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Friedelinde Petershofen Geht's noch etwas höher?

Friedelinde Petershofen gehörte zu den Shootingstars der deutschen Leichtathletik, ehe ein Wirbelbruch sie ausbremste. Doch der Neuzugang des SV Werder kann mit dem Stabhochspringen nicht aufhören.
11.01.2023, 13:40 Uhr
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Geht's noch etwas höher?
Von Olaf Dorow

Es geschah vor knapp fünf Jahren. Friedelinde Petershofen, die allseits beliebte und allseits "Fredi" genannte Stabhochspringerin, hatte in Potsdam Turntraining. Sie ist eine geübte  Turnerin, das war ihr Sport, bevor sie für ihn zu groß und eine Leichtathletin wurde. Sie nahm Anlauf, machte zwei Flic-Flacs, danach einen Doppelsalto und landete auf einer Matte, in einer Schaumstoffgrube. Statt wie geplant im Stand klatschte sie bäuchlings auf die Matte. Und zwar so, dass die Wirbelsäule überstreckt wurde. Missglückter Versuch, also machte sie noch einen, und noch einen. Erst am Abend kamen die Schmerzen.

Viele Arztbesuche und -wechsel, viele MRTs später stellte man in München fest: Wirbelbruch im Lendenbereich. Noch mehr Arztbesuche. Die Stelle wurde Fredis Schwachstelle. Jahrelang konnte sie überhaupt keine Wettkämpfe bestreiten, bis heute sorgt die Stelle am Rücken dafür, dass sie sich an anderen Stellen verletzt. Mal ist es die Muskulatur im Lendenbereich, mal die neuronale Ansteuerung des Oberschenkel-Beugers, mal die Achillessehne. Manchmal, sagt sie, waren die Schmerzen so stark, dass sie weder laufen noch schlafen konnte.

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Lässt sie sich davon unterkriegen? Mitnichten. Sie ist, das darf man wohl so formulieren: eine starke Frau. Schon immer sei der Sport – und bald auch der Leistungssport – ihr Ding gewesen, sagt sie. Sie liebt diese so komplizierte wie komplexe Disziplin Stabhochsprung. "Es ist meine Leidenschaft", sagt sie. All den Rückschlägen zum Trotz will sie schauen, wie hoch sie emporkommt mit dem Stab.

Mit 22, ein halbes Jahr vor dem verhängnisvollen Turntraining, war sie über 4,55 Meter geflogen. Sie gehörte zu den Vorzeige-Gesichtern der deutschen Leichtathletik, genoss bei der WM die Stimmung im umtosten Londoner Leichtathletik-Tempel. Mit 27 ist ihr Leitsatz in Sachen Leistung immer noch: "Da muss doch noch mehr gehen." Sie wolle das unbedingt herausfinden, sagt die Werder-Springerin. Es ist die uralte Athleten-Sehnsucht: Wo ist das Limit?  

Seit ein paar Tagen ist Friedelinde Petershofen ganz amtlich Athletin ihres Lieblingsvereins. Damit ist schon mal ein Sporttraum in Erfüllung gegangen. Geboren und aufgewachsen in Oldenburg, fiebert sie seit Langem mit dem SV Werder mit. "Gefühlt war die Werder-Raute schon immer in meinem Kopf", sagt sie. Das blieb auch so, als sie vor gut acht Jahren nach Potsdam ging. Sie studiert dort Biologie und Sport auf Lehramt und trainiert am Olympiastützpunkt bei Bundestrainer Stefan Ritter. Lange gemeinsam mit Werders Stabhochspringerin Stina Seidler, die 2020 zwar ihre Karriere beendete, aber weiterhin eine gute Freundin ist. Die vielen gemeinsamen Trainingsstunden mit Stina Seidler stärkten in Potsdam die Bremen-Verbundenheit. 

In der vergangenen Sommersaison erlaubte Petershofens Körper wieder ein paar mehr Wettkampfversuche, wenn auch nur mit kürzeren Stäben. Beim traditionellen Jump off auf Platz 11 sprang sie im Mai in Bremen 3,95 Meter, Ende Juni wurde sie bei den Deutschen Meisterschaften im Berliner Olympiastadion mit 4,20 Metern Fünfte. Die Meisterin hatte 4,55 Meter überflogen, Fredis Bestleistung. Im Herbst saß die Stabhochspringerin aus Leidenschaft mal wieder im Weserstadion, bei einem Werder-Spiel. Da sei sie von so vielen Leuten so herzlich begrüßt worden, dass sie sich gesagt habe: "Ich mach' das jetzt". Sie entschied sich für einen Vereinswechsel zum SV Werder. Angesichts ihres Rücken-Handicaps könne sie doch gar nicht wissen, wie lange sie noch eine Leistungssportlerin sein kann. Also, wenn nicht jetzt, wann dann? Sie studiert und trainiert weiter in Potsdam, aber alle vier, fünf Wochen will sie künftig nach Bremen kommen.

Dort ist die Freude im Verein groß, dass eine so ambitionierte Athletin in der zweiten Halbzeit der Karriere noch einmal für ihren Herzensverein antreten will. "Damit schließt sich der Kreis ihrer Karriere, und wir unterstützen sie gerne, so gut es geht, auf dem Weg zu neuen Höhenflügen". So wird Enrico Oelgardt, Vorsitzender der grün-weißen Leichtathletik-Abteilung  auf Werders Homepage zitiert. Gerade die Disziplin Stabhochsprung ist eine, die viele Jahre lang großgeschrieben wurde beim SV Werder. Die Athleten von Trainer Leszek Kass, der im vergangenen Jahr ausschied, haben zahlreiche Erfolge gefeiert. Sein Sohn Philip schaffte es bis in die erweiterte nationale Spitze, auch für Stina Seidler ging es hoch hinaus. Mit Lars Keffel gibt es einen aktuellen Fünf-Meter-Springer in grün-weiß. Keffel wiederum trainiert Benjamin Heideman, der ist sozusagen ein grün-weißes Versprechen auf die Zukunft.

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Und Friedelinde Petershofen, die schon vor mehr als sieben Jahren erstmals über vier Meter gesprungen war? Wie schön wäre es, sagt sie, wenn sie mal eine ganze Saison lang ohne größere Auszeiten und nur mit kleineren Wehwehchen durchkommen könnte. So wie früher halt. Dann wäre vielleicht sogar etwas Größeres drin. Im Sommer werden in Budapest Leichtathletik-Weltmeisterschaften ausgetragen. Wie wacklig Wünsche von komplikationslosem Training sind im Hochleistungssport, hat die Stabhochspringerin aber gerade erst wieder erfahren müssen. Kurz nach Weihnachten kamen die Corona-Symptome.  

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