Herr Zander, Sie haben alle Bremer Fußball-Talente begleitet. Bei wem war der Weg in die Bundesliga schon in jungen Jahren abzusehen?
Willi Zander: Julian Brandt war schon in jungen Jahren relativ weit. Er war von vielen Vereinen umworben und ist schon im C-Jugend-Alter ins Nachwuchsleistungszentrum des VfL Wolfsburg gekommen und von dort dann bei Bayer Leverkusen im Herrenbereich angekommen. Das war ziemlich geradlinig, auch wenn sein Weg von Bremen aus an Werder vorbeiging. Eigentlich sollte so etwas nicht passieren, er hat ja auch bei uns in der Verbandsauswahl überragend gespielt und in Werder-Bettwäsche geschlafen. Da muss es einen Fehler im System gegeben haben. Aber es ist, wie es ist: Julian hat auch so einen tollen Weg eingeschlagen.
Hat Sie einer der Spieler überrascht, dass er es tatsächlich bis in die Bundesliga geschafft hat?
André Hahn war sicher einer von denen, die ihr großes Ziel am hartnäckigsten verfolgt haben. Er war nicht der Talentierteste, hatte aber einen unglaublichen Willen. Und auch sein Vater stand immer unterstützend hinter ihm. Eins ist für alle entscheidend, die mal oben bei einem Profiklub ankommen: Sie müssen bereit sein, zu lernen. Sie dürfen Verbesserungsvorschläge nicht als Kritik auffassen. Und sie sollten nicht zu früh glauben, schon etwas erreicht zu haben. Viele kommen nicht oben an, trotz ihres Talentes, weil sie das nicht kapieren. Das tut einem als Ausbilder dann leid. Die Schuld suchen viele dann beim Trainer, statt beim Spieler. André Hahn hatte die richtige Einstellung. Bei Lucas Höler war das im Prinzip auch so. Der ist hier in Bremen nicht erkannt oder nicht gewollt worden von Werder, obwohl er in Blumenthal und in der Auswahl bei uns gespielt hat. Aber manchmal werden Spieler halt auch anders eingeschätzt, oder die Vereine suchen etwas anderes.
Höler zog immer weiter nach Süden und stürmt heute für den SC Freiburg in der Bundesliga…
Er hat viele richtige Entscheidungen getroffen und wollte sich immer verbessern. Er hat sich nach oben durchgearbeitet. Eine Garantie gibt es ja nie für einen jungen Spieler, es bis in den Profifußball zu schaffen. Man muss bereit sein, ganz viel dafür zu tun. Hahn und Höler haben sich nie geschont, die haben sich durchgebissen. Mit André konnte man eher nicht zehn Doppelpässe spielen, aber wenn man ihm den Ball in den Lauf gespielt hat, dann kam eine Top-Flanke. Es gibt eben unterschiedliche Fußballspieler. André hatte immer ein Riesenpotenzial im Spiel gegen den Ball, der hat nach hinten gearbeitet und war sich für nichts zu schade. Das sind Attribute, die nicht viele in die Waagschale werfen.

Bekannter Jugendförderer: Willi Zander vom Bremer Fußball-Verband.
Welche Erinnerungen haben Sie an Karim Bellarabi?
Es war nicht immer einfach mit ihm. Er war als Jugendlicher nicht so angepasst. Da musste man schauen, wie man ihn in die Spur bekommt. Das war ein Huchtinger Straßenkämpfer, so nenne ich das gerne, und damit musste man umgehen können. Wenn um 16 Uhr Treffpunkt war, dann kam er auch mal 15 Minuten später. Aber der Junge wurde nicht von Mama und Papa im Auto vorgefahren, der hat sich mit Fahrrad und Straßenbahn oder zu Fuß durchgeschlagen. Wenn man aber das Talent in dem Jungen sah, wollte man ihn fördern. Man muss sich um die Jungs kümmern, wenn man das Optimale herauskitzeln will. Mir ist das zu einfach, immer nur die Ja-Sager zu fördern und schwierigere Charaktere auszusortieren. Man braucht nicht nur Mannschaftsspieler, sondern auch Unterschiedsspieler – und das sind manchmal nicht die einfachen. Viele Vereine haben das inzwischen erkannt.
Wie sehen Sie den Weg von Gerrit Holtmann?
Den kenne ich von klein auf. Er ist ein Bremerhavener wie ich. Er war in der Jugend auch bei Werder, wurde dort aber aussortiert. In der Auswahl haben wir ihn immer dabei behalten. Eintracht Braunschweig hatte sein Potenzial nach einem überragenden Spiel in der Regionalliga erkannt. Die wollten ihn erst für ihre zweite Mannschaft holen, er ist dort aber sofort durchgestartet und von da nach Mainz in die Bundesliga gekommen. Sein Tor des Monats jetzt im August hat mich sehr gefreut.
Ist Kevin Behrens ein Beispiel dafür, dass sich Hartnäckigkeit auszahlt? Er ist erst mit 30 Jahren in der Bundesliga angekommen…
Daran sieht man: Wenn die Jungs den Willen und das Durchhaltevermögen haben, ist viel möglich. Ich sehe das ja bei mir im Auswahlbereich immer wieder: Da kommen Jungs, die sind 16 Jahre jung und denken, sie hätten schon was geschafft. Denen sage ich immer, dass sie noch gar nichts erreicht haben und Fußball ein Tagesgeschäft ist. Auch jeder Stammspieler muss sich jedes Jahr neu beweisen. Aber wir können stolz sein auf unsere Bremer Bundesligaspieler. Wobei: Als Leverkusen vor drei Jahren mit 6:2 im Weserstadion gewann, konnte man als Bremer kaum hinsehen. Da wirbelten mit Brandt und Bellarabi zwei schnelle Bremer Jungs auf den Außenbahnen. Das war ganz toller Fußball, leider für den Gegner.