fünfter der Altersklassen-WM des Weltverbandes ITU. Er will es schaffen, sich für das Superding zu qualifizieren: Ironman-WM auf Hawaii.

Oliver Reinicke von den Bremer Triathlöwen ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich etwas von Klein zu Groß entwickeln kann. Wie eine bestaunenswerte sportliche Leistung entsteht, praktisch nebenbei, ohne Profitum. Reinicke geht ganz normal zur Arbeit, er ist Firmenkunden-Betreuer für die Deutsche Factoring Bank. Sein Triathlonsport sei im Vergleich zum Fußball "sauteuer", sagt er. Er sagt: "Das macht man nur, wenn man mit Leidenschaft dabei ist."

Seine Leidenschaft für Triathlon ist auch so ein Entwicklungsding. Geboren in Magdeburg, begann er früh mit dem Fußball. Der Weg führte nicht in ein Leistungszentrum der großen Profiklubs, aber der Jungstraum von einer Profikarriere war noch da, als er Anfang 20 war. Vielleicht mal dritte Liga, das erschien machbar. Seit ein paar Jahren in Bremen, stand er in der Innenverteidigung vom Oberligisten TuS Heeslingen. Kreuzbandanriss, Innenmeniskusriss, Kreuzbandriss: Nach drei Operationen innerhalb eines Jahres strahlte der Traum vom bezahlten Fußball nicht mehr. Reinicke kickte nur noch aus Spaß und nicht mehr mit dem Leistungsgedanken.

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Doch Spaß und Leistungsgedanke gehen bei ihm zusammen, so beschreibt Oliver Reinicke sich beziehungsweise seine Sicht auf den Sport. Er will etwas schaffen, ohne Verbissenheit oder Zwang. Weil er Lust auf dieses Etwas-Schaffen hat. Beim Kicken aus Spaß passte es nicht mehr. Manche Teamkollegen seien betrunken zum Spiel gekommen, das habe ihn gestört. Aus dem Teamsportler wurde ein Einzelsportler. "In einer Einzelsportart bin ich nur für mich selbst verantwortlich" sagt er. Er ging mit Freund Tommy, dem Triathleten, zum Schwimmtraining. Dem Fußball hat er nicht enttäuscht den Rücken gekehrt. Keineswegs, er mag den BVB und Werder, er hat sogar zehn Jahre lang für Werder gejobbt, als Abschnittsleiter Sicherheit bei den Spielen im Weserstadion. Sein Ding als Sportler aber wurde Triathlon, und wie. Aktueller wöchentlicher Trainingsaufwand: circa 15 Stunden.

"Ich konnte es nicht ab, dass ich es nicht kann", sagt er über seinen ersten Kraulversuch, bei dem er nach 25 Metern außer Puste war. Also wälzte er Fachliteratur, schaute YouTube-Videos, ging zum Üben in der Mittagspause ins Allwetterbad, als er bei der Kreissparkasse Osterholz angestellt war. Ein überragender Schwimmer ist er immer noch nicht, wird es wohl nie werden. Aber es ist okay. Auf den kürzeren Triathlon-Distanzen hätte er gegen exzellente Schwimmer wenig zu bestellen, sagt er. Auf den längeren Strecken würde sich das etwas relativieren. Bei mehr als vier Stunden auf dem Rad oder drei auf der Laufstrecke kann eine Menge aufgeholt werden.

Die Leistungssprünge waren groß, die Strecken wurden länger. Erfolge stellten sich ein, Wünsche erfüllten sich. 2016 der erste Triathlon auf der Sprintdistanz, 2017 der erste auf der Mittel-, also der halben Ironman-Distanz. 2018 für die WM auf der Mitteldistanz qualifiziert, 2019 diese WM in Nizza genossen. Obwohl er nur als circa 1200. von 2000 Startern ins Ziel gekommen sei. Er hatte wegen einer Fußverletzung ein halbes Jahr nicht trainieren können, er konnte nach der halben Laufstrecke nur noch gehen. Aber egal. Das blaue Wasser, die Seealpen, die Stimmung, die Nähe zu den Superstars der Szene – Reinicke schwärmt, und er könnte das womöglich sehr lange, wenn das Interview keinen zeitlichen Rahmen hätte.

In Nizza reifte auch der Gedanke, dass er einen Ironman schaffen kann und will, dass er das Hawaii-Ticket haben will. Corona konnte den Plan nicht aufhalten, sorgte nur für die vielerorts übliche Verzögerung. Oliver Reinicke professionalisierte in der Corona-Zeit sein Training, statt es schleifen zu lassen. Er arbeitet seit inzwischen einem Jahr mit Julia Seibt zusammen, einer ehemaligen Stützpunkttrainerin aus Saarbrücken. Mitte September war es dann soweit: Ironman-Distanz bei der WM in Almere. Es sollte ein Test sein, sagt Reinicke. Ob sich der ganze Aufwand lohnt? Ob ihm das Spaß macht?

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In Almere war es dann so: Nach der Hälfte der Marathonstrecke machte das keinen Spaß mehr. Der Mann mit dem Hammer kam, wie man in der Szene sagt. Im Kopf schwirrten die Gedanken. Wie er sein teures Rad verkauft und dass das sein erster und letzter Ironman war. Auf den letzten Kilometern streikten die Muskeln. Er konnte nur noch gehen, weswegen er vom zweiten auf den fünften Platz zurückfiel in seiner Altersklasse. Oh, Mann, nie wieder!

Ist normal, sagen Ironman-Kenner zu solchen Gedanken. Schon auf der Rückfahrt nach Bremen übernahmen die Glückshormone die Macht. Reinicke wurde bewusst, dass 9:14 Stunden etwas sehr Gutes sind für einen, der seine erste Langdistanz bestritt und im Training noch nie länger als 25 Kilometer gelaufen war. Die Antwort auf die Testfrage wendete sich. Zu: Ja, hat Spaß gemacht, hat sich gelohnt. Der Hawaii-Traum lebt mehr denn je.      

Zur Sache

Verschobener Fahrplan

Erstmals soll die Ironman-WM demnächst nicht auf Hawaii ausgetragen werden. Wegen der Pandemie war das legendäre Rennen mit 3,86 Kilometern Schwimmen, 180,2 Kilometern Radfahren und 42,2 Kilometern Laufen 2020 ausgefallen, die Auflage 2021 sollte ursprünglich auf Februar 2022 verschoben werden. Nun soll sie aber erst am 7. Mai starten, und zwar nicht auf Hawaii, sondern in St. George, Utah. Im Oktober soll es dann endlich wieder den berühmten Hawaii-Ironman geben. Auch im Oktober des kommenden Jahres will der 32-jährige Bremer Oliver Reinicke versuchen, sich beim Ironman in Barcelona einen Startplatz für die Ironman-WM 2023 auf Hawaii zu erkämpfen. 

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