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Ex-Radprofi Fabian Wegmann Deutschland-Tour: "Es wird jeden Tag Vollgas gefahren"

Fabian Wegmann ist Sportlicher Leiter der Deutschland-Tour, die am Sonntag in der Überseestadt endet. Im Interview spricht er über die Tücken der Tour und verrät, welche Rolle die Stadtmusikanten spielen.
22.08.2023, 17:56 Uhr
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Deutschland-Tour:
Von Frank Büter

Herr Wegmann, Sie sind seit 2018 für die Deutschland-Tour als Sportlicher Leiter tätig, es war das Jahr der Wiedergeburt der Tour nach zehnjähriger Pause. Wie ist das entstanden und wie haben Sie die Zeit bisher erlebt?

Fabian Wegmann: Durchweg positiv. Die Tour hat sich als Format sehr gut entwickelt. Ich weiß noch genau, wie die Amaury Sport Organisation ASO, die auch die Tour de France veranstaltet, bei der Deutschen Meisterschaft 2016 zu uns Profis gekommen ist und gefragt hat, was wir uns wünschen und wie wir uns so eine Rundfahrt vorstellen, wenn sie die Tour wieder beleben würden. So kamen wir ins Gespräch, das war ein super Ansatz. Und so hat es sich auch ergeben, dass ich dann die Deutschland-Tour mit planen und nach meinem Karriereende als Sportlicher Leiter so ein Rennen aus dem Boden stampfen durfte.

Was für Aspekte waren es, die Sie als ehemaliger Radprofi in diese Planungen einbringen konnten?

Erst einmal ging es um den Termin. Wann ist die Tour de France, wann die Vuelta, wann die WM – und wo ist der beste Slot für uns? Und wie könnte das Profil der Rundfahrt aussehen, damit es in die Wettkampfsaison passt.

An welchen Punkten haben Sie Ihre Erfahrungen konkret einbringen können? Wo spürt man die Handschrift des Ex-Profis?

Grundsätzlich ist das keine Erfindung von mir allein. Wir alle denken darüber nach, wie wir es besser machen können. Zum Beispiel, dass wir Runden fahren am Ende. Das ist besser für die Fahrer, es ist sicherer. So sehen sie vor dem Finale schon mal die Strecke. Das ist ganz anders, als wenn ich die letzten fünf Kilometer auf komplett neuen Strecken fahre und Vollgas gebe. So kenne ich die Kurven, so weiß ich, ob da noch eine Bodenwelle oder eine Verkehrsinsel kommt.

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Was war Ihnen noch wichtig im Gesamtkonzept?

Der Prolog wie er jetzt ist, das war auch so eine Idee von mir. Er ist kurz. Er ist spannend. Zweikommadrei Kilometer, da geht’s ab. Das haben wir letztes Jahr neu mit reingenommen, und das wird sehr gut angenommen. Wir fahren da auch nicht mit einem Zeitfahrrad, das minimiert den Materialaufwand.

Was genau macht die Deutschland-Tour jetzt aus?

Wir wollen jeden Tag als Klassiker gestalten. Wir wollen es für die Fans spannend gestalten. Der Termin hat sich gut etabliert. Das sehen wir auch an den vielen World-Tour-Teams, die am Start sind. Und klar: Die deutschen Teams wollen sowieso alle starten. Was sich in den letzten Jahren außerdem traumhaft entwickelt hat, ist die Resonanz der Leute an der Strecke. 

Ist der Zuspruch in der Öffentlichkeit tatsächlich so groß? Ist Deutschland ein Radsportland?

Deutschland ist Fußballland, das ist erstmal so. Danach kommt der Rest. Aber so bitter das auch klingt: Durch Corona hat der Radsport einen Boom erfahren. Da haben sich viele Leute ein Rad gekauft, um Sport an der frischen Luft zu betreiben. Darunter sind auch viele Frauen. Den Aufschwung der letzten drei Jahre spürt man aktuell bei den Jedermann-Rennen, die Zahl der Teilnehmer liegt weit über denen der Vorjahre. In Bremen haben wir am Sonntag ja auch noch die TK Cycling Tour, das sind solche Rennen, die die Aktiven sehr gerne annehmen.

Sie haben eben die Vuelta angesprochen, die am kommenden Sonnabend beginnt. Macht sich das mit Blick auf das Starterfeld bei der Deutschland Tour bemerkbar?

Die Vuelta ist natürlich ein großes Event. Aber es gibt 850 World-Tour-Fahrer, davon sind 178 bei der Vuelta. Da gibt es also noch viele, viele andere, die vielleicht gerade die Tour de France gefahren sind, dann eine Pause gemacht haben und jetzt wieder anfangen.

Was heißt das konkret für die Deutschland-Tour 2023?

Wir haben ein super Starterfeld. Viele Etappensieger der Vorjahre sind da, die absolute Weltelite ist vertreten. 14 der 20 Teams waren auch bei der Tour de France am Start, das zeigt, wie groß die Akzeptanz ist. Wir haben uns aber auch auf die Fahne geschrieben, den deutschen Nachwuchs zu fördern. Deshalb laden wir jedes Jahr vier deutsche Nachwuchsteams ein. Dafür haben wir auch ausländische Teams, die vom Ranking her besser dastehen, ausgeladen.

Mal aus dem Blickwinkel eines Radprofis betrachtet: Wie wäre Ihre Herangehensweise an diese Tour?

Naja, sie ist nicht lang. Es sind fünf Tage, eigentlich viereinhalb. Ein gestandener Profi ist bei dem Profil am fünften Tag nicht absolut am Limit. Es sind schon schwere Etappen, aber da ist man nicht ausgepowert, da fährt man sich nicht in den Keller. Dementsprechend fahren wir auch jeden Tag sehr schnell. Anders als bei einer Drei-Wochen-Rundfahrt gibt es keine Bummeletappen, es wird jeden Tag Vollgas gefahren. Das ist schön für die Zuschauer und das Fernsehen, das ist attraktiver Radsport.

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Die Schlussetappe führt nicht nur nach Bremen, sondern dort auch über den Marktplatz. Was halten Sie davon?

Ich freue mich schon auf die Bilder. Ich kann mich noch erinnern, als ich das erste Mal in Bremen war. Da war ich sechs Jahre alt. Und da habe ich zum ersten Mal die Stadtmusikanten gesehen. Deshalb habe ich jetzt gesagt: Da müssen wir vorbeifahren. Die ganze Welt kennt die Bremer Stadtmusikanten, das muss man dann auch zeigen. Als ich den Marktplatz gesehen habe, war aber klar: Das wird schwierig, da direkt vorbeizufahren, mit den Bahnschienen und dem Kopfsteinpflaster. Aber wir haben es hingekriegt.

Birgt diese Passage für die Radsportler eben wegen des Belags nicht auch ein Risiko?

Es wird eng, aber es ist ja noch nicht das absolute Finale. Die Fahrer werden dort mit Reserve um die Kurve fahren; sie müssen nicht 100 Prozent Risiko gehen. Das sind alles absolute Profis. Ich werde die Fahrer aber vorher über Funk noch mal darauf hinweisen. Das gehört auch zu meinen Aufgaben als Sportlicher Leiter.

Apropos: Was genau ist Ihre Rolle während der Etappen? Wo sind Sie zu finden?

Ich sitze im Auto, leite das Rennen von vorne und bin über Funk mit allen verbunden. Ich bin quasi immer im Rennen und komme dann mit dem Feld auch rein ins Ziel.

Was können die Besucher rund um die Zielankunft in der Überseestadt erwarten?

Da wird eine ganze Menge los sein. Die Jedermänner der TK Cycling Tour kommen dort vorher ja auch schon an. Dann haben wir auch noch die Minitour für die Kids mit einem Laufradrennen, da wird viel geboten. Und gegen Mittag gibt es noch einen Ride, wo man auch mit normalen Fahrrädern mitfahren kann. Das wird ein Familienevent mit viel Drumherum. Es lohnt sich, vorbeizukommen.

Das Gespräch führte Frank Büter.

Zur Person

Fabian Wegmann (43)

arbeitet unter anderem als Sportlicher Leiter der Deutschland-Tour und als Co-Kommentator bei der ARD. In seiner aktiven Zeit war der frühere Radprofi dreimal deutscher Straßenmeister und nahm an etlichen großen Rundfahrten teil. Wegmann ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Münster.

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